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Gladys Mitchell: Geheimnis am Weihnachtsabend

Geheimnis am Weihnachtsabend
Klett-Cotta

Pünktlich zum Herbst legt Klett-Cotta wie gewohnt einen Krimiklassiker für die Weihnachtstage neu auf. Diesmal ist es der 7te Roman mit der detektivischen Heldin Beatrice Adela Lestrange Bradley, die 1929 in Speedy Death zum ersten Mal in einem Buch von Gladys Mitchell auftauchte. Mit „Geheimnis am Weihnachtsabend“ leistet der Verlag Pionierarbeit, denn obwohl Mitchell zu den äußerst beliebten Krimiautorinnen des Goldenen Zeitalters gehört, ist sie bei uns völlig unbekannt und wurde auch nach ihrem Tod in England eher vernachlässigt. Liest man das vorliegende Werk, wird jedem einleuchten, warum das so ist.

Gladys Maude Winifred Mitchell – oder „die große Gladys“, wie man sie ebenfalls nannte – wurde 1901 in Cowley in Oxfordshire, England geboren. Sie machte ihren Abschluss in Geschichte am University College London und begann 1921 ihre lange Karriere als Lehrerin. Zu ihren Hobbys gehörten Architektur und das Schreiben von Gedichten. Sie studierte die Werke von Sigmund Freud und interessierte sich außerdem für Hexerei, eine Passion, die sie mit ihrer Freundin Helen Simpson teilte, ebenfalls eine Krimiautorin.

Tatsächlich wird Mitchell oft an die Seite von Agatha Christie und Dorothy L. Sayers gerückt, aber das halte ich für einen übertriebenen Propaganda-Trick, denn um es gleich vorweg zu nehmen, das Buch strotzt vor Langeweile. Tatsächlich handelt es mehr von Schweinezucht und Morris-Tänzen (auch Moriskentanz) als von Weihnachten. Wäre der Mord nicht an Heiligabend geschehen, würde man gar nicht merken, dass es irgendwelche Festlichkeiten gibt. Es mag durchaus sein, dass von den 66 Romanen der ein oder andere hervorragt, aber dieses Buch hier pflegt eine rigorose Langweile und eine verworrene Handlung, die sich hauptsächlich mit völlig unnötigen Spekulationen aufhält, die natürlich dazu dienen, den Leser in eine Richtung zu lenken, um dann im letzten Kapitel mit dem wahren Mörder um die Ecke zu biegen. Das ist nicht gerade subtil eingefädelt, obwohl man sagen muss, dass die Überexzentrik durchaus funktionieren hätte können, wenn sie an manchen Stellen nicht derart gewollt auftreten würde.

Außerdem ist die Figurenzeichnung eine mittlere Katastrophe, und das betrifft tatsächlich alle dramatis personae, inklusive Mr. Bradley selbst, die am laufenden Band gackert und kichert und wie ein Reptil beschrieben wird. Naja.

Trotzdem hat das Buch eine gewisse Unterströmung, die vielleicht in anderen Romanen besser zur Geltung kommt, denn ab und an bemerkt man Mitchells Hang zum Morbiden und ihr Faible für das Übernatürliche. Wir haben mit diesem Roman vielleicht einen der Gründe, warum es Mitchell nie in den Kanon der wirklich großen Autorinnen geschafft hat, aber ein Werk mit Fehlern kann trotzdem seinen Reiz entwickeln.


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