Das „Reich der zerbrochenen Klingen“ spielt sich hauptsächlich in der Stadt Sorlost im Sekemeleth-Reich ab. Diese legendäre, reiche und mächtige Metropole, die vom dekadenten Verfall gezeichnet ist, bewegt sich stetig in Richtung ultimativer Zerstörung, es sei denn, jemand hält diese Abwärtsspirale auf. Diese Herausforderung nimmt Lord Orhan an, ein Adliger und wichtiger Ratsherr des kaiserlichen Hofes. Er formuliert einen Plan, um den Kaiser und den größten Teil der herrschenden Elite zu vernichten, wodurch er und seine Mitverschwörer die Kontrolle übernehmen und das Imperium zurück zu seiner früheren Macht und Herrlichkeit führen können.
Einer der Schlüssel zu Orhans Plänen ist eine Gruppe ausländischer Söldner, die schnell die Stadt infiltrieren; ihr Anführer ist ein älterer, erfahrener Krieger namens Tobias. Dieser Kerl ist ein gewöhnlicher Mann, der nicht der begabteste Söldner ist, sondern eher entschlossen, schnell und praktisch handelt. Diejenigen, die er führt, neigen dazu, in die gleiche Kerbe zu schlagen; alle bis auf den jungen Marith, der sich langsam zu einem ziemlich mörderischen Individuum mit schrecklichen Angewohnheiten, finsteren Geheimnissen und einem ebenso finsteren Schicksal entwickelt.
Tobias Pläne verkomplizieren sich und werden gefährdet durch den Umstand, dass er sich auch mit Mariths wachsenden Problemen auseinandersetzen muss, während er versucht, die Waffe Orhans zu sein.
Von diesen Ereignissen zunächst nicht erfasst, gibt es auch Thalia, die Hohepriesterin des Gottes von Leben und Tod. Dieser Gott ist nicht für die Schwachen bestimmt und fordert regelmäßig Menschenopfer (vorzugsweise kleine Kinder), zu deren Tötung Thalia durch ihr Amt persönlich gezwungen ist. Die ständige Tötung hat erhebliche Auswirkungen auf ihren Geisteszustand. Verschlimmert wird ihre Situation durch die Tatsache, dass ihr Leben sich nicht ändern wird, bis eine neue Hohepriesterin auftaucht und sie tötet, genau wie sie ihre Vorgängerin.
Zweifellos klingt all dies nach Grimdark-Fantasy vom Feinsten, und die klassischen Zutaten des Genres sind tatsächlich im Überfluss vorhanden. Überall sind dunkle, abgestumpfte Gestalten zu sehen. Plot-Twists gibt es in Hülle und Fülle. Byzantinische Intrigen und politische Machenschaften bestimmen den Tag. Dunkler Humor, blutige Action, ungesunde Liebschaften, teuflischer Verrat und katastrophaler Betrug sind die Regel. In Marith haben wir sogar einen psychopathischen Charakter, der jedem aus Martins „Lied von Eis und Feuer“ Alpträume bereiten und selbst Mark Lawrences Jorg Ancrath zum Innehalten bewegen würde. Aber darin liegt auch der Kern des Problems.
Anna Smith Spark und ihr Debüt „Das Reich der zerbrochenen Klingen“ erschien im Original bereits 2017, die Serie umfasst mittlerweile drei Bände, bevor der erste Band auch bei uns Fuß fassen konnte. Zunächst fällt auf, dass sich die meisten Rezensenten auf die Sprache beziehen, die als „einzigartig und poetisch“ klassifiziert wird. Das sind meist Schlagwörter, bei denen ich bereits im Vorfeld hellhörig werde, denn meistens werden derartige Termini benutzt, wenn das Buch keine besondere Geschichte zu erzählen weiß. Nicht dass es keine poetische Sprache in der Fantasy geben dürfte, aber die Vorstellung dessen, was dann als „bildgewaltig“ angepriesen wird, ist bei mir eine gänzlich andere als bei den meisten Marktschreiern.
Tatsächlich muss man sich durch die Sprache der Autorin durchwühlen, sie ist redundant und strotzt vor unnötigen Worthäufungen. Und sie erweist sich als sehr lästig, wenn man vorhat, in das Buch einzutauchen. Andere mögen das anders sehen, und tatsächlich ist mir keine Besprechung dieses Werkes bekannt, in der die Dinge etwas kritischer betrachtet werden. Dahinter mag die Sehnsucht nach neuen Errungenschaften stehen, nachdem man oft genug das gleiche vorgesetzt bekommt, und ich bestreite nicht, dass jemand, der sich noch selten mit einem Sprachkunstwerk auseinandergesetzt hat, verzückt sein könnte. Und man müsste auf dieser furchtbaren Sprache auch nicht so sehr herumhacken, wenn es nicht so wäre, dass sie das eigentliche Transportmittel ist, mit dem man in eine Geschichte einfährt. Weder will ich einen Roman lesen, der im Ton eines Gesetzestextes vorgetragen wird, noch will ich mich durch eine abstrakte lyrische Konzeption quälen (keine Angst, beides ist hier nicht vorhanden); mein Wunsch ist einzig die Umsetzung der Vorstellung, dass der Ton auch zum Inhalt passt. Ich will als Beispiel (und werde nicht müde, das zu tun) Eriksons Malazan-Epos anführen, weil es das Paradebeispiel meisterlicher Sprache, meisterlicher Erzählkunst, eines meisterlichen Weltentwurfs usw. ist. Das mag unfair klingen und ich will hier auch nicht auf Vergleiche hinaus, sondern verdeutlichen, dass sich der Inhalt nicht von der Sprache trennen lässt. Und vielleicht hatte die Autorin das auch nicht vor, es widerfährt ihr aber.
Wer darüber hinwegsehen kann und von anhaltender, grafischer blutiger Gewalt, wie sie von Monty Python sehr schön parodiert wurde, und von Charakteren ohne Anspruch auf Rechtschaffenheit beeindruckt ist, wird auch hier viel zu bewundern haben und sich dadurch vielleicht darüber hinweg täuschen lassen, dass die Handlung wenig Substanz besitzt und die Hauptfigur ein mörderischer Psychopath ohne faszinierende oder sympathische Eigenschaften ist. Vielleicht, so denke ich, ist die Popularität des Grimdark ja dafür verantwortlich, dass dieses Genre unter allen Umständen missverstanden werden will. Sicher, das Genre steht in Opposition zu Tolkien und wird oft als nihilistisch bezeichnet, aber moderne Auswüchse haben gezeigt, dass fernab der großen Geschichtenerzähler dieses Subgenres nur Grunge-Fantasien übrigleiben.
Bezieht man die Aussage der Verfasserin über sich selbst mit ein, nämlich dass sie „eine verdammt literarische Autorin“ sei, dann mag das vielleicht die Lösung der Blurbs sein, die man auf dem Buchrücken vorfindet, nämlich dass es sich hier um eine „einzigartige und poetische“ Sprache handelt. Tatsächlich täuscht diese über den verhältnismäßig mageren Plot zwar hinweg, kann ihn deshalb aber noch lange nicht ersetzen. Genauso wenig wie die unerbittliche Melasse schwarz-in-schwarz.
Ich selbst bevorzuge in Geschichten kontrastreiche Charaktere, Ideologien, konkurrierende Helden und all diese kleinen Nuancen, die das Lesen zu einem aufregenden Abenteuer machen. Wenn die Dunkelheit zum Selbstzweck wird, zu allumfassend ist, dann schlafe ich schnell unbefriedigt ein. Wenn nämlich alle Entscheidungen im Grunde genommen gleich sind, warum sollte es mich dann kümmern, ob ein bestimmten Charakter lebt oder stirbt, triumphiert oder versagt? Und tatsächlich gibt es in diesem Buch niemanden, an dem man sich festhalten könnte. So ziemlich jede einzelne Figur hier ist völlig uninteressant und unsympathisch, die Handlung nur ein hingeklatschtes Substrat der Farbe schwarz ohne atmosphärischen Gehalt.
Mark Lawrence und der von mir hochgeschätzte Joe Abercrombie sind begeistert. Vielleicht seid ihr es ja auch.
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