Eine wahrhaft böse Geschichte über einen Mönch namens Ambrosius schreibt 1796 Matthew Gregory Lewis. Moralische Schwäche, letztendlich Skrupellosigkeit bescheren Ambrosius ein arg verwerfliches Ende.
Es sei erzählt: Ambrosius, nach außen hin gebührlich sittenstreng, erliegt den Reizen der schönen Matilda, einer vom Teufel gesandten Hexe. Deren Herr und Meister zeigt sich bestätigt angesichts der Fleischelslust des wankelmütig Frommen, den nunmehr, da die Gier geweckt ist, weiteres Verlangen packt. Er lauert Antonia auf, einem fünfzehnjährigen Mädchen aus dem Dorf, und tötet die Mutter Donna Elvira, unverhofft Zeugin seiner versuchten Vergewaltigung, die ihm als Ordensmann zum Verhängnis geworden wäre.
Möge an dieser Stelle bereits das alte Sprichwort mahnend zitiert sein: Hat der Fuchs noch Zähne, geht er nicht ins Kloster.
Lügt das Sprichwort wohl?
Ambrosius ging aber. Schlimm genug. Und er geht noch weiter: Nach dem Mord flieht er, kehrt aber zurück, betäubt Antonia mit einem magischen Trank, entführt sie in die Katakomben, vergeht sich dort an ihr und ersticht sie anschließend mit einem Dolch. Die Inquisition nimmt ihn und die Hexe Matilda gefangen, der Teufel ermöglicht ihnen aber die Flucht aus dem Kerker und bringt sie auf einen Berg, wo Ambrosius zu seinem Entsetzen erfährt, dass die von ihm umgebrachte Donna Elvira seine leibliche Mutter, Antonia seine Schwester war. Satan erklärt, dass selbst in seiner Hölle kein Platz für so finstere Wesen wie Ambrosius sei. Er lässt ihn in eine Bergkluft stürzen, wo er zerschmettert und schmerzerfüllt sein Leben aushaucht.
Und es bleibt die eine große Sinnfrage mit all ihren erstaunlichen Sichtweisen nach der denkwürdigen Moral des Ganzen: Lügt das Sprichwort wohl, dass Mönch und Weib und Weib und Mönch des Teufels beide Krallen sind? (Gotthold Ephraim Lessing)
Böser Klosterstoff ist das just mit wohl schreckgeweiteten Augen Gelesene, so herzlich gering antiquiert, so wenig diskret recherchiert und begeistert verpackt in der Tradition der Gothic Novel, dass natürlich auch die Filmindustrie in die Truhe mit erlesener Schauerromantik gegriffen hat: 2011 kam Le Moine (Der Mönch), Regie Dominik Moll, mit Vincent Cassel in der Rolle des Paters Capucino Ambrosio in die Kinos und zeigt den schauerlichen Wandel eines getreuen, standfesten Diener Gottes, als Findelkind in der spanischen Abtei aufgenommen und mit dem Mönchtum verwachsen, der plötzlich vor einer Macht steht, die im Begriff ist, sein ganzes, von tiefster religiöser Überzeugung geprägtes Weltbild zu zerschlagen. Ambrosio erlebt, indem er das Magisch- Diabolische des Andersartigen erfährt, seinen persönlichen Alptraum. Und entdeckt die Angst vor einer Erkenntnis, einer Gewissheit, die ihn verschlingt.
Am Ende ist Ambrosio für sich selbst unabdingbar zu einer Art Monster, zu einem Horror-Wesen geworden.
Und wir kennen den Schrecken nunmehr in seinem allumfassenden Ausmaß. Es bleibt vielleicht, neben der Faszination einer guten, seltsamen Geschichte, nur eine gewisse Ernüchterung. So was ist menschlich durchaus nachvollziehbar. So schlimm war, ist so etwas eben nicht. Oder doch?
Zu den Prototypen der unheimlichen Wesen gehören Mönche zweifellos nicht. Im Film und in der Literatur sind sie im Regelfall keine garstigen Kreaturen, keine abscheulichen, stumpfsinnigen Killer, keine chaotischen Psychopathen. Aber in der Dunkelheit schleichen sie lautlos um die Ecke. Manchmal reicht das. Ihre Schatten können Unbehaglichkeit oder Hoffnung erzeugen, sie können erleichtern und zutiefst erschrecken. Manchmal sind sie gute Seelen. Manchmal verschlagen und korrupt, feige, unmoralisch, kalt und gierig. Und manchmal sind sie auch nicht die eingeschworene Bruderschaft, die sie sein müssten, um korrekt im Sinn der einen Sache zu funktionieren:
Das Diabolische des Andersartigen
1980 verfasst Umberto Ecco sein Meisterwerk Der Name der Rose (verfilmt 1986 von Jean-Jaques Anaud). Es wird gebetet. Gestritten. Gebeichtet. Gelogen. Gepeinigt. Gewinselt. Getötet. Gelacht, obwohl es verboten ist. Und das alles im finsteren 14. Jahrhundert in einer düsteren Abtei der Benediktiner mit Bewohnern, die sehr wohl gruseln lassen, ohne Klauen und Fangzähne zu haben. Es sei nochmals heftig nickend ein Sprichwort zitiert: So wollt ich’s haben, sagte der Teufel, da sich die Mönche rauften.
Passt exakt, wird demonstriert.
Bruder Tuck aus dem Sherwood Forest, dickleibig, gemütlich, trinkfest und streitlustig, war mein erster (durchweg harmloser) Mönch, der zweite hieß Black Abbot, ein toter Abt, spukender Angstmacher, der sich zwar als als profaner Killer aus Fleisch und Blut erwies, der aber für gescheite Gänsehaut sorgte. Als doch recht unheimlich dürfte wohl Eccos fanatischer Mördermönch Jorge de Burgos gelten.
Valak, der Dämon, ist so richtig fürchterlich. Und der trägt keine Kutte, sondern einen Habit. Die Nonne aus The Conjuring 2 ist derart fürchterlich und damit auch phantastisch gut zu vermarkten, dass The Nun als Fortsetzung der Beschwörungs-Filme mit dem Dämologen Ed Warren und Medium Lorraine Warren sein muss. Story: Man schreibt die 1950er Jahre, eine Ordenschwester hat in einem abgelegenen rumänischen Kloster Selbstmord begangen. Die mysteriösen Umstände alarmieren den Vatikan, der den durch vorangegangene Geschehnisse traumatisierten Father Burke (Demián Bichir) in Begleitung der Noviozin Irene (Taissa Farmiga) auf die Reise ins schrecklich Ungewisse schickt. Denn das Kloster birgt ein unheilvolles Geheimnis…
Die Schreckenstauglichkeit von Ordensschwestern in voller Schauer-Pracht entfaltet The Nun, wie auch Asylum, zweite Staffel der American Horror Story. Die farblosen Frauen in ihren langen schlichten Gewändern und den das Haar verhüllenden Hauben, prädestiniert für die Rollen der Gutmenschen, die uneigennützig lehren und helfen, Waisenhäuser leiten und psychisch Kranke betreuen, werden als bedrohliche Figuren, als Horrorgestalten eingesetzt.
Um die anderen, die düsteren, bösen, durchaus eben unsere Geschichten erzählen zu können, verlieren Glauben, Unschuld und Güte ihren Wert. Wenn Schwester Jude (Jessica Lange), selbst hart geworden durch eigenes menschliches Versagen, in Asylum brutal züchtigt und Patienten quält, die in ihren Augen Sünder sind, scheint sie mehr Ungeheuer denn fühlendes Wesen zu sein. Und wenn die unschuldige, liebe Schwester Mary Eunice (Lily Rabe) in Briarcliff, nach einem Exorzismus vom Dämon besessen, sich über ein noch diskret verschlagenes in ein wirklich brutal grausames Subjekt entwickelt, wird es abwechselnd heiß und eisig kalt im Raum.
Ein blutend Herz in Händen
Ludwig Hölty (1748 – 1776) beschreibt in seinem Gedicht „Die Nonne“, veröffentlicht 1775 im Göttinger Musenalmanach, dem Forum der Sturm- und Drang-Generation, wozu eine Ordensfrau für Sinn und Schreck in Dichtung und Wahrheit (auch) herhalten darf. Eine junge, hübsche Nonne verliebt sich in einen schönen Ritter, lässt sich von ihm nach allen (un-)rühmlichen Regeln der Kunst verführen und rächt sich von Zorn erfüllt, nachdem ihr Galan sie schmählich abgeschoben hat, um sich mit anderen, weltlichen Frauen zu vergnügen.
(…)Die Nonne, voll von welscher Wuth,
Entglüht‘ in ihrem Muthe,
Und sann auf nichts als Dolch und Blut,
Und schwamm in lauter Blute.
Sie dingte plötzlich eine Schaar
Von wilden Meuchelmördern,
Den Mann, der treulos worden war,
Ins Todtenreich zu fördern.
Die bohren manches Mörderschwert
In seine schwarze Seele.
Sein schwarzer, falscher Geist entfährt,
Wie Schwefeldampf der Höhle.(…)
Der wütenden Nonne genügt der blutrünstige Mord aber nicht. In der Nacht begibt sie sich zur Dorfkapelle, öffnet den Sarg, reißt dem toten Ritter das Herz aus der Brust, wirft es zu Boden und bearbeitet es mit derart kräftigen Tritten, „dass das Gotteshaus erschallte“.
Zufrieden war sie denn. Spukt aber fortan herum.
(…) Ihr Geist soll, wie die Sagen gehn,
In dieser Kirche weilen,
Und, bis im Dorf die Hahnen krähn,
Bald wimmern, und bald heulen.
Sobald der Seiger zwölfe schlägt,
Rauscht sie, an Grabsteinwänden,
Aus einer Gruft empor, und trägt
Ein blutend Herz in Händen.
Das ist fürwahr ein wunderbares Poem aus dem 18. Jahrhundert. Wäre als früher Einstieg in die wundersame Materie wie geschaffen gewesen. So gilt das blutend Herz in Händen als Ende. Irgendwie auch durchaus angemessen.
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