Feenzorn

Jim Butcher: Feenzorn (Die dunklen Fälle des Harry Dresden #4)

Wenn man in eine lange Serie eintaucht, die über zwei Jahrzehnte geschrieben wurde, dann ist es fast immer eine kluge Entscheidung, auf die Ratschläge der Fans der jeweiligen Serie zu hören – vor allem auf die, die auch die Schwachpunkte ihrer Lieblingsbücher kennen – und die definitiv wissen, wovon sie reden. An dieser Stelle kommt Feenzorn, das vierte Buch der Dresden-Files, ins Spiel. Die meisten Fans sind sich nämlich durchaus einig, dass die Serie mit diesem Band erst so richtig Fahrt aufnimmt.

Harry Dresden ist in ziemlich schlechter Verfassung. Seine Ex-Freundin, die Reporterin Susan Rodriguez, hat die Stadt vor Monaten verlassen, nachdem der Rote Hof sie mit dem Vampirvirus infizierte, und Harry arbeitet ununterbrochen daran, eine magische Lösung für ihr kleines Vampirproblem zu finden. Erfolglos. Er ist deprimiert. Er hat sich zurückgezogen. Er ist im übertragenen und im wörtlichen Sinne ein verdammtes Wrack.

Zu Beginn des Buches macht Billy (der Werwolf, den wir in Wolfsjagd kennengelernt haben) Harry die Hölle heiß: er mokiert sein Aussehen, sein selbst auferlegtes Exil, sein Desinteresse an Arbeit oder irgendetwas, das einem Einkommen ähnelt, seine drohende Zwangsräumung aus seinem Haus und seinem Büro und seine allgemein schlechte Einstellung. Dann versucht jemand, ihn zu töten. Mehrere Jemande, um genau zu sein. Und es regnet Kröten. Könnte Harrys Tag noch schlimmer werden? Aber ja… und das tut er auch.

Seine Patentante Leanansidhe hat nämlich Harrys Verpflichtungen ihr gegenüber an keine geringere als Mab verkauft, die Winterkönigin der Feen. Und Mab möchte, dass Harry ihr einen Gefallen tut: Er soll herausfinden, wer den Sommerritter getötet und seine Macht gestohlen hat. Oh, und nebenbei soll er dadurch ihren Namen von jeglichem Verdacht reinwaschen.

Harry ist nicht interessiert. Bis er erfährt, dass der Weiße Rat der Magier ihn vor die Hunde gehen lassen würde und an den Roten Hof der Vampire ausliefern will, wenn er nicht die Zusammenarbeit mit der Winterkönigin sicherstellt. Er hat also keine andere Wahl, als Mabs Willen zu folgen.

In Feenzorn passiert eine Menge. Eine ganze Menge. Wir lernen nicht nur den Obersten Rat der Magier kennen, sondern auch Harrys ehemaligen Mentor Ebenezer McCoy. Wir lernen auch die einzigartige Elaine kennen, Harrys erste Liebe und Mitschülerin, als beide Mündel von Justin DuMorne waren. Elaine, von der Harry dachte, sie hätte ihn vor all den Jahren verraten. Elaine, von der Harry dachte, sie sei tot. Durch seine eigene Hand gestorben, als er seinen Meister tötete, der ihn zu einem magischen Sklaven machen wollte.

Als ob das nicht schon genug neue Charaktere wären, die es kennenzulernen gilt, wird uns auch noch eine ganze Reihe von Feenköniginnen vorgestellt. Winterköniginnen und Sommerköniginnen schmieden Komplotte, verkehren miteinander und bereiten sich auf einen Krieg vor. Ein Krieg, der das Gleichgewicht zwischen Sommer und Winter kippen wird und der für die Menschheit nichts Gutes verheißt.

Wir lernen auch ein paar Wechselbälger kennen, die der inzwischen verstorbene Sommerritter unter seine Fittiche genommen hatte, und sie wollen Harry anheuern, um ihre Freundin Lily zu finden, die spurlos verschwunden scheint. Harry hat einfach nicht die Zeit dazu. Aber er braucht das Geld, das ihm angeboten wird, dringend, also nimmt er auch diesen Fall an. Natürlich tut er das, denn wo eine Jungfrau in Not ist, da ist der Magier Dresden zur Stelle, um zu helfen. Und wird dabei höchstwahrscheinlich in den Hintern getreten.

Also… Harry muss nicht nur den Mord am Sommerritter aufklären, sondern auch Vampir- und Feenmörder abwehren, er muss dem Mädchen vertrauen, das ihn im Grunde verraten hat, er muss einen Krieg zwischen Wesen verhindern, die so mächtig sind, dass jedes von ihnen ihn aus einer Laune heraus vernichten könnte, und er muss seine eigenen Leute, den Rat, davon abhalten, die Vampire mit seinem Ableben zu besänftigen.

Morgan von den Wächtern des Weißen Rates taucht in diesem Buch ebenfalls wieder auf, und er ist so verrückt, fanatisch und ärgerlich wie immer. Er ist nur ein weiterer Faktor, der gegen Harry arbeitet, während der gegen die Zeit anrennt, um herauszufinden, wer diesmal der eigentliche Bösewicht ist, den Krieg zu beenden und natürlich die Welt zu retten.

Fairerweise sollte ich erwähnen, wer in dieser Runde für Harry steht. Da ist natürlich Billy, der Werwolf; er und die Alphas unterstützen Harry bei dieser neuesten Eskapade. Und als junge Wölfe machen sie sich ziemlich gut. Eine besondere Erwähnung in der Kategorie Hilfe geht jedoch an Karrin Murphy von der Sonderermittlungsgruppe der Polizei von Chicago. Nur ist sie in diesem Buch nicht in dieser Funktion zu sehen. Tatsächlich ist sie selbst in ziemlich schlechter Verfassung und hilft Harry aus privater Motivation.

Sie hat immer noch große Probleme mit dem, was sie im letzten Buch durch den Albtraum erlitten hat, und zu allem Überfluss hat sie auch noch mit einigen persönlichen Problemen zu kämpfen, die sie nur schwer bewältigen kann. Es ist das erste Mal, dass wir diese Seite von Karrin sehen. Es ist das erste Buch, in dem sie Harry gegenüber nicht so zickig ist, und das mag zum Teil daran liegen, dass es es auch das erste Buch ist, in dem Harry ihr gegenüber völlig offen alles erklärt.

Die Geschichte in Feenzorn beginnt neun Monate nach dem Ende von Grabesruhe. In Wolfsjagd lag der Schwerpunkt auf Werwölfen, in Grabesruhe auf Vampiren, und diesmal stehen Feen im Mittelpunkt. Es ist fast so, als wären die drei ersten Bücher so angelegt, dass Feenzorn besser als Teil einer Serie funktioniert. In diesem Buch ist die Kontinuität fließender als vorher. Natürlich gibt es auch da bereits eine gewisse Kontinuität, aber der Überbau der ganzen Geschichte fühlte sich ziemlich unzusammenhängend an, eben wie ein Vorspiel zu Feenzorn.

Ein weiterer Grund, warum Feenzorn so richtig in Fahrt kommt, ist die bessere Struktur und der bessere Fluss von Butchers Erzählung. Der neue Mordfall, den Harry in diesem Buch zu lösen hat, ist schon allein deshalb interessanter, weil der Einsatz höher ist. Die Ebbe und Flut im Machtzyklus zwischen den Sommer- und Winterfeen macht den Konflikt und die Rivalität zwischen beiden Parteien deutlich und erklärt außerdem die Notwendigkeit des Konflikts.

Von Anfang an hat Butcher in Feenzorn ziemlich viele Gewürze in den Topf geworfen, aber er versteht es, all das genau zu dosieren und im Auge zu behalten, so dass allen Leser ein ziemlicher Ritt bevorsteht.

Pulp Matters

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Hat sich in Studien durch die Weltliteratur arbeiten müssen, fand schließlich mehr Essenz in allem, was mit Krimi und Horror zu tun hat.

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