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Alex Beer: Der zweite Reiter

Beer Zweite Reiter

Der zweite Reiter von Alex Beer erschien 2017 im Limes-Verlag. Mittlerweile hat die Reihe sechs Titel aufzuweisen, die in die Kerbe von Kriminalgeschichten zwischen den beiden Weltkriegen schlagen. Das ist im Augenblick eines der interessantesten Settings, an dem sich eine Menge Autoren versuchen. Nicht allen gelingt das gleichermaßen gut, aber man findet dennoch eine Menge erstaunliches und gut recherchiertes Zeitgeschehen in diesen Romanen.

Wo zum Beispiel Volker Kutscher die Weimarer Republik und die beginnende Gefahr des Nationalsozialismus als Kulisse dient, nimmt sich Alex Beer das Wien nach dem ersten Weltkrieg vor, was im Grunde kein Wunder ist, schließlich lebt die Autorin Daniela Larcher (die hier ein Pseudonym verwendet) in der österreichischen Hauptstadt.

Romane wie Der zweite Reiter in dieser Zeit anzusiedeln ist äußerst Recherche-intensiv. Das trifft zwar auf historische Romane immer zu, aber hier ist es besonders heikel, den richtigen Ton zu treffen und das Kriegselend, oder die unfassbaren Zustände so anzulegen, dass sie nicht nur glaubwürdig sind, sondern auch die Möglichkeit besteht, eine interessante Geschichte zu erzählen. Man findet also schnell heraus, dass Alex Beer ganz eigene Wege geht. Die Sprache ist wie in vielen Krimis ziemlich einfach gehalten, etwas reißbrettartig vielleicht, und dennoch überrascht Der zweite Reiter, weil der Roman an manchen Stellen in seiner Tragik der geschilderten Epoche sogar burlesk wirkt. Zum Beispiel, wenn Emmerich, der Rayonsinspektor (ein alter österreichischer Dienstgrad, im Grunde kaum mehr als ein Wachmann mit polizeilichen Befugnissen für einen bestimmten Bezirk) besoffen in der Gosse liegend, nur in Unterhosen aufgegriffen und ins Spital gebracht wird, wo er sich davonschleicht und gerade so einen unpassenden Arztkittel und dazu noch klumpige Kriegsstiefel findet und mitgehen lässt. Letztere verursachen einen Heidenlärm auf dem Boden. Natürlich will er aus dem Krankenhaus fliehen, bevor seine Identität geklärt werden kann, was zu seinem peinlichen Rauswurf als Inspektor führen könnte. Zufällig gerät er in diesem unmöglichen Aufzug in ein Seminar für angehende Doktoren, besorgt sich irgendwie noch Herointabletten gegen seine Schmerzen – er ist Kriegsversehrter -, und erscheint so wie er gerade ist in seiner Dienststelle, weil er verdammt noch mal keine anderen Klamotten hat. Immer wieder versucht er trickreich, sein armseliges Leben zu bewältigen, an der Seite einen jungen Assistenten, der den nötigen Kontrast zu ihm darstellt, so dass sich auch hier stets spaßige Situationen ergeben, während um die beiden Ermittler herum alles im Argen liegt.

Die Figurenzeichnung verlässt kaum den Rahmen, der an Karikaturen erinnert, eine größere Tiefe scheint hier nicht intendiert, und dennoch zieht sich das Lokalkolorit durch die ganze Geschichte (vor allem hörbar im gesprochenen Dialekt, den die Autorin dem Leser zuliebe nur den Nebenprotagonisten in den Mund legt).

Der Humor funktioniert und macht das erste Abenteuer des Wiener Ermittlers so anziehend, weil es kein aufgesetzter Humor ist, sondern weil er aus dem Leben selbst resultiert, das elendig genug ist.

Tragödie und Komödie sind Zwillinge und wechseln sich hier durchaus gekonnt ab.

In der zweiten Hälfte des Buches fällt zwar nicht all das Erreichte in sich zusammen, aber die Kurve geht doch deutlich nach unten und nimmt das Niveau eines Fernsehkrimis an. Die zur Schau gestellte Naivität fällt deshalb besonders ins Gewicht, weil die Autorin ihre Geschichte – auch wenn sie wie ein Scherenschnitt wirkt – in ein gut recherchiertes Ambiente einbindet. Larcher operiert hier mit ein paar Stereotypen, die allerdings dennoch funktionieren, auch wenn man sich vielleicht kurz ärgert.

Unterm Strich bleibt ein etwas unausgegorener historischer Krimi, der zwar keinesfalls nach unten ausschlägt, aber eben auch nicht nach oben. Für den österreichischen Leo-Perutz-Preis für Wiener Kriminalliteratur im Jahre 2017 hat Der zweite Reiter dennoch alles richtig gemacht, und das ist, trotz der Mäkelei, völlig in Ordnung. Vor allem, weil der Ton des Romans Spaß macht und die Atmosphäre stimmt.


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