Dunkelschnee

Samuel Bjork: Dunkelschnee

Auf einem Feld in Schweden entdeckt ein Bauer die Leichen von zwei elfjährigen Jungen, zwischen ihnen ein erlegter weißer Hase. Im Tagebuch eines der Kinder findet sich ein rätselhafter Eintrag: »Morgen kommt der Mond. Ich habe Angst vor dem Wolf.« Acht Jahre später werden auf einem Feld bei Oslo erneut zwei tote Jungen gefunden. Kommissar Holger Munch, frisch befördert zum Leiter einer neuen Ermittlungseinheit, holt die junge Polizeischülerin Mia Krüger ins Team, die an der Akademie durch ihren Spürsinn hervorsticht. Auf den Tatortfotos entdeckt sie ein Detail, das unfassbar Böses verheißt. Und dann verschwinden zwei weitere Jungen …

Der vierte Roman der norwegischen Munch-Reihe, der mit „Wolf“ übersetzt werden kann, bei uns aber „Dunkelschnee“ genannt wird, ist eigentlich ein Prequel zu den laufenden drei Romanen, oder besser: es ist der Roman, der erzählt, wie Mia Krüger zum Team von Holger Munch stieß, und damit eigentlich der erste Band der Reihe.

Der 2015 veröffentlichte und bei uns 2018 erschienene Debüt-Thriller „Engelskalt“ von Samuel Bjørk (ein Pseudonym für Frode Sander Øien), war ein sofortiger Erfolg und markierte seinen internationalen Durchbruch als Autor, nachdem er als Musiker mehrere Alben veröffentlich hatte.

Inzwischen ist die laufende Serie in mehr als 20 Ländern erschienen und wird gegenwärtig auch verfilmt.

„Dunkelschnee“ erschien jetzt mit einem Jahr Verspätung im Juli bei Goldmann und stellt die Vorgeschichte zu den drei vorherigen Büchern dar.

In einem Vorort von Oslo sind zwei 11-jährige Jungen ermordet worden, und neben den beiden Leichen wurde ein toter Rotfuchs gefunden. Der Fall ähnelt einem anderen ungelösten Fall aus Schweden.

Holger Munch ist Leiter einer neuen Ermittlungseinheit und hat ein Team der besten Detektive zur Verfügung. Dann erhält er einen Anruf von der Polizeischule. Sie haben eine außergewöhnlich begabte Schülerin, die in ihren Tests die besten Ergebnisse erzielt hat: Mia Krüger. Munch zeigt der jungen Mia Krüger Fotos von beiden Tatorten. Innerhalb weniger Minuten sieht sie Dinge, an die sein Team nicht einmal gedacht hat.

Trotzdem ist es nicht einfach, die Identität des Mörders zügig zu ermitteln.

Der Leser hat Holger Munch und Mia Krüger bereits in drei vorangegangenen Krimis kennengelernt, aber in diesem Prequel liefert Bjørk noch viel mehr Hintergrundinformationen über sie. Man erfährt unter anderem, warum Krüger in Munchs neu gebildetes Team aufgenommen wurde. Auch Fredrik Riis, einem der Ermittler der Einheit, wird relativ viel Aufmerksamkeit zuteil. Daher kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine ausführliche Einführung der Charaktere hier das eigentliche Hauptziel des Autors ist. Das Verbrechen, das natürlich trotzdem gelöst werden muss, ist demgegenüber etwas untergeordnet, was die ganze Angelegenheit aber reizvoll macht.

„Dunkelschnee“ beginnt mit einem kurzen Prolog, der sich wie der zusammenfassende Bericht über den Tod von zwei 11-jährigen schwedischen Jungen acht Jahre zuvor liest.

Abgesehen davon, dass diese Einleitung so geschrieben ist, dass es so aussieht, als hätten die Morde tatsächlich stattgefunden, weckt sie die Neugier darüber, was dieser Vorfall mit dem Rest der Handlung zu tun hat. Das wird schnell klar, denn der norwegische und der schwedische Fall haben viele Gemeinsamkeiten. Die polizeilichen Ermittlungen kommen in Gang, und eine Vielzahl von Figuren und Handlungssträngen werden eingeführt. Bei manchen weiß man erst nicht so recht, was sie denn mit der Geschichte zu tun haben, aber schließlich fügen sie sich in die Handlung ein und der Leser versteht ihre Logik und ihren Zweck.

Trotz einiger unerwarteter Entwicklungen, die im Laufe der Geschichte auftreten und die einen manchmal auf eine falsche Fährte führen, ist die Spannung hier nicht ganz so hochgedreht wie man das vielleicht von einem nordischen Thriller erwartet, wobei es sich hier doch eher um einen Krimi der Abteilung Police Procedural handelt, zumindest zu einem großen Teil.

Man kann hier bereits erkennen, dass der Roman auf den Film schielt, der ganz sicher eines Tages folgen wird, sollte die geplante TV-Serie funktionieren. Wie bei allen Romanen, die das tun, bleibt hier natürlich die Sprache auf der Strecke. Das ist nicht Samuel Bjørks Versagen, sondern ist dem Genre ganz allgemein geschuldet. Angepasst an die „Echt-jetzt-whatever-Generation“ versuchen solche Geschichten natürlich eine Realitätsnähe aufzubauen, die man nachvollziehen kann. Aber bereits hier ist zu sehen, dass es sich wahrscheinlich mehr lohnt zuzuschauen als zu lesen.

Obwohl sich das jetzt nicht gerade positiv anhört, ist die Reihe und auch dieses Buch durchaus zu empfehlen. Man darf nur nicht vergessen, dass man einige Abstriche machen muss.

Erschienen bei Goldmann.


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