Conan Doyle

Arthur Conan Doyle – Spiritist und Gentleman

Während der Schriftsteller und Arzt Sir Arthur Conan Doyle heute bei den meisten für seinen logisch denkenden Skeptiker Sherlock Holmes bekannt ist, wissen die Horrorbegeisterten aus aller Welt, dass er mit seiner bösartigen Mumie eine der besten Geistergeschichten der englischen Literatur verfasste und erkennen in ihm einen Vorfahren der Lovecraft unterstellten Weird Fiction. Tatsächlich ist Doyle für die Mumie das, was Stoker für den Vampir ist, und seine Geschichten von spitzhackenschwingenden Serienmördern, gespenstischen Folterinstrumenten, Geistern am sonnenlosen Nordpol, verfluchten Werwölfen, gelatineartigen Monstern am Himmel über uns und verunglückten Séancen, sind genauso kühl vorgetragen wie die Holmes-Abenteuer spannend sind. Der enorme Erfolg dieser Detektivgeschichten erlaubte es Conan Doyle, 1891 seine medizinische Praxis aufzugeben und sich dem Schreiben zu widmen. Sein Schaffen war breit gefächert: Theaterstücke, Verse, Memoiren, Artikel über Sport, Kurzgeschichten, historische Romane und schließlich Schauerromane und Schriften über Spiritualismus. Sein erfolgreichstes Werk blieb jedoch Holmes, sehr zu seiner späteren Frustration.

Arthur Conan Doyle
Spiritist und Gentleman

Und damit begrüße ich euch zu einer speziellen Folge über Arthur Conan Doyle. Wir werden diesem Autor im Phantastikon immer mal wieder begegnen, vor allem natürlich dann, wenn wir Sherlock Holmes in unsere Rubrik Helden, Versager und andere Ikonen einreihen. Heute sehen wir uns Doyle allerdings aus einer anderen Perspektive an – nämlich als Spiritist und Gentleman.

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Es mag überraschen, dass der Schöpfer dieser beständigsten Ikone der englischen Literatur überhaupt nicht Engländer, sondern Schotte war. Arthur Conan Doyle wurde 1859 in Edinburgh geboren und als kleines Kind in ein katholisches Internat geschickt. Wie eine Reihe schottischer Jungen aus der Mittelschicht seiner Generation entschied er sich für ein Medizinstudium und trat 1876 in die Medizinische Fakultät von Edinburgh ein.

Einer jener Professoren dort war ein Experte in medizinischer Diagnostik namens Joseph Bell, der die Inspiration für den Meisterdetektiv Holmes gewesen zu sein scheint. Bell behauptete nicht nur, die Krankheit eines Patienten aus wissenschaftlicher Beobachtung diagnostizieren zu können, sondern auch seinen Hintergrund und seine Arbeit daraus folgern zu können – er notierte sorgfältig solche Details wie den Gang eines Seemanns oder die schwieligen Hände eines Hausmädchens und benutzte sie, um ein Porträt dessen zu erstellen, was schließlich zu einer Erkrankung geführt hatte. Conan Doyles Autobiografie erinnert auch an den Einfluss seiner Mutter, die selbst eine talentierte und lebendige Geschichtenerzählerin war.

Doyles leidenschaftliche Bemühungen um das Irrationale sind in den Sherlock Holmes-Geschichten und Novellen nicht zu erkennen. Vielleicht sind diese Werke deshalb so beliebt im Gegensatz zu seiner Schauerliteratur, die vor Überzeugung und Rhetorik geradezu strotzt, denn trotz der dramatischen Inszenierung rationalistischer Geisteskraft, die seine Karriere bestimmen sollte, war der Autor ein abergläubischer Mensch, was Sherlock Holmes‘ Atheismus kaum vermuten lässt. Noch überraschender ist jedoch, dass er ein unverbesserlicher Imperialist mit einer hasserfüllten Besessenheit gegenüber Ägypten war, einem Land, das er 1893 nur einmal besuchte und in das er nie zurückkehrte. Dieser Mangel an direkter Erfahrung mit Ägypten oder seiner Kultur hat Doyle nie daran gehindert, eindringliche (und wie sich herausstellen sollte, einflussreiche) Meinungen über Relikte des alten Ägypten zum Besten zu geben, die in den späten 1800er Jahren dank der Effizienz und Anstrengung der englischen Archäologen immer häufiger ausgegraben wurden. Während Doyle 1896 schrieb, dass er die ägyptische Zivilisation selbst „verachtenswert“ und „entmannt“ fand, war er weiterhin begeistert von den Mumien, Pyramiden und Schriftrollen, die gefunden wurden, und nahm sie weiterhin als Requisiten in seine Geschichten auf.

Conan Doyle und der Spiritismus

Die Familie Doyle war streng katholisch. Conan Doyle wuchs zwar in einem streng katholischen Milieu auf, stellte dieses aber schnell in Frage, erklärte sich selbst zum Agnostiker und zeigte ein starkes Interesse am Spiritismus. 1881 besuchte er eine Vorlesung über dieses Thema und 1887 erschien ein Artikel von ihm in einer spiritistischen Zeitschrift, in dem er eine Séance beschrieb, an der er teilgenommen hatte, und 1889 versuchte Professor Milo de Meyer bei seiner Vorlesung über Mesmerismus, Doyle zu hypnotisieren, was ihm jedoch nicht gelang, und erst 1893 trat Conan Doyle der British Society for Psychical Research bei, die ihre Mitglieder aus den höchsten Kreisen der Politik und Wissenschaft rekrutierte. 1894 dann bat ein gewisser Colonel Elmore die Organisation, die mysteriösen Geräusche zu untersuchen, die ihm in seinem Haus in Dorset immer wieder den Nerv raubten. Sogar der Familienhund weigerte sich, bestimmte Teile des Hauses zu betreten, fast seine gesamte Dienerschaft hatte bereits gekündigt. Auch Elmores Frau und seine Tochter bestätigten, dass sich die Geräusche anhörten, als würden Ketten über den Holzboden geschleift, begleitet von einem Stöhnen. Conan Doyle, Dr. Sydney Scott und Frank Podmore wurden entsandt, um den möglichen Spuk zu untersuchen. Sie verbrachten mehrere Abende im Haus, doch ihre Ergebnisse waren nicht schlüssig. Eines Nachts wurden die Ermittler durch einen „furchterregenden Aufruhr“ gestört, aber es konnte keine Ursache für den Lärm festgestellt werden. Conan Doyle verließ das Haus in Dorset im Unklaren darüber, ob es dort wirklich spukt oder ob der Spuk nur ein Scherz war.

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Später wurde die Leiche eines etwa zehn Jahre alten Kindes entdeckt, das im Garten vergraben lag. Conan Doyle kam zu der Überzeugung, dass er tatsächlich Zeuge psychischer Phänomene geworden war, verursacht durch den Geist des toten Kindes.

Erst im Oktober 1917 hielt Conan Doyle seinen ersten öffentlichen Vortrag über Spiritismus. Er wollte seine gemachten Erfahrungen zum Wohle der Menschheit anbieten. Obwohl er wusste, dass sein Ruf und seine Karriere darunter leiden könnten, wurde er ein unverblümter Befürworter der Bewegung. Er schrieb Bücher, Artikel und trat unzählige Male öffentlich auf, um für seine Überzeugungen zu werben. Seine unbekümmerte Art und sein absolutes Vertrauen in die Bewegung machten ihn zu einem wirksamen Redner. Er war so aufrichtig, dass sogar die Gegner des Spiritismus seinen Aktionen wohlwollend gegenüber standen. Ein Zitat zu dieser Zeit sagte folgendes über ihn aus: „Armer, lieber, liebenswerter, leichtgläubiger Doyle! Er war ein Riese von Gestalt mit dem Herzen eines Kindes“.

Cottingley Fairies

Der bereits angeschlagene Ruf von Conan Doyle erreichte Ende 1920 einen neuen Tiefpunkt. In der Dezemberausgabe des Magazins The Strand erschien ein Artikel von Conan Doyle über einige außergewöhnliche Fotos. Zwei junge Damen aus dem Dorf Cottingley in der Grafschaft Yorkshire machten einige Aufnahmen von Feen, die sie in der Umgebung ihres Landhauses gesehen haben wollten.

Conan Doyle erfuhr Anfang des Jahres von den Fotos und begann, die Angelegenheit zu untersuchen. Negative der Fotos wurden zur Prüfung an zwei Orte geschickt. Die Londoner Vertreter von Kodak erklärten, dass niemand diese Fotos manipuliert habe, dass aber die Herstellung solcher Effekte nicht besonders schwer sei und sie deshalb nicht für ihre Echtheit garantieren könnten. Von dem anderen Experten, der die Negative untersucht hatte, bekam Doyle jedoch einen positiven Bescheid. Harold Snelling erklärte die Fotos für echt, und so schloss sich Doyle dieser Meinung an. Diese Fotos wurden als The Cottingley Fairies bekannt.

Vielleicht beeinflusst durch die Tatsache, dass sein eigener Sohn Kingsley 1918 bei der großen Epidemie der Spanischen Grippe erlag, investierte Doyle fiel Geld und Zeit in diese Dinge, die offensichtlich seinem Ruf schadeten. Nach dem Tod des Autors im Jahr 1930 füllte sich die Royal Albert Hall mit Fans, die an einer großen Séance zu seinen Ehren teilnahmen. Zu diesem Zeitpunkt war seine literarische Unsterblichkeit jedoch bereits gesichert: Laut dem Guinness-Buch der Rekorde ist Sherlock Holmes die am häufigsten dargestellte Film- und Fernsehfigur aller Zeiten.

MEP

MEP

Michael Perkampus wurde am 2. April 1969 im Fichtelgebirge geboren. Als Solitär der deutschen Literatur arbeitet er in seinen Texten mit "Bewusstseinsfragmenten" und "Synkopen", einer "philosophischen Phantastik". Von 2005 - 2010 moderierte er die Schweizer Literatursendung "Seitenwind" in Winterthur. Letzte Erzählungen erschienen im Blitz-Verlag unter "Das Kriegspferd", herausgegeben von Silke Brandt. Im Januar 2015 ging das Phantastikon online, später folgte der gleichnamige Podcast. 2018 gab er die Anthologie "Miskatonic Avenue" heraus, deren Namen jetzt für eine Rubrik im Magazin steht. Wer sich für Metaebenen interessiert, sollte sich den Blog "Crossroads" anschauen: https://crossroads.phantastikon.de

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