Mann ohne namen

Der Mann ohne Namen (Die Geburt des Anti-Helden)

Als Clint Eastwood vom American Film Institute 1996 für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, sagte der Laudator Jim Carrey:

„Der Mann ohne Namen hatte keinen Namen, also konnten wir unseren eigenen einsetzen.“

2008 wurde der Man with no Name (bei uns oft als „Fremder ohne Namen“ bezeichnet) vom britischen Filmmagazin Empire zu einer der 33 bedeutendsten Filmfiguren aller Zeiten gewählt.

Seine Markenzeichen sind der legendäre Poncho, sein brauner Hut, seine hellbraunen Cowboystiefel, seine Vorliebe für Zigarillos und die Tatsache, dass er selten spricht. Tatsächlich hätte ihn niemand anderes verkörpern können als Clint Eastwood, dem es gelang, mit Dirty Harry sogar eine zweite ikonische Figur festzulegen.

Ausgangspunkt sind die drei als „Dollar-Trilogie“ bezeichneten Filme „Für eine Handvoll Dollar“, „Für ein paar Dollar mehr“ und „Zwei glorreiche Halunken“, die zum besten gehören, was der Italowestern zu bieten hat. Eastwood definierte mit dieser Rolle den Anti-Helden, dessen Inkarnation aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken ist. Wo immer wir dieser Spezies also begegnen, begegnen wir dem Mann ohne Namen.

Den stärksten Einfluss spüren wir allerdings im Star-Wars-Universum. Jeremy Bulloch zufolge basierte seine gesamte Darstellung von Boba Fett auf Clint Eastwoods Performance in „Für eine Handvoll Dollar“. Die minimale Bewegung und das bedrohliche Verhalten von Eastwood zeigt sich in jeder seiner Bewegungen (oder deren Fehlen).

Die Popularität der Figur führte zu einer Reihe von Romanen und einer beachtlichen Comic-Serie, die Dynamite im Jahre 2008 unter dem Titel „The Man With No Name“ lancierte. Hier wird er „Blondie“ genannt. Das ist der Spitzname, den Tuco ihm in „Zwei glorreiche Halunken“ gab. Später wurde die Serie in „The Good, The Bad and The Ugly“ umbenannt, obwohl sie keine Adaption des gleichnamigen Films ist.

Von einem italienischen Regisseur, der von einem japanischen Drehbuch inspiriert war, in Spanien mit einem amerikanischen Schauspieler gedreht, stellte „Für eine Handvoll Dollar“ eine innovative Wendung der multikulturellen Befruchtung dar. Sergio Leone nahm die Konventionen der traditionellen Sagas auf und führte sie zu bis dahin beispiellosen Extremen grafischer Gewalt und halb-ernstem Zynismus. Damit erfand er mehr oder weniger ein neues Subgenre – den so genannten “Spaghetti-Western” –, in dem alte Regeln nicht mehr galten und neue Verhaltensweisen Helden und Bösewichte gleichermaßen antrieben.

“Für eine Handvoll Dollar” ließ die edlen Motive und den uneigennützigen Heldenmut verschwinden, der seit der Stummfilmzeit ein geheiligtes Merkmal des westlichen Genres waren. Der Protagonist ist ein stahläugiger Pragmatiker, der von Eigennutz getrieben wird, nicht von Gerechtigkeit und Selbstverleugnung, und der nur dann in Schwierigkeiten gerät, wenn er spontan einer Frau und Mutter hilft, die von einem Banditenchef herumkommandiert wird. Er schießt als erster –und als letzter – und stellt keine Fragen. Er kommt als guter Kerl davon, vor allem, weil die bösen Jungs viel, viel schlimmer sind.

Leone brach alle ungeschriebenen Gesetze, die bisher den in Amerika produzierten Western definiert hatten – einschließlich des Brauchs, dass die Waffe eines Charakters und seine tödliche Wirkung niemals in derselben Einstellung gezeigt werden sollten.

Dem Biographen Christopher Frayling erzählte Sergio Leone 20 Jahre nach dem ersten Film:

„Als wir zusammen arbeiteten, war er wie eine Schlange, die eingerollt im Wüstenstaub ein Nickerchen hielt. Dann entrollte er sich und dehnte sich. Wenn man das mit der Explosion und der Geschwindigkeit der Schüsse mischt, hat man den wesentlichen Kontrast, den er uns gegeben hat.“

Eastwood seinerseits befand sich an einem Punkt seiner Karriere, an dem die Gelegenheit, zum ersten Mal nach Europa zu reisen, sehr verlockend schien. Als die Produktion vor Ort in Spanien begann, fand Eastwood, dass Leone ein selbstbewusster und dennoch flexibler Partner war. Der Regisseur akzeptierte bereitwillig seinen Vorschlag, den Umfang des Dialogs, den er haben würde, stark zu verringern, um mysteriöser, ja sogar ikonischer zu wirken. Und so wurde Eastwood zu einem der wenigen Akteure in der Filmgeschichte, die darum kämpften, weniger sagen zu müssen.

Eastwood dachte, dass weniger Dialog und weniger Erklärung ihn erst recht zu einem Anti-Helden machen würde. Eastwood sagte dazu:

„Mehr ein Typ, der die Waffe zu seinem eigenen Wohlergehen nutzte, der sich selbst an die erste Stelle setzte und sich nicht in die Probleme anderer Leute einmischte, es sei denn, es war zu seinem Vorteil.“

Was das Entspannte und Schlangenartige betrifft, so gibt Eastwood zu:

„Italienische Schauspieler kommen von der höllisch kaputten Schauspielschule. Um meinen Effekt zu erzielen, blieb ich impulsiv – und ich schätze, alle dachten, ich würde überhaupt nicht richtig spielen. Alle, außer Leone, der wusste, was ich da tat.“

Pulp Matters

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Hat sich in Studien durch die Weltliteratur arbeiten müssen, fand schließlich mehr Essenz in allem, was mit Krimi und Horror zu tun hat.

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