Rocky Horror

Frank N. Furter: Unglaublich (gut!)

Schaurig schön ist er. Grotesk frivol. Ziemlich sexy und hübsch geheimnisvoll. Frank N. Furter aus der Rocky Horror Picture Show ist eine Art Pop-Vampir mit fetziger Musik und Schöpfer-Obsession im Blut, der auf den Staub alter Schule hustet und moralisch unbeherzt auf Stöckelschuhen seiner eigenen New-Wave-Wissenschaft frönt. Er kommt aus dem All, trägt Strapse und fletscht lüstern die blitzenden Zähne. Seine augenscheinliche Botschaft steckt in einem Korsett, seine tatsächliche ist genialer Glamour-Grusel, der so irre abgedreht ist, dass er in klugen Köpfen einfach funktionieren muss.

Rocky Horror 16
(c) 20th Century Fox

Frank N. Furter alias Tim Curry im echten Leben ist anders. Er ist unglaublich. Er weiß, sich vorzustellen:

Don’t get strung out by the way that I look
Don’t judge a book by its cover
I’m not much of a man by the light of day
But by night I’m one hell of a lover
I’m just a sweet transvestite
From Transexual, Transylvania, ha ha…

Die Rolle des extravaganten, promiskuitiven und spektakulär unheimlichen Paradiesvogels aus transsylvanischer Galaxie bedeutete für Tim Curry wohl gleichsam obligatorischer Fluch und Segen. Seit über vierzig Jahren Mister Frank N. Furter zu sein, das dürfte als nicht immer glücklich machenden Ewigkeit durchgehen. Er war in seiner schillernden Maske fleischgewordenes Revoluzzer-Pendant zum etablierten Gentleman-Vampir. Tim Curry/Frank N. Furter wurde in den 1970ern zur Ikone der Schwulen-Szene, darüber hinausgehend noch: Er galt als Symbolfigur für ausgelebte Exzentrik, provokant ungezügelte Leidenschaft und einer in Lack, Leder und Rüschen verpackten Selbstdarstellung und zugleich erotischer Selbstgefälligkeit.

Rocky Horror 18
(c) 20th Century Fox

Mit Pomp, Sexappeal und Glorie

Seines Zeichens ein wahnwitziger Wissenschaftler vom Planeten Transsexuell mit Passion für fulminantes Entertainment, wohnt Frank N. Furter in einem gotischen (Spuk-)Schloss und hat eine Schar bizarrer Gestalten um sich herum versammelt, der er seine neue Kreation, einen von ihm in seinem Labor gebastelten künstlichen Menschen, mit Pomp und Glorie präsentieren will. Rocky Horror. Ein muskulöser Märchen-Beau mit goldfarbener Haut und wenig Hirn, wie geschaffen dafür, delikate Wünsche zu erfüllen. Hauptsächlich die seines begierigen Schöpfers, der auf „a good rump in the sheets“ schwört. Immer.

I’ve been making a man
With blond hair and a tan
And he’s good for relieving my tension…

Völlig entspannt alle? Falsche Frage. Spätestens jetzt tobt die Gemeinde vor Wohlgeschmack. Tobt das schräge Volk. Tobt der Saal auch in zivil. Bedenklich nur, wenn sie im Rudel losgelassen… Frank N. Furters ultimativ eingefleischte Fans weltweit, die ihre Maskerade derart perfektionieren, dass der prinzipiell unübertroffene sweetest transvestite auf der Leinwand ein wenig um seine einmalige Aura fürchten müsste.

Rocky Horror 3
(c) 20th Centuty Fox

So grell, wild, laut und geil

Muss Mister Frank N. Furter natürlich nicht, soll er auch nicht: Die schrille Verkleidung des Publikums, das Mitsingen/-sprechen/-tanzen, der prasselnde Reis- und Konfettiregen überall dort, wo die Rocky Horror Picture Show als Kult-Musical die Ränge füllt, dient der Ehre, huldigt das Große, beweist die Treue. Einmal wie dieser phänomenale Tim Curry dort oben auf der Leinwand sein. So grell, laut, wild und geil. Einmal Legende. Irgendwie.

Well, babies, don’t you panic
By the light of the night, it’ll all seem alright
I’ll get you a satanic mechanic
I’m just a sweet transvestite
From Transexual, Transylvania, ha ha

(Songwriter: Richard O’brien, © Warner/Chappell Music, Inc)

Die Rocky Horror Picture Show wurde vor neunundvierzig Jahren, nachdem sie über ein Jahr (seit Sommer 1973) auf englischen und amerikanischen Bühnen gezeigt worden war, auf Celluloid gebannt. Die Meinung der Kino-Gäste ging wie zuvor die der Theaterbesucher recht krass auseinander: Da waren die schockierten Konservativen, da waren die rest- und rastlos Verzückten. Und die behielten Oberwasser.

Selbst die definitiv Nüchternen bekannten mit Erstaunen, dass an der Sache was ist. Und die eh‘ Hingerissenen rissen andere mit. Etwas unfassbar Gelungenes, in gegeben (fast) verbotener Form Unüberbotenes eben mit einem entzückend unanständigen Transvestiten, der in seiner Funktion als Grusel-Schöpfer auch wirklich schrecklich böse werden kann: Er zerhackt Eddie, gespielt von Meat Loaf, Vorgänger von Rocky Horror, mit dem Eispickel ihn und lässt ihn später seinen ahnungslosen Gästen als Hauptgang servieren.

Phantastisch durchgeknallte Story

Erstmalig im deutschen Kino lief die Rocky Horror Picture Show 1977. Und läuft, läuft, läuft. Ununterbrochen seit der Premiere in den Museum Lichtspielen in München. Vielleicht auch grad heute in diesem speziellen Programmkino im nächst liegenden Ort. Oder im ausgebauten Keller vom Nachbarn, der gemeinsam mit Freunden den neuen Fernseher einweiht und die DVD mit den legendären Worten startet: „Come up to the lab!“

It’s just a jump to the left,
and then a jump to the right

(Songwriter: Richard O’brien, © Warner/Chappell Music, Inc)
Rocky Horror 7
(c) 20th Century Fox

Die phantastisch durchgeknallte Geschichte hat Richard O’Brien erdacht, der in der Verfilmung den bleichgesichtigen Diener Riff Raff spielt, der letztendlich Frank N. Furters Treiben und Sein auf Erden vernichtet. Und aus und weiter-weiter-weiter bis zur nächsten Show. Tim Curry singt’s wohl im Endlos-Schlaf:

I’m just a sweet transvestite
From Transexual, Transylvania, ha ha
Hit it, hit it, I’m just a sweet transvestite (sweet transvestite)
From Transexual, Transylvania, ha ha

(Songwriter: Richard O’brien, © Warner/Chappell Music, Inc)

Tim Curry, – am 19. April feiert er seinen 78. Geburtstag – , hat sich bis heute mit dem süßen Transvestiten vom Planeten Transexual irgendwo in der Galaxie Transylvanien arrangieren müssen, sein Schatten ist bunt und ungeniert verbissen. Vor einigen Jahren agierte der britische Schauspieler sogar in der Neuverfilmung, – Let’s Do the Time Wrap Again – , von Kenny Ortega als Erzähler mit.

Als Pennywise aus ES, als Kardinal Richelieu in Die drei Musketiere kennen wir Curry. Wir kennen ihn besser, viel besser, – und daran glauben wir fest, springen nach rechts, hüpfen nach links – , als Frank N. Furter. Den lieben wir. Deshalb. Darum.

Touch-A, Touch-A, Touch-Me…

(Songwriter: Richard O’brien, © Warner/Chappell Music, Inc)

…und Treffer: Mitten ins Herz.

Karin Reddemann

Karin Reddemann

Karin Reddemann, Jahrgang 1963, Studium Germanistik/Romanistik, Journalistin und Autorin; von 2015 - 2018 Redakteurin im Phantastikon-Magazin; Mitarbeiterin beim Online-Magazinn Fantasyguide; Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien, Buch Gottes kalte Gabe, Dr. Ronald-Henss-Verlag Saarbrücken (auch e-books).

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