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Craig Schaefer: Die Geister von New York

Im Juli 2022 erschien das erste Buch eines bisher bei uns völlig ignorierten Autors, und das, obwohl die „Ghosts of Gotham Saga“ bereits die vierte Serie aus der Feder von Craig Schaefer ist. „Die Geister von New York“ erschien bei Heyne, und als erstes fällt auf, dass in der Übersetzung „Gotham“ gegen „New York“ ausgetauscht wurde, was ganz leicht dadurch zu erklären ist, dass der Großteil des Buches in New York spielt und deutsche Leser vielleicht verwirrt gewesen wären, wenn sie versucht hätten, herauszufinden, was das ganze mit Gotham zu tun haben könnte. Popkulturell sind wir hier also nicht ganz auf der Höhe und so beugen manche Verlage lieber vor und korrigieren den Autor, damit er unsere Leser nicht überfordert. Übersetzt wurde das Buch von Michael Siefener, und er hat es geschafft, nur zweimal das in Mode gekommene Wörtchen „halt“ zu verwenden, was zugegeben nicht jeder schafft. Deutschlehrer warnen zwar davor, obwohl es nicht falsch ist, aber es ist „halt“ schlechter Stil, kann aber nicht dem Autor angekreidet werden.

Widmen wir uns lieber dem Buch. Lionel Page ist ein investigativer Reporter, der seine Karriere der Aufdeckung von Betrügern, Scharlatanen und Schwindlern gewidmet hat. Mit dieser Arbeit ist er erfolgreich und hat sich einen Namen gemacht. Und so ist es nicht wirklich eine Überraschung, als ihm von der reichen Dame und scheinbaren Sammlerin Regina Dunkle ein privater Auftrag angeboten wird, der von ihm verlangt, die kürzlich entdeckte erste Fassung einer Erzählung von Edgar Allan Poe aufzufinden und auf ihre Echtheit zu überprüfen. Bei der Erzählung handelt es sich um „Die Tatsachen im Fall Waldemar“, die Poe 1845 veröffentlichte und die zu seinen erfolgreichsten literarischen Scherzen gehört, indem er sie nämlich – wie aus dem Titel hervorgeht – als Tatsachenbericht darstellte. Lionel zögert, auch weil er dann von Chicago nach New York fliegen müsste, einer Stadt, in der er noch nie gewesen ist, aber als ihm Dunkle versichert, ihren Einfluss geltend zu machen, um die Nachforschungen eines jungen Journalisten über Lionels bewegte Vergangenheit zu unterbinden, nimmt er den Auftrag an.

Der Roman beginnt wie ein Krimi, in dem der Held den Spuren oder Verschwörungen eines Manuskripts oder Buches folgt. Es dauert also etwas, bis die übernatürlichen Elemente der Urban Fantasy einsetzen. Aber das ist klug gemacht, denn zu Beginn der Geschichte glaubt Lionel aufgrund seines Berufes an Magie nur in Form von Betrug und Schwindelei. Wir Leser werden also mit ihm zusammen mit all dem konfrontiert, was ihn am Ende zu jemand völlig anderen machen wird.

Als Lionels Suche beginnt, nehmen auch die Warnungen zu. Und wo seltene Bücher oder Manuskripte auftauchen, geschieht nicht selten auch ein Mord, oder sogar mehrere. Natürlich fragen wir uns, welche Geheimnisse Lionel zu verbergen sucht, und schon wird der neugierige Journalist in Chicago ermordet aufgefunden. Lionels geheimnisvolle Gönnerin hat also Wort gehalten.

Als Lionel die ebenfalls rätselhafte Fremde Madison Hannah kennenlernt, die ihn in die geheime Geschichte New Yorks einweiht, wird ihm klar, dass er von einer Macht geleitet wird, die mächtiger ist als seine Logik, und dass er hier nicht nur einer Story folgt. Er ist die Story. Madison taucht immer wieder dort auf, wo auch er ist. Sind sie etwa hinter der gleichen Sache her?

Erzählt wird in der dritten Person, meist aus der Sicht von Lionel, aber es gibt auch einige Kapitel aus der Sicht von Madison. Madisons Hintergrundgeschichte ist nicht gut ausgearbeitet. Vor allem die Details, die sie dann als jahrtausendealte Hexe einführen, sind etwas schwammig und ideenlos gehalten.

Lionel hingegen ist glaubwürdiger, ein Typ in den Dreißigern, der in seine Karriere investiert und eine anständige Freundschaft mit einer früheren Geliebten pflegt, obwohl auch sein Wechsel, vom draufgängerischen Reporter, der an nichts glaubt, zum Adepten der Magie, ziemlich schlampig bearbeitet wird.

Es gibt eine Romanze zwischen Lionel und Madison, aber sie kommt sehr unausgewogen daher. Manchmal scheint sie das Hauptaugenmerk der Geschichte zu sein, aber dann ist da natürlich noch das eigentliche Mysterium und der Bösewicht, der zu Beginn wesentlich interessanter erscheint als er eigentlich ist. Halten wir fest: Die Figurenzeichnung kann man nicht gerade als gelungen bezeichnen. Möglicherweise liegt das daran, dass Schaefer zu viel in diesen Serienauftakt gelegt hat, als ihm gut tut. Es gibt zu viele erzwungene Analogien, denn neben dem Manuskript, das alle jagen, wimmelt es in der Geschichte vor griechischen Göttinnen, Halbgöttinnen und Hexen. Tatsächlich scheint es so, als wären alle weiblichen Bewohner New Yorks – zumindest die, die Lionel auf seiner Reise kennenlernt – unendlich mächtige Geschöpfe.

Trotz dieser Kritik ist das Buch kein Totalausfall. Hier sind alle Anlagen vorhanden, die eine gute Urban Fantasy ausmachen. Da ist natürlich der Versuch einer Hommage an die verwirrende Stadt New York und der Leser wird Zeuge, wie sie sich in etwas anderes verwandelt. Hier hätte ich mir noch etwas mehr Atmosphäre gewünscht. Andere Autoren fangen den Charakter einer Stadt mit ihrem besonderen Flair durch die Erzählung selbst ein. Die Stadt beherbergt jede Art von Geschichten, wie es im Text heißt. Zwar entwickelt sich die Handlung in einem angenehmen Tempo und die Wendungen sind schwierig vorauszusagen, aber das liegt eben nicht an der Finesse des Autors, sondern an der gelegentlich unbeholfenen Art und Weise und der uneinheitlichen Handlung. Vielleicht wäre es interessanter gewesen, den deutschen Markt mit Schaefers Daniel-Faust-Serie zu erobern. Ob es hiermit gelingt, bleibt erst mal fraglich.


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