Nachtkurier

Hexen: Irrsinn und Grauen der Folter

Die Folter im Mittelalter: Es war eine andere Zeit . Ein anderes Denken. War da auch ein anderes Schmerzempfinden? Ein anderes Verständnis von Unerträglichkeit? Eine andere Vorstellungskraft? Diese furchtbare Sache vor finsterster Kulisse ist als durchweg menschliche „Erfindung“ nicht erst im 16., 17. Jahrhundert Köpfen entsprungen, die wir krank nennen müssen. Nicht nur können aus unserer Sicht. Es gibt keine vernünftigen historischen Rechtfertigungen für diesen Irrsinn. Folter ist unmenschlich. Unlogisch. Unentschuldbar. Und sie ist eine alte Geschichte, die nie auserzählt worden ist. Sie blieb immer das eine große unfassbareThema.

„Wenn jemand Folter unterstützt, ist er keiner näheren psychologischen Betrachtung wert.“ – (John le Carré)

Geständnisse wertlos

Die Geständnisse der wegen Hexerei und teuflischer Magie angeklagten Menschen im Mittelalter waren grundsätzlich nichts wert, was einen nüchtern betrachteten Wahrheitsgehalt betrifft. Sie wurden heraus gequält, förmlich mit dem eigenen Blut und vor Schmerz schwindendem Verstand heraus gepresst. Ihnen gingen Torturen voraus, die viel mehr, viel schlimmer als grenzwertig waren. Die inqusitorische Strafverfahren der weltlichen und geistlichen Gerichtshöfe unterschieden sich damit von den ursprünglichen Untersuchungsverfahren bis zur Erhebung der tatsächlichen Anklage in einem gravierenden Punkt: Das, was vorgewurfen wurde, egal, welch noch so absurde Beweisführung praktiziert wurde, gleichgültig, welche Fantastereien als de facto wahr unterstellt wurden, musste zur absoluten, zuvor schon festgelegten Rechtssprechung führen. Wobei der Schutz der Religion über allem stand und somit auch über der Gerechtigkeit, wie sie mit einem deutlich reelleren Weltbild definiert und gehandhabt werden sollte. Die Richter und Angestellten des Gerichts hatten die Schuld verankert im Kopf. Und suchten Belege und Aussagen dafür. Die sie natürlich fanden. Es gab immer Zeugen. Es gab immer Geschichten. Und es gab die Folter.

Die Gefolterten sagen zu allem ja, und weil sie dann nicht zu widerrufen wagen, müssen sie alles mit dem Tode besiegeln. (Friedrich Spee von Langenfeld)

Frauen als Bedrohung

Hexerei galt als ein abartiges Verbrechen, das sich gegen Gott und die Gemeinschaft stellte und sehr viel krasser geahndet wurde als Raub oder Totschlag. So war man streng, verbissen und fanatisch dabei, alles ausmerzen zu wollen und zu können, was nach Irrglauben und Hexentreiben wirkte. Wobei die wahnhafte Verfolgung speziell im 17. Jahrhundert mit einem sehr gezielten Augenmerk auf Frauen als Bedrohung der Kirchenmacht vonstatten ging. Die tatsächliche „Minderwertigkeit“, die ihnen zugeschrieben wurde, wollte man durch eigenständig, selbstbewußt auftretende Vertreterinnen in der Gesellschaft nicht gefährdet sehen. Es bot sich geradezu an, hier gründlich aufzuräumen. Magierinnen und Frauen mit besonderem Heilwissen gab es schon von Alters her, das war bekannt, und nunmehr, da es darum ging, möglichst erfolgreich Bündnisse mit den Mächten der Finsternis nachzuweisen, fixierte man sich auf das weibliche Geschlecht als Hauptquell allen möglichen Übels.

Es wird gesagt, dass die sich entwickelnde Profession der Ärzte dazu beigetragen hat, dass Hebammen und Heilerinnen als Hexen angeklagt wurden. Sie galten als mysteriöse „Konkurrenz“, die man mit dem Fortschritt mechanistischer Medizin nicht länger dulden wollte. Gesagt wird auch, dass Mönchaskese und Zölibat die Frauenfeindlichkeit schürten. Dass die römische Kirche mit ihrer offiziellen Abscheu und auch Furcht vor Sexualität die Schuldigen für Unmoral und unsittsamem Ungehorsam suchen musste und primär bei Frauen zu finden glaubte. Dass die Wirren der Zeit von Reformation und Gegenreformation zur Ausbreitung der Hexenjagd beigetragen haben, da mit allen Mitteln versucht wurde, Ordnung ins Chaos zu bringen und ein System zu bilden. Eins nur mit Gott, König und untertänigem, gläubigem Volk, ohne Zauber, ohne Teufel, ohne Hexerei.

Gemetzel als Gesetz

Das alles stimmt. Und ist einfach nur Irrsinn, der in den Mühlen des Gesetzes zum Gemetzel wurde. Die Folter galt als definitiv angemessenes Mittel zum Zweck. Die dafür konstruierten Instrumente waren perfekt durchdacht. Man konnte sich ziemlich sicher sein, ein Geständnis zu erhalten. Möglichst schnell in den meisten Fällen. Manchmal dauerte es länger, den Gefolterten von seiner Schuld zu überzeugen. Es war immer ein erzwungenes Geständnis. Mehr wollte man nicht.

Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt.“ (Jean Améry)

G. Franz, Hexenprobe 1878,

Nun gab es zwar gewisse Regeln bei der Anwendung der Folter, die wohl Grenzen bei was und wie auch immer festsetzten, denen aber kaum Folge geleistet wurde. Das Bild von der im ganzen Land ausgebreiteten Hexen-“Seuche“ trieb zur Eile an, man wollte das Volk aufatmen hören, indem man möglichst viele Verfahren mit vielen Verdächtigen, Geständnissen und Todesurteilen so schnell wie machbar aufwies. Heißt: Es wurde gefoltert. Grausam gefoltert. Wobei die Folterknechte dabei ein gewisses Geschick an den Tag legen mussten, da die Opfer dabei nicht sterben sollten. Solange das Geständnis fehlte, war das ordnungsgemäße Verfahren nicht abgeschlossen. Das alles ging nicht immer so zügig wie erhofft voran. Natürlich waren einige Angeklagte schon bereit, alle erdenklichen Hirngespinste, die man ihnen vorwarf, zu gestehen, wenn Daumen-, Finger- und Handschrauben angelegt wurden. Das war ein erster Akt. Ein zweiter war die Streckung: Dabei wurde der Körper auseinandergezogen, bis die Glieder rissen. Aber es gab Frauen, die unmenschlich viel ertrugen, die mehrmals gefoltert wurden, die teils bereits stark verletzt inhaftiert waren in feuchten, kalten Räumen und die in ihrem gotterbärmlichen Zustand noch von den Verantwortlichen sexuell missbraucht wurden.

Peinliche Befragung

Die Wasserprobe, – wer gefesselt beim Wurf ins Wasser unterging und ertrank, war KEINE Hexe – , nannte man wahrhaftig Gottesurteil, die Folter Peinliche Befragung. Die fand unter Anwendung verschiedenster schrecklicher Methoden statt. Bevorzugt an deutschen Gerichtshöfen wurde der „Hexenstuhl“ eingesetzt, ein Stuhl aus Eisen, unter dem Feuer entzündet wurde. Es gab noch einen anderen Stuhl für die Befragten, dessen Sitzfläche mit messerscharfen, spitzen Eisen bespickt war. Man wandte Beinschrauben, Mundzwingen/“Maulbirnen“, die „Eiserne Jungfrau“, den „Stäupebesen“, den „Stiefel“, das „Hexenstechen“…und niemand will das wirklich genau wissen. Oder schlägt nach. Die Erkenntnis wird die gleiche sein.

„Folter ist meiner Ansicht nach ein so großes Verbrechen, dass ich dafür keine Entschuldigung finde.“ (John le Carré)

Karin Reddemann

Karin Reddemann

Karin Reddemann, Jahrgang 1963, Studium Germanistik/Romanistik, Journalistin und Autorin; von 2015 - 2018 Redakteurin im Phantastikon-Magazin; Mitarbeiterin beim Online-Magazinn Fantasyguide; Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien, Buch Gottes kalte Gabe, Dr. Ronald-Henss-Verlag Saarbrücken (auch e-books).

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