Ash forever: Teufelskerl mit Kettensäge

Ashley J. Williams ist dieser Kerl, der 1987 seine Freundin Linda köpft und sich mit der Kettensäge die Hand abtrennt. Kein Irrer. Kein Killer. Ein Held. Unser ganz spezieller seit dem legendären „Evil Dead“, in dem Regisseur Sam Raimi zum Tanz in der Hütte bittet. Prinzipiell eine alte Geschichte. Wird aber immer wieder gern erzählt. Trotzdem natürlich lange her. Sebastian Vettel, Lionel Messi und Amy McDonald werden 1987 geboren. Berlin feiert 750. Geburtstag, „Dirty Dancing“ kommt in die  Kinos, Mathias Rust landet auf dem Roten Platz, Bon Jovi singt „Livin‘ on a Prayer“, Ashley J. Williams wirbelt wirren Blickes durch die genannte Waldhütte, rangelt im Kellerloch mit einer hässlichen Furie und blättert zum zweiten Mal im Necronomicon Exmortis, dem Buch des Todes, mit Blut geschrieben, in Menschenhaut gebunden.  Alles in Ordnung soweit, es geht voran. 

Auch in Tanz der Teufel II, munter versprochen: Jetzt wird noch mehr getanzt, aber merke: Dead by Dawn. So sei es. Ashley „Ash“ J. Williams opfert, wie eingangs mit Vorfreude auf deutlich mehr erwähnt,  Linda und seine Hand für den einwandfrei guten Zweck. Es ist eine besessene, böse Hand, keine, die man wirklich vermissen dürfte, wenn einem der eigene Kopf rät, besser ohne sie weiter zu leben. Und da lacht auch keine liebreizende Linda mehr, sondern eine schauerliche Dämonin ohne eventuelle Aussicht auf eine Rückverwandlung. Ash, völlig panisch und (wahn-)sinnig bemüht, nicht den durchaus sympathischen Verstand zu verlieren, zerstückelt und enthauptet sie. Das macht er auch richtig, weil er so ungefähr ahnt, was wir Eingeweihten allemal wissen: Kopflose Höllenmonster, Zombies, Vampire und eben Dämonen sind halb so wild und bleiben meistens unter der Erde, wenn man sie begräbt. Manchmal auch nicht, dann muss man eben noch einmal ran.   

Ash ist so einer, der auf seine innere Stimme hört. Nicht immer sofort, öfter auf denkwürdigen, von unfreundlichen Wesen begleiteten Umwegen, aber im Regelfall tapfer und clever genug, um mit heiler Hut davon zu kommen. Um nebenbei die Welt zu retten. Das schöne Mädchen abzukriegen. Und letztendlich bloß nie die Kettensäge zu vergessen. 

Ash forever: Wer hätte damals ernsthaft gedacht, dass der schwer traumatisierte, – oder doch nicht so wirklich? – , notwendigerweise toughe und prinzipiell tolle Typ, der den spektakulären ersten „Tanz der Teufel“ 1981 überlebte, zu einer der Ikonen des B-Movie werden sollte? Elijah Wood , Florian Silbereisen und Roger Federer erblicken 1981 das Licht der Welt, Phil Collins singt „In the Air tonight“, Walt Disney zeigt „Cap und Capper“, Wolfgang Petersen „Das Boot“ und Steven Spielberg „Jäger des verlorenen Schatzes“. Sam Raimi zeigt den „Evil Dead“ mit seinem Brüderschafts-Sandkastenfreund Bruce Campbell vor der Kamera. 

Der Kerl hat dieses erfrischend unkomplizierte Etwas. Ein junger Heißsporn mit jenem diabolischen Schalk im Nacken, dem man nicht unbedingt böse sein kann, wenn es denn richtig böse wird. Und Raimi selbst hat als grad mal 22jähriger alles im Kasten, was man so braucht, um Kult-Kino zu schaffen: Einen feschen jungen Hauptdarsteller, der ungezwungen beides kann, – Witz und Horror – , eine nicht zu anstrengende Grundidee, die herrlich schreien, Angst haben und trotzdem schräg grinsen lässt, eine Hütte im Wald, die jeder haben sollte, der ganz wunderbar ohne Friede-Freude-Eierkuchen leben kann. 

Bruce Campbell, der Smarte mit dem Charakterkinn,  alias Ashley J. Williams macht groß Karriere: Im dritten Teil der Horror-Fun-Splatter-Reihe, Army of Darkness aus dem Jahr 1993, die im finsteren Mittelalter spielt, ist er längst der von seinen Fans sehnsüchtig Erwartete. Ein Mann, der um den Globus geht mit seiner abgedrehten Mimik und Gestik, absoluter Power-Typ, wenn‘ sein muss, – und natürlich muss es! – , aber grundsätzlich wider Willen und Lust, denn eigentlich ist er ja ein ganz Normaler mit ganz normalem Job: Verkäufer im S-Markt, in dem man für den üblichen Hausgebrauch die berühmte Flinte erwerben kann, die Ash nebst Kettensäge als ausgesprochen nützlicher Hand-Ersatz mit sich führt, um mal eben die Lebenden vor den (Un-)Toten zu retten. Und die er den verdutzten, gleichwohl mächtig beeindruckten Rittern mit ihren Schwertern gut siebenhundert Jahre vor seiner eigenen Zeit als seinen „Boomstick“ anpreist, als wäre er kurzfristig wieder hinter seiner Ladentheke, um Provision zu kriegen.  

„Okay ihr stumpfsinnigen Blechköpfe, jetzt hört mal zu. Seht ihr das hier? DAS ist mein Zauberstab! Eine doppelläufige Remington Kaliber 12. Das beste Modell im S-Markt. Zu finden in der Sportwaren-Abteilung. Dieses Baby wurde in Grand Rapids, Michigan gefertigt. Und nur 195 Stück für den Einzelhandel. Es hat einen echten Walnussschaft, der Lauf ist eine Kobaltstahl-Legierung mit klassischem Doppelabzug. Ja richtig. Kauf smart! Kauf im S-Markt!“  

Die „Armee der Finsternis“ darf es sich leisten, nicht mehr rund um die schäbige Blockhütte im Wald aufzumarschieren. Wurde „Tanz der Teufel“ noch mit sehr wenig Geld,  sehr viel Phantasie, Effekt- und Splatter-Zauber und noch mehr Enthusiasmus gedreht, so stand für den dritten und letzten Teil aufgrund des bombastischen Erfolges des Schwarze-Liste-Hits die Finanzierung völlig außer Frage. Auf Phantasie, Zauber und Enthusiasmus setzte man bewährt und goldrichtig. 

Armee der Finsternis
Credits: Senator Filmverleih GmbH

In  Army of Darkness katapultieren vertraut-verhasste dämonische Kräfte, mit denen Ash sich seit 1981 auseinandersetzen muss, ihn und seinen 1973er Oldtimer in eine düstere Epoche, die mit Zombie-Armeen, Skelett-Legionen und einer liebreizenden Schönheit, die zwischenzeitlich unfreiwillig sehr böse wird,  dem „normalen Kerl“ mal wieder abverlangt, alles zu geben. Und erneut ist es dieses gruselige Buch, das Necronomicon, das ihm übel mitspielt. Prophezeit wird, dass es, wenn es in die falschen Hände gerät, ganz unsagbaren Schrecken über die Menschheit bringt. Um das zu verhindern, muss Ash sich die richtigen Worte merken. Klaatu barata nikto! Nicht ganz so schwer, aber wenn man recht viel um die Ohren hat, geht schon mal was unter. Ash hat. Davon jede Menge. Er sagt „Klaatu… barata… (räusper)…nekti, Nektarine, Nickel. Nudel. Ein Wort mit ,n‘, es war ein Wort mit ,n‘!“. Ergo nicht ganz korrekt und umso besser für uns alle, denn damit beginnt das eigentliche Schlamassel, für das sein Name steht: Ashley J. Williams. Und so sollte es bleiben.

Der Jahrtausendwechsel kam dann scheinbar ohne ihn, er war gestern, und wir sprachen über ihn wie über einen, der den Ozean durchschwommen hat und sich endlich ausruhen darf. Über einen, dessen Name den Stern im Register derer verdient, die uns als Eigenmarke begleitet haben. Über einen, der alt wird wie wir und der uns gleicht. Über einen großen Gewesenen. Stimmt aber so nicht. 2008 kürte ihn das Empire Magazine zum 24. größten Filmcharakter aller Zeiten. So was gilt für die Ewigkeit. 

Ash, auch Promi-Figur in Comics und Videospielen, gilt längst schon als statement: Auf T-Shirts steht The guy with the Boomstick, Klaatu barata nikto und, für die ganz Entschlossenen, I am Mrs. Bruce Campbell.

2015 tauchte Campbell als Ash an der Seite seines Seelenverwandten Sam Raimi wieder auf, der sich zwischenzeitlich mit Spiderman in drei sensationellen Akten beschäftigt hat. Ash vs. Evil Dead ist eine US-amerikanische Horror-Comedy-Serie in drei Staffeln (2015 – 2018), die dreißig Jahre nach dem Mittelalter-Abenteuer anknüpft.  Campbell spielt mit dem charmanten Selbstverständnis eines Profis, der sich selbst nicht überinterpretiert und eben nur so ernst und wichtig nimmt, wie man es im Genre gern hat. Ash, grauer und noch großmäuliger geworden,  macht anfangs zwar einen auf zugedröhnter, geiler, schmieriger Fatzke ohne das geringste Interesse an Verantwortung und, ganz wichtig natürlich, an der Vergangenheit. Das aber ändert sich in rasantem Tempo. Das Necronimicon lauert, lechzt und giftet schon, das mächtig Böse holt Ash wieder ein. Er entstaubt Kettensäge und Schrotflinte, holt sich Pablo aus der Mall an die erprobte Seite und nimmt den Kampf auf. Es geht um nicht weniger als um die Rettung der Erde, und die kommt als hochgradig effektvolle, splatter-schaurig-komische Angelegenheit daher. Ash macht’s möglich. Keine Zeit für Unbescheidenheit.

Once again I saved the world. Now it’s time to get the girl. 

Vorher ist aber noch Meeting in der Hütte. In der ist’s ungemütlich geblieben, da wollte eigentlich niemand freiwillig wieder hin. Aber bleibt man sitzen, wenn die Musik immer noch zum Tanz aufspielt? Teufel auch, im Leben nicht.

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