Glauben Sie an Gespenster? / Robert Arthur

Glauben Sie an Gespenster? / Robert Arthur

Es ist nur eine kleine Geschichte in einem großen Buch. „Nichts Besonderes“, könnte man meinen, und gleich zur nächsten weiterziehen. Doch es lohnt sich, hier kurz innezuhalten und genauer hinzusehen. Robert Arthur war ein Schriftsteller, dessen Werke viele gelesen haben, ohne seinen Namen zu kennen. Während seiner Lebenszeit blieb das volle Ausmaß seiner Karriere weitgehend unsichtbar – insbesondere in Deutschland. Dort gab es lange Zeit nur einen schmalen Erzählband: Die Geister, die ich rief, der 1970 im Boje-Verlag erschien und 2024 von Kosmos neu aufgelegt wurde. Erst im März 2025 folgt ein zweiter Band – wohl ein Zeichen dafür, dass die moderne Literatur zunehmend an Reiz verliert und Leser sich mehr und mehr als Schatzgräber vergangener Meisterwerke versuchen.

Viele jugendliche Leser meiner Generation wussten nicht, dass Arthur der ursprüngliche Autor der drei ??? war, bevor er 1969 allzu früh verstarb und das Feld anderen überlassen musste. Die ersten Bände erschienen unter dem Namen eines gewissen Alfred Hitchcock – wohl der Hauptgrund, warum seine Bücher vor allem unter dieser Marke bekannt wurden. Einerseits garantierte das den Erfolg, andererseits überschattete es Arthurs eigenes Vermächtnis. Dabei war er ein äußerst produktiver Schriftsteller: Bevor er in seinem letzten Lebensjahrzehnt mit Hitchcock zusammenarbeitete, verfasste er Hunderte von Kurzgeschichten. Ihre Kooperation begann mit seiner Arbeit an Alfred Hitchcock Presents und der Adaption seiner Geschichte The Jokester für diese Sendung im Jahr 1958. Ursprünglich erschien The Jokester bereits in der März-Ausgabe 1952 des The Mysterious Traveler Magazine – mit Elementen, die an Glauben Sie an Gespenster erinnern, eine Geschichte, die über ein Jahrzehnt zuvor, im Juli 1941, in Weird Tales veröffentlicht worden war.

Darin sitzt der Protagonist Nick Deene mit Handschellen an ein altes Messingbett gefesselt – in der verlassenen Carriday-Villa, bewaffnet nur mit einer Taschenlampe, einer Bibel und einem Kruzifix. Er wartet auf die Ankunft des „Dings mit dem Gesicht einer Auster“ – einer amorphen, im Sumpf lebenden Abscheulichkeit, die seit über einem Jahrhundert den Carriday-Fluch ausübt. Doch die Wahrheit ist eine andere: Nick Deene hat sowohl das Monster als auch den Fluch selbst erfunden, was zu einigen Spannungen mit seinem technischen Assistenten, Fan Danny Lomax, führt. Fünf Millionen Zuhörer im ganzen Land lauschen ihm an den Radiogeräten.

Die Geschichte beginnt mit dem Haus selbst, das sowohl Schauplatz als auch ein eigener Charakter ist. Sie verortet das Carriday Mansion zwanzig Meilen nördlich von Hartford, von wo aus das Radiosignal nach New York übertragen wird. Damit könnte die Handlung irgendwo an der Grenze zwischen Connecticut und Massachusetts angesiedelt sein – möglicherweise sogar in Massachusetts, nicht weit entfernt von jenen seltsamen Orten, wie H.P. Lovecrafts Dunwich. Die Atmosphäre – dieses makabre Brot und Butter des Unheimlichen – trägt die Geschichte oft besser als jede Handlung.

Doch Glauben Sie an Gespenster bietet beides: Atmosphäre und eine ausgefeilte Erzählstruktur. Arthur lässt Nick Deene selbst den Schauplatz für die Leser definieren, bevor er die Geschichte erst zu einem falschen Höhepunkt, dann zu einem weiteren, endgültigen führt.

Im Zentrum steht die Idee der Massenhypnose, die Macht der Suggestion und die Fähigkeit des Denkens, Realität zu beeinflussen – Konzepte, die bereits 1941 keineswegs neu waren. Schon 1904 wurde ein ähnlicher Gedanke in J.M. Barries Bühnenstück Peter Pan sichtbar: Dort fordert Peter das Publikum auf, in die Hände zu klatschen, wenn es an Feen glaubt – eine spielerische, aber eindrucksvolle Demonstration kollektiver Gedankenmacht. Peter Pan besitzt zudem eine bemerkenswerte Fähigkeit: Er kann Dinge aus dem Nichts erfinden.

Die Ursprünge dieser Ideen über den Einfluss des Glaubens auf die Realität reichen weit zurück, und auch heute beschäftigen sich Forschungen erneut damit. Doch Glauben Sie an Gespenster ist nicht bloß eine Geschichte über diese Konzepte – sie ist auch eine meisterhafte Erzählung mit effektiver Atmosphäre und einem eindrucksvollen Monster. In der heutigen Weird Fiction sind solche Kreaturen längst Klischee, doch 1941 war dieses Motiv noch relativ frisch. Manche vermuten, dass H. R. Wakefields Geschichte Ghost Hunt Arthur beeinflusst hat.

Allerdings gibt es eine zeitliche Unstimmigkeit: Während die Internet Science Fiction Database Wakefields Geschichte auf 1948 datiert – sieben Jahre nach Glauben Sie an Gespenster –, nennen andere Quellen 1938 als Veröffentlichungsjahr. Falls Letzteres stimmt, war die Weird Tales-Ausgabe ein Nachdruck.

Unabhängig von der genauen Beziehung zwischen beiden Geschichten verfolgt Ghost Hunt ein anderes zentrales Motiv: das „böse Haus“ oder „böse Zimmer“, das seinen Bewohner in den Wahnsinn treibt. Dieses Motiv taucht in vielen Spukgeschichten auf – von Wakefields The Red Lodge über Shirley Jacksons Spuk in Hill House (1959) bis hin zu Stephen Kings Shining und seiner Kurzgeschichte 1408, das ebenfalls in der von Frank Festa herausgegebenen Anthologie Das Buch der Geister & Spukhäuser enthalten ist.

Interessanterweise – und vielleicht nicht zufällig – ist der Protagonist von 1408, der Schriftsteller Mike Enslin, eine verblüffende Parallele zu Nick Deene.


Entdecke mehr von Phantastikon

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

M.E. P.

Redakteur im Phantastikon. Übersetzer, Herausgeber und Verfasser dunkler Texte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert