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Notizen zur unheimlichen Literatur

Natürlich hat das Leben keinen Sinn. Aber der Tod auch nicht. Und das ist eine weitere Sache, die das Blut in Wallung bringt, sobald man Lovecrafts Universum entdeckt. Der Tod seiner Helden hat keine Bedeutung. Der Tod lindert nichts. Er bedeutet in keiner Weise das Ende der Geschichte. Unerbittlich zerstört HPL seine Figuren und bring damit nur die Verstümmelung von Marionetten hervor. Gleichgültig gegenüber diesen erbärmlichen Wechselfällen wächst die kosmische Angst weiter. Sie schwillt und nimmt weiter Gestalt an. Der große Cthulhu erwacht aus seinem Schlaf.

  • Michel Houellebecq*

Ich habe das Gefühl, dass zu viele Menschen von Lovecrafts Monstern, Tentakeln, Polypen und Shuggoths besessen sind. Ehrlich gesagt, ich denke, dass sie den Kern nicht verstehen. Zumindest kann ich sagen, dass sie jenen Teil nicht verstehen, der den größten Einfluss auf mich ausgeübt hat. Da wäre die Wichtigkeit der Atmosphäre zu nennen, das gefundene Manuskript als narratives Element und HPLs Wertschätzung dessen, was Paläontologen und Geologen Tiefenzeit nennen. Tiefenzeit ist entscheidend für seinen kosmischen Schrecken, den existenziellen Schock, den ein Leser aus seinen Geschichten zieht. Unsere Kleinheit und Bedeutungslosigkeit im Universum insgesamt. In allen möglichen Universen. Im Konzept der Unendlichkeit. Nichts und niemand kümmert sich um uns. Niemand passt auf uns auf. Für mich ist das die Aussage Lovecrafts.

  • Caitlin Kiernan

In gewisser Weise ist [Lovecrafts] Ruf das Opfer seines Mythos. Er wurde als ein Gegenmittel zum konventionellen viktorianischen Okkultismus konzipiert – als ein Versuch, den imaginativen Reiz des Unbekannten zurückzugewinnen – und ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie seine Geschichten Schlimmeres oder Größeres suggerieren, als sie zeigen. Er ist auch nur eines seiner Mittel, um ein Gefühl der Verwunderung (Sense of Wonder) beim Leser zu erreichen, mit dem Ziel, die besten Werke des visionären Horrors hervorzubringen (und das ist keineswegs alles, was zum Mythos gehört). Seine Geschichten sind ein Tasten nach der perfekten Form für die Weird Tale, ein Prozess, während dem er alle Formen und Prosa-Stile ausprobierte, die er nur kannte.

  • Ramsey Campbell

Alles, was ich liebte, war bereits seit zwei Jahrhunderten tot … Ich bin niemals Teil von irgendetwas um mich herum – in bin in allen Belangen ein Außenseiter.

Die besten Arbeiten heutiger „unheimlicher Literatur“ (und das schließt ältere Figuren wie Ramsey Campbell, Thomas Ligotti, T. E. D. Klein, Dennis Etchison und andere mit ein) wird zunehmend nur von einem kleinen Kreis von Kennern und nicht von der Allgemeinheit gelesen. Ich weiß nicht genau, was man dagegen tun kann; vielleicht ist es auch nur der Beleg dafür, dass, wie Lovecraft vor langer Zeit schrieb, die Weird Fiction wirklich nur für die „wenigen Sensiblen“ gedacht ist.

  • S.T. Joshi

Per definitionem basiert die seltsame Geschichte auf einem Rätsel, das niemals gelöst werden kann. Abgesehen von der Semantik ist für mich in einer so genannten seltsamen Geschichte das Wichtigste ein undurchdringliches Geheimnis, das die Handlungen und Manifestationen in einer Erzählung erzeugt. Ein gutes Beispiel ist Lovecrafts Lieblingsgeschichte „Die Weiden“ von Algernon Blackwood. Es gibt nichts in den Weiden selbst, das für die Phänomene verantwortlich ist, die die beiden Männer bedrohen, die auf einer Insel rasten, während sie die Donau hinunterfahren. Die Weiden sind nur ein Symbol für eine unsichtbare, unerkennbare Kraft, die nichts Gutes mit denen vorhat, die unglücklicherweise vom schlechten Wetter an diesen atmosphärischen Ort gefesselt werden. Diese Kraft ist offensichtlich übernatürlich – oder, angesichts von Blackwoods Sicht auf die Natur, überwirklich.

  • Thomas Ligotti

ALLE ZITATE ÜBERSETZT VON MICHAEL PERKAMPUS. *DAS HOUELLEBECQ-ZITAT WURDE AUS DEM ENGLISCHEN ÜBERSETZT.


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