Für den ganz besonderen Grusel vom Zeichenbrett waren die 1970er goldrichtig. Comics jeglicher Couleur erlebten seit den 50ern in Deutschland einen Boom, der Jahrzehnte anhielt und die so herrlich phantasievoll schaurige Seite der ganzen Bilderpracht mit ankurbelte. Die fehlte in vollendeter Form noch, da brachte der Bastei-Verlag den Hammer: Gespenstergeschichten! Kaum Luft geholt, da war man dick im Geschäft. Und wir 1960er, die wir exakt SO WAS für unseren speziellen Horizont brauchten, waren schwer begeistert.
Seltsam? Aber so steht es geschrieben… Nonplusultra einer jeden Story. DIE zentrale Aussage: Klingt vielleicht irgendwie erfunden, ist aber wahr!
Seit 1918 gilt: Believe it or believe it not
Erdacht haben soll sich den Slogan der damalige Chefredakteur Manfred Soder, geistiger Vater der Gespenstergeschichten. Inspiriert hat ihn wohl und tatsächlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Klassiker-Statement Believe it or believe it not, erstmals veröffentlicht 1918 im New York Globe von dem Journalisten, Weltenbummler und Comiczeichner Robert Ripley (1890 – 1949): Sein „Glaub‘ es oder nicht“ gilt als globales Marketingzeichen, das für Kuriosa und „Wunder“ in Cartoons, Comics und Museen steht.
Believe it or believe it not ist die Eintrittskarte für’s Schauderkabinett im Absoluten: In Repley’s Museen, – das erste wurde 1933 in Chicago gebaut – , sind extrem gruselige, groteske und skurille Dinge der Menschheit ausgestellt. Über 20 von diesen Odditorien (engl. odd = seltsam) gibt es mittlerweile, die meisten davon befinden sich in den USA.
Believe it or believe it not. Oder eben genauso gut, spukig und sinnig: Seltsam? Aber so steht es geschrieben…
Der Spruch der Sprüche stand also, ein perfektes Pendant zu „Und wenn sie nicht gestorben sind…“, und die Geschichten traten 1974 ihren Siegeszug an mit hübsch-herrlichem Horror auch für die etwas zarter Besaiteten. Die Hefte hatten eine Wahnsinnsauflage, es gab sie an jedem Kiosk, jedem Bahnhof in ganz Westdeutschland, Österreich und Westberlin.
Gruselnachdrucke am Anfang, dann eigener Horror
Zu Beginn der Gespenstergeschichten, Mitte der 1970er, hatte man sich bei Bastei noch mit Nachdrucken aus amerikanischen Gruselserien zufrieden gezeigt, später waren es die eigenen Kreationen, vom Redakteur über den Autor, den Zeichner, den Texter bis hin zum Drucker. In den 80ern entwarf und zeichnete auch Hansrudi Wäscher einige Stories für Gespenstergeschichten, in der Szene bekannt wie der besonders bunte Hund, Schöpfer von Comics wie Falk und Sigurd.
Am Werk war eine Schar internationaler Künstler. Man sprach eine immens rasch wachsende Fangemeinde an, die natürlich ihre Ansprüche hatte und nicht enttäuscht werden wollte. Hundertprozentigkeit war da wohl eh‘ Gebot, korrekte Recherche Verpflichtung. Die Zeichner mssten sich ja mit den verschiedenen Epochen, Gepflogenheiten und Kulturen auskennen. Wir Leser erwarteten da sehr wohl von den Comics echte Atmosphäre, echtes Umfeld, die der jeweiligen Zeit entsprechende Mode.
Düster bunter Verkaufsschlager Nummer eins
Das wurde tatsächlich auch perfekt umgesetzt. Nicht umsonst wurden die für uns längst schon legendären Gespenstergeschichten zum düster-bunten Verkaufsschlager Nummer eins im deutschsprachigen Raum, Spanien, Italien, Frankreich…und etliche Horror-, Fantasy-, Mystery-Liebhaber schmökerten damals und manchmal immer noch still und heimlich oder laut und unbekümmert noch heute. Literaten aus dem speziellen, nomen est omen, halt seltsamen Genre pflegen nicht selten, eine ganz besondere Beziehung zu solchen Geschichten zu haben.

Maulenden Kritikern mit bösen Zungen zum berechtigten Trotze, die da meinen, das sei trotzdem nicht mehr als trivial gefülltes Papier, krasser gar noch, inhaltsloser Schund-Kram gewesen: In den Gespenstergeschichten steck(t)en nicht nur absolute Hand- und Wertarbeit, Phantasie, Talent und Fleiß; die Hefte zu kennen, zu kaufen, wieder zu kaufen und immer noch zu mögen hat garantiert keinem bei seiner Laufbahn als Leseratte mit permanentem Heißhunger geschadet.
Und so mal unter uns: In den Händen hielten sowieso ALLE die Hefte schon mal. Wie lange im Einzelfall festgehalten wurde? Da darf jetzt spekuliert werden.
Von wegen, inhaltsloser Schundkram!
Zu hart, zu grausam waren dieGespensterschichtennie. Sie standen und stehen nichtals Garant für böse Alpträume, sie dien(t)en eher der Unterhaltung, die dem kleinen, feinen Nervenkitzel frönt.
Den Zeichnern, fast ausschließlich Talente aus Spanien und Südamerika, wurden für die netten Nervenkitzel-Comics von der Redaktion Drehbücher mit konkreten Beschreibungen und exakten Abläufen geschickt, geliefert von Script-Schreibern, die sich die Stories ausdachten. Die einzelnen Geschichten kamen dann auf fünf/sechs Seiten mit mehreren kolorierten Einzelbildern, die mit Textmaterial versehen waren, ins jeweilige Heft.
Die Sprechblasen schrieb und klebte die Redaktion im Studio in Bergisch-Gladbach, primär der Chef-Texter von Bastei, Hajo F. Breuer (1954 – 2014). Breuer begann seine Autoren-Karriere (Science-Fiction, Buchreihe Ren Dhark) als Übersetzer von Marvel-Comics und schrieb seit 1983 wöchentlich für die Gespenstergeschichten

Die spanischen und südamerikanischen Zeichner wie Antonio Garcia, Marco oder Montaña haben allesamt ihren Wiedererkennungswert; es gibt typische Unterschiede, den einen besonderen Stil eben, der unterscheidet. Wer den Gespenstergeschichten ihre selbstredend verdiente Aufmerksamkeit schenkt, weiß sehr wohl allein beim ersten flüchtigen Hinsehen, ob das ein echter Farres, Torrente, Marco oder Danz ist. Achim Danz, gebürtiger Recklinghäuser, leider vor wenigen Jahren verstorben, zeichnete von 1986 (da war er 29) bis 1992 für die Gespenstergeschichten und war über lange Zeiträume hinweg der einzige deutsche Zeichner, der aktiv dabei war.
Die Schreiber/Autoren und Texter wurden in der Anfangszeit der Hefte namentlich gar nicht genannt; aber wer gezeichnet hatte, war immer und eben auch bis zum Finale der ganzen, großen Sache unter den Stories vermerkt.
Weil die Gespenstergeschichten so bombastisch gut einschlugen, brachte der Bastei-Verlag 1978 mit den Spuk Geschichten seine zweite große Gruselserie heraus. Zentrale Figur war Arsat, der Magier von Venedig, der in jedem Heft auf etwa 15 Seiten im Einsatz war; zwei, drei kürzere, andere Stories folgten dann noch. 1995 wurde die Serie nach 492 Ausgaben eingestellt.
Leider keine unendliche Geschichte
Eine unendliche Geschichte waren die Gespenstergeschichten letztendlich eben auch nicht: Irgendwann gingen nach und nach die Lichter aus. Die Auflage sank. Der Verlag fing an, alte Stories aus den ersten Heften nachzudrucken. Letzte Atemzüge. Im März 2006 fiel der Vorhang.
Einen Neustart wagte 2008 „Tigerpress“, der ging unrühmlich aus: Nach nur drei Heften musste das Projekt eingemottet werden, der Verlag war pleite.
Und weiter? Die Hefte gibt es immer noch, auf dem Trödelmarkt, bei e-bay, auf Börsen, auf dem Speicher…
Gute Zeichner gibt es auch noch. Texter. Autoren. Ideen. Können. Chancen? Idealismus?
Es ist wohl die Zeit. Es fehlt der Markt. Und die Pioniere sind eingeschlafen.
So ist das. Und was hier bleibt, ist nur noch Geschichte. Die Legende einer Leidenschaft.
Seltsam? Aber so steht es geschrieben…
Nein. Seltsam nicht. Einfach nur verdammt schade.