Mummenschanz Thumb

Michael Perkampus – Mummenschanz in großen Hallen

MUMMENSCHANZ IN GROSSEN HALLEN (2020)

Wenn man eines bei der exquisiten Lektüre von MUMMENSCHANZ IN GROSSEN HALLEN direkt vergessen kann, dann ist es ein, wie ich finde, natürlicher Leserdrang, Geschichten, mit denen man einige Zeit verbringt – zu verstehen. Diesen einfachen Wunsch erfüllt uns Michael Perkampus in keiner der enthaltenen Geschichten. Aber, wie wichtig ist denn das Durchschauen von erzählender Literatur am Ende wirklich? Und wie wichtig ist es, wenn diese erzählende Literatur etwas in uns zum Klingen bringt, ohne, dass wir wirklich dahinter kommen, wie das dem Autor, dessen abseitiges Fantasie-Reservoir unermesslich zu sein scheint, gelingt?

Der Band gibt uns sieben Erzählungen, die bereits zwischen 2008 und 2019 in diversen Anthologien erschienen sind, sowie acht hier brandneu veröffentlichte. Es scheint mir unmöglich, daraus einzelne Texte herauszugreifen, da sie jeweils ein Bild ergeben, das sich auf das gesamte Buch umbrechen lässt. Was mir an erster Stelle das unbedingte Verlangen, Erklärungen zu erhalten, unwichtig werden lässt, ist die Art und Weise, wie Perkampus seine jenseits aller Klischees stattfindenden Ereignisse ausgibt. Mit einem sehr großen Wortschatz gesegnet, lässt Perkampus jeden Satz zu Musik erklingen. Um das zu erkennen, braucht man nur wahllos einzelne Sätze laut lesen, um zu spüren wie der Sprach-Rhythmus groovt. Perkampus nutzt Sprache wie begnadete Musiker ihre Instrumente. Und einen sehr guten Musiker erkennt man schon an seinen ersten Tönen – so auch Michael Perkampus. Ob mit der Realität unserer Zeit, mit manipulierter Historie, Schauerausbrüchen, sphärischer Phantastik oder gar Endzeit – er spielt mit jedem Thema so virtuos und macht es zu seinem eigenen, wie es nur ein Meister kann, wenngleich manchmal etwas mehr Herz das Ganze in meinen Augen nochmals steigern könnte. Zur noch intensiveren Wirkung empfehle ich, die Geschichten nicht hintereinander wegzulesen, sondern sich jeden Tag nur eine davon zu gönnen und sie zu genießen wie ein 5-Sterne-Essen.

Frank Duwald

Frank Duwald

Frank Duwald ist ein deutscher Autor von Erzählungen. 1994 erschien Frank Duwalds erste Erzählung Wörter an der Wand, der bis 2014 weitere folgten, die allesamt in den Erzählungsband Die grünen Frauen (2019) enthalten sind. Daneben veröffentlicht er seit Jahrzehnten Buchbesprechungen und Autorendarstellungen. Seit 2013 schreibt er vornehmlich für die Online-Präsenz Dandelion - abseitige Literatur über vergessene und zu Unrecht missachtete Literatur. Frank Duwald lebt und arbeitet in Hamm.

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