Necronomicon

Das Necronomicon

Nachbildung des Necronomicon von Alex Libris.

Das Necronomicon ist eines der berüchtigtsten und geheimnisvollsten Bücher der okkulten Literatur, gebunden in Menschenhaut und geschrieben mit Blut. Wer es liest, riskiert, seinen Verstand und sein Leben zu verlieren. Es wird behauptet, dass es von dem arabischen Gelehrten Abdul Alhazred im 8. Jahrhundert geschrieben wurde und dass es das Wissen über die alten Götter enthält, die jenseits der Grenzen von Raum und Zeit lauern. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter dieser Legende? Und welche Quellen hat Alhazred für sein Werk verwendet?

Necronomicon
Inspiriert von den Werken Lovecrafts fertigt der Künstler Zorano fiktive Seiten aus dem Necronomicon an, die in seinem Shop auf Etsy gekauft werden können.

Der Verfasser des Necronomicon

Zunächst müssen wir uns fragen, wer Abdul Alhazred war und ob er überhaupt existiert hat. Es gibt keine zuverlässigen historischen Beweise für seine Existenz, aber einige Gelehrte haben versucht, seine Identität zu rekonstruieren. Eine Theorie besagt, dass er ein persischer Dichter war, der unter dem Namen Abu al-Ala al-Ma’arri bekannt war und der für seine skeptischen und freidenkerischen Ansichten berühmt war. Eine andere Theorie schlägt vor, dass er ein jemenitischer Astrologe war, der unter dem Namen Abu Ali al-Hasan ibn al-Haytham bekannt war und der als einer der Begründer der modernen Optik gilt. Beide Theorien basieren jedoch auf Spekulationen und Vermutungen.

Gibt es das Necronomicon wirklich?

Was das Necronomicon selbst betrifft, so gibt es auch keine eindeutigen Beweise für seine Existenz. Es wird angenommen, dass es ursprünglich in arabischer Sprache geschrieben wurde und den Titel Al Azif trug, was das nächtliche Zirpen der Insekten bedeutet. Dies soll eine Anspielung auf das Flüstern der alten Götter sein, die Alhazred in seinen Träumen und Visionen hörte. Das Buch soll eine Mischung aus Mythologie, Magie, Astronomie und Geschichte enthalten, sowie Rituale und Zauber, um die Mächte des Chaos zu beschwören oder zu bannen.

Es gibt jedoch keine erhaltenen Manuskripte oder Fragmente des Al Azif in arabischer Sprache. Die älteste bekannte Version des Necronomicon ist eine griechische Übersetzung aus dem 10. Jahrhundert, die von Theodoros Philetas angefertigt wurde. Diese Version soll den Titel Necronomicon tragen, was das Buch der toten Namen bedeutet. Diese Version soll in Byzanz zirkuliert haben, bis sie von den Christen verboten und verbrannt wurde. Einige Exemplare sollen jedoch überlebt haben und in verschiedene Bibliotheken Europas gelangt sein.

Eine weitere bekannte Version des Necronomicon ist eine lateinische Übersetzung aus dem 13. Jahrhundert, die von Olaus Wormius angefertigt wurde. Diese Version soll in Deutschland verbreitet worden sein, wo sie das Interesse von Geheimbünden wie den Templern oder den Rosenkreuzern weckte und auch von berühmten Okkultisten wie John Dee oder Aleister Crowley konsultiert worden sein. Natürlich hat die Kirche auch versucht, dieses Exemplar zu vernichten, aber einige Kopien könnten überlebt haben.

Es gibt viele weitere Fälschungen des Necronomicon, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Da wäre zum Beispiel eine englische Übersetzung aus dem 17. Jahrhundert, die von Edward Kelley angefertigt wurde, einem Medium und Betrüger, der behauptete, mit Engeln zu kommunizieren. Auch eine französische Übersetzung aus dem 18. Jahrhundert ist bekannt. Die wurde vom Marquis de Sade höchstselbst angefertigt, einem berüchtigten Schriftsteller und Philosophen, der für seine sadistischen und blasphemischen Werke bekannt war. Eine deutsche Übersetzung wurde im 19. Jahrhundert von Ludwig Prinn angefertigt, einem Alchemisten und Nekromanten, der von der Inquisition gefoltert und hingerichtet wurde. Schließlich gibt es auch eine moderne englische Übersetzung aus dem 20. Jahrhundert, die von Simon angefertigt wurde, einem anonymen Autor, der behauptete, das Buch aus einem gestohlenen Manuskript transkribiert zu haben.

Eine Erfindung Lovecrafts

H.P. Lovecraft
H.P.

All diese Versionen und Fälschungen haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind alle von einem einzigen Autor inspiriert, der das Necronomicon erfunden hat: Howard Phillips Lovecraft. Lovecraft war ein amerikanischer Schriftsteller, der im frühen 20. Jahrhundert lebte und der für seine Geschichten über kosmischen Horror und übernatürlichen Schrecken bekannt war und heute einen wahren Höhenflug erlebt. Er schuf eine fiktive Mythologie, die als Cthulhu-Mythos bekannt ist, in der er das Necronomicon als eines der wichtigsten Bücher der okkulten Literatur darstellte. Er erwähnte es zum ersten Mal in seiner Kurzgeschichte „Der Hund“ im Jahr 1922 und verwendete es später in vielen anderen Geschichten wie „Das Grauen von Dunwich“, „Der Ruf des Cthulhu“ oder „Berge des Wahnsinns“. Er gab dem Buch einen fiktiven Ursprung, einen fiktiven Inhalt und einen fiktiven Einfluss auf Geschichte und Kultur.

Lovecrafts Necronomicon war jedoch so überzeugend und faszinierend, dass viele Leser und Autoren es für real hielten oder es zumindest als solches behandeln wollten. Viele Okkultisten und Magier versuchten, das Buch zu finden oder zu rekonstruieren, um seine Geheimnisse zu enthüllen oder zu nutzen. Schriftsteller und Künstler liehen sich die Idee des Buches aus oder erweiterten sie, um es in ihre eigenen Geschichten und Werke einzubauen. Und so wurde das verbotene Buch zu einem Teil der modernen Popkultur und vielleicht zu dem Symbol für das Unbekannte und das Verbotene.

Das Necronomicon ist also ein Buch, das sowohl Wahrheit als auch Mythos enthält. Es ist ein Buch, das sowohl Quellen als auch Legenden hat. Es ist ein Buch, das sowohl Geschichte als auch Fiktion ist. Es ist ein Buch, das sowohl Angst als auch Faszination auslöst. Es ist ein Buch, das sowohl existiert als auch nicht existiert.

Quellen:

  • Harms, Daniel and Gonce III, John Wisdom (1998). The Necronomicon Files: The Truth Behind Lovecraft’s Legend. Red Wheel/Weiser.
  • Tyson, Donald (2004). Necronomicon: The Wanderings of Alhazred. Llewellyn Publications.
  • Lovecraft, Howard Phillips (1984). The History of the Necronomicon. Necronomicon Press.
MEP

MEP

Michael Perkampus wurde am 2. April 1969 im Fichtelgebirge geboren. Als Solitär der deutschen Literatur arbeitet er in seinen Texten mit "Bewusstseinsfragmenten" und "Synkopen", einer "philosophischen Phantastik". Von 2005 - 2010 moderierte er die Schweizer Literatursendung "Seitenwind" in Winterthur. Letzte Erzählungen erschienen im Blitz-Verlag unter "Das Kriegspferd", herausgegeben von Silke Brandt. Im Januar 2015 ging das Phantastikon online, später folgte der gleichnamige Podcast. 2018 gab er die Anthologie "Miskatonic Avenue" heraus, deren Namen jetzt für eine Rubrik im Magazin steht. Wer sich für Metaebenen interessiert, sollte sich den Blog "Crossroads" anschauen: https://crossroads.phantastikon.de

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