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Best Served Cold, von Joe Abercrombie

Tatsächlich gab es schon lange keine Fantasy-Verfilmung mehr, die man in irgendeiner Form loben könnte. Das Genre befindet sich auch literarisch in einer furchtbaren Verfassung, aber die anstehende – und erste Verfilmung – einer First-Law-Geschichte, lässt Fans des Genres dann doch aufhorchen. Und dass es sich dabei um den famosen Racheepos handelt, zeigt, dass jemand wohl weiß, was er da tut. Aber schauen wir uns heute lieber erst einmal an, was das für ein Buch ist.

Rache wird am besten kalt serviert

Vielleicht hat sich Joe Abercrombie nach seiner aufsehenerregenden Trilogie “First Law” gedacht: legen wir mal noch ‘ne Schippe drauf! Best Served Cold war nach Abschluss der Trilogie der erste alleinstehende Roman, von Heyne zu ‘Racheklingen’ verhutzelt, um mit diesem blöden Titel anzudeuten, dass sich die Geschichte in der gleichen Welt wie First Law abspielt.

Neben der interessanten neuen Figur Monza Murcatto spielt hier sozusagen die 2. Garnitur der Trilogie eine Hauptrolle, darunter Nicomo Cosca oder der Nordmann Espe. Obwohl sich der Roman durchaus eigenständig präsentiert, was die Handlung betrifft, entfaltet er seinen uneingeschränkten Genuss durch die zahlreichen Querverweise, Andeutungen und bekannten Charaktere erst bei Kenntnis des Hauptwerks.

Wie der Titel bereits anklingen lässt, haben wir es hier mit einem atemberaubenden Rache-Abenteuer zu tun, das weder an Brutalität noch an Humor gegenüber der Trilogie abfällt. Ich möchte fast das Gegenteil behaupten. Der Humor erreicht an gewissen Stellen sogar eine neue Stufe, ohne dass der Buch in irgendeiner Weise ‘lu­s‍tig’ oder gar ‘komisch’ wäre.

Folgende Szene soll das veranschaulichen: Monza und ihr ‘Rache-Team’ sitzen in einer Lagerhalle, um sich auf die geplanten Morde der beiden Styrischen Prinzen vorzubereiten, die in der Stadt Sipani ein Gelage ausrichten. Um sich als Arti­s‍ten in die Festhalle zu schummeln, heuern sie ‘Musiker’ an, die ihnen die Sache erleichtert. Diese stellen sich wie folgt vor:

„Ich heiße Solter. Ich spiele Schlagzeug und Streitkolben.“ […] „Ich bin Morc“, fuhr der Mann neben ihm fort. „Flöte und Entermesser.
„Olopin. Horn und Hammer.“

Das mag sich, aus dem Zusammenhang gerissen, tatsächlich komödienhaft anhören, genauso wie:

„Alle Siege, die es zu feiern gilt, werden mit Drei­s‍tigkeit errungen.“
„Mit wem?“

Das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass Best Served Cold ein pechschwarzer Batzen ist, ein herausragender noch dazu.

Abercrombie machte nie einen Hehl daraus, dass er die Inspiration für dieses Buch dem Film Point Blank mit Lee Marvin bezog. Es lässt sich aber auch Kill Bill als Vorlage denken. Hier sind die Fakten: Monza Murcatto, eine extrem erfolgreiche Söldnergeneralin wird von ihrem Dienstherrn hintergangen und aus einem Turmfen­s‍ter geworfen, nachdem man sie fast erwürgt und er­s‍tochen und ihren Bruder bereits getötet hatte. Sie allerdings überlebt den Sturz, weil die Leiche ihres Bruder ihn ein wenig abmildert. Dennoch: sie liegt im Müll, zu sagen, sie wäre schwer verletzt, käme einer Untertreibung gleich. Sieben Männer waren daran beteiligt und sieben Männer will sie nun töten.

Hierzu schart sie sich eine sehr illustre Truppe zusammen, be­s‍tehend aus Caul Espe (einen Nordmann, den wir aus First Law bereits kennen), einen Giftmischer und seiner Gehilfin, einen auf Zahlen versessenen Mörder, Nicola Co­s‍ta und Vitari.

Hinein ins denkbar blutig­s‍te Abenteuer, das man sich vor­s‍tellen kann. Der er­s‍te Mord ist beinahe noch belanglos, Nummer zwei und drei gehen mächtig in die Hose, denn obwohl die Opfer tatsächlich draufgehen, arten die Unternehmungen in recht ansehnliche Katastrophen aus. Wer nun denkt, das Schlachtfest schnappt sich nun einen nach dem anderen, kennt Abercrombie schlecht. Die wendungsreiche Geschichte lässt nicht eine Sekunde Langeweile oder Vorhersehbarkeit aufkommen. Abercrombie feuert aus allen Rohren. Das gelingt ihm, weil er als Schrift­s‍teller mit den Techniken des Films arbeitet, die er von seiner Arbeit als Editor kennt. Eine Szene wird mit einer ganz be­s‍timmten Grundein­s‍tellung begonnen, die imaginierte Kamera geht dann in die jeweiligen Close-Ups und folgt ganz ausführlich einer Figur; die Szene geht dann, fast wie beim Fackellauf von einer Figur zur näch­s‍ten. Die Schnitte sind dabei äußerst präzise durchdacht. Besonders fällt das bei den Kampfszene auf. Durch Abercrombies Herangehensweise behält man einen beinahe schon makabren Überblick.

Nach einer bedeutenden Trilogie und diesem Roman hier, was würde Abercrobie als näch­s‍tes tun? Ganz einfach: er setzte sich hin und holte zum näch­s‍ten Schlag aus, der unter The Heroes (dt. Heldenklingen) bekannt ist.

Wer Abercrombies einzigartigen Stil ohnehin schätzt, findet hier sein Paradies. Wer einen turbulenten, action- und spannungsgeladenen Höllenritt zu schätzen weiß, darf hier ebenfalls nicht vorbei gehen. Gewarnt seien alle jene, die unter Fantasy eine träumerische Welt verstehen. Hier gibt es nichts davon, die Gewalt- und Sexszenen sind explizit, man hat den Eindruck, in die Hölle geraten zu sein.


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