Wir kennen King’s Clown Pennywise. Sein verschlagenes Grinsen, die bösen Augen, die spitzen Zähne. Wir wissen vom Joker, Gegenspieler des großen Batman. Permanent grotesk belustigt. Ein ewig grinsender Oberschurke, genial, verrückt und de facto ein übler Kerl, faszinierend durchaus und gerade deswegen so herrlich böse abgefahren. Wir haben vom Serienkiller John Wayne Gacy gehört, der als Clown Pogo in seiner Heimatstadt den allseits beliebten Spaßmacher spielte und Jungs für seine Lust ermordete, wenn die Maske fiel.
Irgendwann, irgendwo mal haben wir auch von den Hofnarren aus längst vergangener Zeit erfahren, die als Urväter des modernen Clowns gelten dürften: Die waren prinzipiell von Natur aus mit physischen und psychischen Defiziten belastet, Randfiguren der Gesellschaft, Prügelknaben und Entertainer der Herrschaften, Zielscheiben oft kleingeistiger Spötter, zugleich selbst Verspottende, da sie sich in Wort, Sinn und Tat so einiges an Frechheiten und Dreistigkeiten herausnehmen durften.
Hofnarren waren die offiziellen Narren, auffällig gekleidet und geschminkt, spezifisch anders mit dieser gewissen Freiheit versehen. Aber eben einer Freiheit, die auch und manchmal extrem von den Launen des Publikums abhing. War dem das alles zu viel der Verulkung, ging der Daumen hinunter. Das Leben der Hofnarren stand stets auf der Kippe. Und außerhalb ihrer Bühne mussten sie damit klar kommen, die ewigen Außenseiter zu sein, skurrile Subjekte, mit denen etwas nicht stimmte. Die weder vertrauenswürdig noch irgendwie sympathisch wirkten. Die Scheu verursachten. Unwohlsein. Und eben auch Angst.
Obacht, wenn die Maske fällt
Geändert hat sich das in all den Jahrhunderten nicht. Sind es auch wirklich anständige Leute mit großen Namen, die den typischen Zirkusclown geprägt haben, – da war der Pantomime Jean-Gaspard Deburau, der 1816 mit schwarzer Kappe, weißem Kittel mit schwarzen Bommeln und schneeweißem Gesicht den französischen Pierrot schuf, Joseph Grimaldi (1799 – 1837), der erste zeitlos moderne Clown, Tom Belling (1843 – 1900), der als „Dummer August“ Vorbildcharakter für drollige Tollpatschigkeit hatte – , so bleibt immer eine Scheu, dieser Argwohn vor ihnen bestehen, sobald sie sicheres Terrain verlassen.
Ein klar zu definierender Clown im Zirkuszelt ist die eine Sache, ein weniger durchschaubarer Vertreter seines Genres nachts auf menschenleerer Straße eine gänzlich andere.
Ha ha, said the Clown, has the king lost his crown.
Ha! Ha! said the clown, is it bringing you down…
Ein leicht verstaubtes Lied mit recht beschwingter Melodie. Mighty Garvey hat’s gesungen, 1968 war das. Man könnte es glatt mitsummen. Aber dann fällt einem (wieder) Pennywise ein. Und vielleicht auch Eli Roth’s Clown. Da friert die Stimme ein. Der Film Clown aus dem Jahr 2014 stampft jegliche Art von Humor, die einem trotz ernster Sachlage, – die liegt hier vor! – , in den Sinn kommen könnte, in Grund und Boden. Der „Normalo“ Kent McCoy (Andy Powers) mutiert vom fleißigen, liebenden Familienvater in ein abartiges Wesen, das Kinder frisst.
Vom Spaßvogel zum Alptraum
Die grandios-schauerliche Verwandlung vom Menschen über den Clown zum absoluten Alptraum erinnert ein gutes Stück an die Fliege, der große Rest ist eigene Geschichte: Um seinem Sohn auf dessen Geburtstagsparty eine Freude zu bereiten, schlüpft Immobilienmakler McCoy, der in einem leerstehenden Haus zufällig ein altes Clownskostüm gefunden hat, in eben dieses, tritt als der gute Dumbo auf…und kann sich am Abend weder ausziehen noch gescheit abschminken noch Perücke und Nase absetzen. Alles ist mit ihm verwachsen. McCoy ist verzweifelt. Panisch. Sucht Hilfe. Und verändert sich nach und nach. Tatsächlich ist das Kostüm Dämonenhaut. Es wird schrecklich. Gruselig schlimm. Und die Idee phänomenal.
Ha! Ha! Said the clown, hear the jokes, have a smoke, and a laugh at the clown …
Darüber lachen! Klappt manchmal so gar nicht. Das Lied gehört hier und jetzt in die Schublade, passt nicht. Wobei im Kontext festzuhalten bleibt: So wirklich geeignet furchtbare Lieder über Furcht einflößende Clowns im Herkömmlichen gibt es auch gar nicht. Es gibt das grammatikalisch liebevoll verformte Oh mein Papa sein eine wunderbare Clown… und den wehmütigen Blick Where are the clowns? Send in the clowns… , das sind Hymnen für Gutmenschen und Glückselig-Macher ohne finstere Hintergedanken.
Ennio Morricone hat für den Clown in der Arena, der gar keiner ist, komponiert. Freilich ist Il Mercenario nichts direkt zum Gruseln. Die deliziöse Pasta des Italos wurde mit Blei, selbstredend auch mit Blut, aber nicht mit abgeschälter Gänsehaut gekocht. Horror findet nicht in der Arena statt. Und ist grundsätzlich nicht das Ur-Zuhause eines bunt bemalten und gewandeten Spaßtreibers.
Charlie Rivel tollpatschte weltweit in Manegen und in den 1960ern, -70ern über die Bildschirme, lautstark sein unverkennbares „Akrobat schööön!“ verkündend. Da war der berühmte spanische Clown mit der poppigen Vierkantnase und dem roten Haarkranz um die Glatze schon gut betagt. Und hatte so warmherzige Weisheiten erkannt wie:
„Glück ist, wenn man die Persönlichkeit hat, ein Clown zu sein.“
Keine Panik: Akrobat schööön!
(S)eine warmherzige Weisheit. Warum auch nicht, so betrachtet? Ohne Skepsis, ohne graue Wolke am Himmel. Der Clown war lieb. Lustig. Lebensfroh. Manchmal bekümmert, wenn seine Seifenblasen platzten. Das großes Kind mit den riesigen Schuhen und den ganz kleinen Sorgen, das staunt und „Nit möööglich!“ ruft, wenn seine Geige singt. Sein Name war Grock. Fratellino. Popov. Nicht Pennywise, der etwas anderes möglich machte: Vor ihm so richtig Panik zu kriegen. Vor dem Clown.
Der ist als Angstmacher, – Coulrophobie (Furcht vor Clowns) kennen erstaunlich viele umsichtig fröstelnde Zeitgenossen – , nicht King’s Erfindung. Aber dieses entsetzliche Grauen, das tatsächlich greifen und zubeißen kann, wenn das Vertrauen eines Kindes oder eines naiven Erwachsenen in ein vermeintlich gutes, freundliches Gesicht ausgenutzt wird, um Böses in die Tat umzusetzen, ist allein sein genialer Schachzug. Der Clown als Nur-fast-Mensch mit puppenhafter Lächel-Maske bleibt, sei er noch so kumpelhaft.
Dichte, künstliche Fassade: Wer oder was sich hinter der gezielt fröhlichen Kostümierung verbirgt, bietet viel Raum für Ahnungen. Misstrauen. Und selbstredend Phantasie. Die vermag es, dass hübsche rosa Wattenwolken fette hässliche blutige Tropfen regnen lassen. Dann wird’s ungemütlich und böse. Darauf sollte man vorbereitet sein.
Für Kinder ist die erste Konfrontation mit einem Clown natürlich ein Sprung ins kalte Wasser: Spaß? Oder Angst, die bleibt? Laut Sheffield-Studie von 2008 empfinden viele Kinder Clowns nicht als lieb und lustig, sondern einschüchternd und bedrohlich, was jedem Elternteil, das bis dahin zum Kindergeburtstag als Überraschungsbonbon einen kunterbunten Spaßmacher besorgte, noch nachträglich schwer zu schaffen machen dürfte. Freilich muss angemerkt werden, dass den Kindern für diese Studie teils auch wahrlich groteske Fotos vorgelegt wurden, prinzipiell ungeeignet, um spontane Sympathie und Freude erwecken zu können.
Ein klarer Fall bleibt es eh für die berechtigt Vorsichtigen: Der Clown schürt die Ur-Angst vor der Maske, die irgendwas verbirgt. Im Film Zombieland (2009) ist es ein hungriger Untoter, der im verseuchten Vergnügungspark im Kostüm steckt. In (Eli Roth’s) Clown ist es der nette Nachbar. In King’s Es ist es Es. Bei den Simpsons das oberfrech personifizierte Laster. Die nackte, nimmersatte Unmoral. Präsentiert von Krusty, dem Clown. Und im Alltag waren es vor einigen Jahren die als Horror-Clowns verkleideten Mitläufer auf populärer Schiene, die weltweit Aufmerksamkeit suchten, indem sie wüst harmlose Leute erschreckten. Originell ist anders.
Selbstredend gilt: Wenn ein Clowns Menschen lächeln, vielleicht sogar herzlich lachen lassen können, dann ist da nichts Falsches. Ganz im Gegenteil. Aber mich persönlich bringen sie wohl nie dazu. Mag sein, dass ich dafür einfach zu viel weiß. Oder zu wenig.
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