Boris Karloff

Karloff the Uncanny

Traumfabrik Hollywood, wir blicken weit zurück: 1931, der Tonfilm steckte (fast) noch in den Kinderschuhen, vielen populären Stummfilmstars hatte er aber bereits das Genick gebrochen. Der große „Rest“ träumte von großen Rollen. Einer von den Träumern, die Ehrgeiz hatten und hofften, war Boris Karloff, gebürtig William Henry Pratt (1887 – 1969), ein noch recht unbekannter britischer Theater- und Filmschauspieler. Ihm wurde eine Rolle angeboten, die sein Leben verändern sollte. Die ihn zur Legende machte.

Karloff war Frankensteins Monster in der ersten Ton-Verfilmung des weltbekannten Romans von Mary-Shelley. Er wurde über Nacht in der Monstermaske mit dem traurig-sehnsuchtsvollen Blick, die prägend war für das Bild, das wir immer noch kennen und kompromisslos als das richtige definieren, zum Leinwandstar. Man nannte ihn „Karloff the Uncanny.“ Master of Horror.

Frankensteins Monster
(C) Universal Pictures

Über Nacht der Master of Horror

Da war er nun berühmt, der mittlerweile 44jährige Pratt, der bis dahin eher als Typ-Darsteller, – oft ungenannter Indianer, Araber, Inder, Leibwächter, Taschendieb oder Bösewicht und Schurke allgemein -, freilich auch als ernstzunehmender Charakter durch Hollywood lief, verweilte, weiter lief und suchte. Gute Rollen. DieRolle. Gefragt war er schon. Den schwierigen Übergang vom Stumm- zum Tonfilm schaffte Karloff problemlos. Er spielte nicht überzogen künstlich, seine Stimme war geschult, sein leichtes Lispeln empfand man als ungewöhnlich, ergo positiv, und seinem Oxford-Englisch trainierte er ein tiefes, dunkles Knarren an. Seine Optik trug Übriges dazu bei: Er klang exotisch, er sah auch so aus.

Gescheit überleben konnte Karloff vor Frankensteins Monster von den Gagen allein in der Filmmetropole freilich nicht. Er fuhr nebenher LKW (ohne Führerschein), heiratete allerdings auch bis Ende der 1920er dreimal und ließ sich gleichsam dreimal scheiden, was grundsätzlich unklug ist und den Geldbeutel zusätzlich derb lädierte. Der füllte sich nicht nur ganz beträchtlich mit Frankensteins Monster (Regie: James Whale, Originaltitel: nur Frankenstein), er war jetzt auch ein Mann, den alle kannten, schätzten und haben wollten.

Die 1930er Jahre stehen für eine besonders wirkungsvolle Zeit. Die Maske des Fu-Manchu, Das Haus des Grauens, Scarface, Die Mumie, Der Rabe, Die schwarze Katze…es war das ganz große Kino. Mit Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein, 1935), ebenfalls unter der Regie von James Whale, mit der phantastischen Elsa Lanchester in der Titelrolle, gelang dann der absolute Clou. Der Film gilt nicht nur als einer der besten des Schwarz-Weiß-Horrors, des Genres überhaupt, er wird auch zu den Meisterwerken des Hollywood-Kinos gezählt.

Meisterwerk des Schwarz-Weiß-Horrors

Ursprünglich sollte The Uncanny höchstpersönlich in der genial-köstlichen Verfilmung des Theaterstücks Arsen und Spitzenhäubchen (1944, Regie: Frank Capra) mit dem göttlichen Cary Grant (Mortimer Brewster) den aus dem Knast entflohenen Massenmörder Jonathan Brewster spielen, der nach einer missglückten Gesichts-OP wie Karloff in seiner Frankenstein-Maske aussieht. Der Gag wäre phänomenal gewesen, zumal die Rolle eigens für Karloff geschrieben worden war; allein, es war nicht machbar, er stand zeitgleich zu den Dreharbeiten als Jonathan auf der Bühne am New Yorker Broadway. Die Theaterproduktion war überaus erfolgreich und brachte es auf über 1.400 Vorstellungen; da Karloff selbst sie finanziert hatte, verdiente er damit viel Geld.

Natürlich konnte der Alt-Meister Karloff nicht ewig auf dem Thron bleiben. Sein persönliches Zepter nahm er mit, wer sollte ihm nachfolgen? Andere Zeiten, Techniken, Ideen, Möglichkeiten, Stars kamen. Und die Farbe. Immerhin drehte man mit Karloff noch bis Ende der 1950er Jahre in Schwarz-Weiß, um die düstere Atmosphäre, die morbide Stimmung, sein unvergleichliches Finster-Schauspiel zu verstärken. Er blieb auch später immer noch ordentlich im Geschäft, engagierte sich weiterhin gewerkschaftlich (SAG: Screen Actors Guild), arbeitete für das Fernsehen, als Synchronsprecher, Vorleser und Erzähler, – seine markante Stimme konnte wunderbar sanft sein, sagt man -, im Radio und auf Schallplatten. 1962 drehte Roger Corman mit Karloff noch einmal Leinwand-Finsternis mit ironischer Prise: Der Rabe – Duell der Zauberer und The Terror – Schloß des Schreckens, zwei B-Movies, gelten als Kult-Muss in Genre-Kreisen.

Als das Grauen anonymer wurde

Für typische Einzel-Heroen wie Karloff ging Ende der 1960er so langsam endgültig das Licht aus. Realer Schrecken beeinflusste den Horror-Film, das Grauen wurde anonymer und allumfassender: Gesichts- und namenlose Zombies (Night of the Living Dead, 1968, George A. Romero) kämpften und bissen sich durch die Kinosäle. Der Vorhang für The Uncanny fiel. Er starb 1969 in West Sussex, England. Seit 1946 bis zu seinem Tod an seiner Seite: die sechszehn Jahre jüngere Evelyn Helmore, seine fünfte Ehefrau.

Was allemal bleibt: Frankensteins Monster als Riesenwurf. 1938 wurde die Monstermaske aus dem Film zum Symbol der Surrealismus-Ausstellung in Paris. Filmplakate wurden zu gigantischen Summen versteigert, und bis Anfang 1980 zierte er als Zeichnung die Comicbuch-Reihe Boris Karloff’s Tales of Mystery (Gold Key Comics).

Frankensteins Monster: Für Boris Karloff durchaus ein Segen. Auch sein Fluch? Sagt man ja so. Segen ist klar, zum (bedingten) Fluch wird es, wenn man nicht mehr schätzt, auf ewig auf etwas reduziert zu werden, das einem unweigerlich ein Stück von der eigenen Persönlichkeit gestohlen hat, obgleich es einem so viel schenkte. Karloff war zufrieden, das erzählt man sich, das glauben wir. Gesagt haben soll er, sein „Leben als Monster“ sei lang und glücklich gewesen. Karloff war ein zufriedener Mann, das erzählt man sich, das glauben wir.

Sympathisch war er wohl auch. Eine kleine Anekdote: Zum Set von Frankensteins Monster fuhr die siebenjährige Marilyn Harris, ein damaliger Kinderstar,- sie war die „Little Mary“ im Film, das kleine Mädchen am See, das vom Monster (versehentlich) getötet wird -, gemeinsam mit Karloff, der in voller Montur neben ihr saß und vergnügt mit ihr plauderte. Die Crew hatte zuvor gedacht, sie hätte vermutlich furchtbare Angst vor ihm, aber Marilyn nahm seine Hand und fragte ihn ganz unbekümmert, ob sie mit ihm in seiner Limousine sitzen dürfe. Karloff, ganz Gentleman, lächelte: „Es wäre mir ein Vergnügen, Kleines.“

So war es. Das war es. Das war er.

Karin Reddemann

Karin Reddemann

Karin Reddemann, Jahrgang 1963, Studium Germanistik/Romanistik, Journalistin und Autorin; von 2015 - 2018 Redakteurin im Phantastikon-Magazin; Mitarbeiterin beim Online-Magazinn Fantasyguide; Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien, Buch Gottes kalte Gabe, Dr. Ronald-Henss-Verlag Saarbrücken (auch e-books).

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