Chucky will spielen. Der fiese kleine Kerl hat Übles im Sinn. Wissen wir. Denn Chucky ist berühmt. Weltweit bekannt, bestaunt als Wachsfigur. Irre grinsend neben Dracula und Jigsaw platziert im „Museo de Cera. Exposición Terror“ in Palma de Mallorca. Beglückend auch als Puppe in Originalgröße, mit zernarbtem Gesicht und großem Küchenmesser in der kleinen Hand, empfohlen ab drei Jahren !). Da hüpft frühzeitig das kalte Herz.
Ob es einem nun gefällt oder nicht, dass ein bösartiger Plastikkerl, auch noch so scheinheilig Pumuckel-rothaarig-niedlich, im Horror-Olymp neben wahren Schauerkoryphäen herum turnt, spielt hier keine Rolle. Chucky kann man nicht weg meckern. Der ist da. Klammern wir jetzt einfach mal aus, was und wer Chucky ist, dann wäre er der wahr gewordene Kleinmädchentraum. Eine Puppe, die lebendig wird. Die spricht und läuft. Komplett selbständig. Einfach so, eben deshalb, weil sie es halt kann. Punkt. Hätte ich als Achtjährige großartig gefunden, so eine zu haben. Gruselig finden wir diese Vorstellung erst, wenn irgendwann der Verstand anklopft und uns darauf hinweist, dass so was nicht normal ist. Richtig furchterregend wird es, wenn die Puppe sich bewaffnet und auf Mordtour geht. Exakt das macht Chucky unbekümmert seit 1988. Ende in Aussicht? Mitnichten.
Im Horror-Olymp der Schauerkoryphäen
Der kleine Chucky, Jeanslatzhose, Ringelpulli, lustige Sommersprossen auf der Nase und diese strahlend blauen Augen, die nur im Märchen den Himmel versprechen, hat große Kollegen, deren spezifisches Gemetzel gleichfalls in Serie ging und geht. Genannt seien da an vorderster Front Michael Myers, Jason Vorhees, Freddy Krueger und Leatherface. Halloween, Freitag der 13., Nightmare on Elm Street und Texas Chainsaw Massacre gelten als genial gebrandmarkte und gefeierte Horror-Dauerbrenner. Chucky ebenauch. Dieser perverse, sadistische Spielzeug-Killer ist eine Ikone. Kann man nicht bestreiten bei mittlerweile sieben abgedrehten Original-Chucky-Filmen, einer Neuauflage 2019, „Child’s Play“ und einer dem aktuellen Zeitgeist entsprechenden und von Kritikern und Zuschauern gleichermaßen als höchst gelungen bewerteten Chucky-Serie mit bis dato drei Staffeln, für die der deutsche Startschuss im Januar 2022 gefallen ist.
Chucky hat Seele. Fürwahr. In Chucky steckt richtiges Leben. Das richtig gemeine, böse Leben des Serienkillers Charles Lee Ray, der mittels schwarzer Magie in unserem Chucky, einer von Kindern heiß begehrten „Good-Guy“-Sprechpuppe, weiter existiert und seinem blutrünstigen Unwesen nachgeht. .
Der Name Charles Lee Ray steht für Charles Manson (Manson Family), Lee Harvey Oswald (erschoss John F. Kennedy) und James Earl Ray (tötete Martin Luther King). Das sagt ja schon mal nicht alles, ließ und lässt weiterhin aber stets Ungutes ahnen.
Ein Kassenfüller mit Mordlust und Seele
Chucky ist ein Kassenfüller. Und zweifellos eine richtig gute Idee. Nicht abgekupfert! Regisseur Tom Holland, der die Erfolgsfigur kreierte und 1988 in Zusammenarbeit mit Don Mancini und John Lafia inszenierte, hatte sich eigenen Bekundens zufolge an einem angriffslustigen Spielzeug-Clown in Poltergeist aus dem Jahr 1982orientiert, der ihm wohl nicht mehr aus dem Kopf ging. Irgendwie nachvollziehbar.
Erinnern wir uns mal. Nachts im Bett im Kinderzimmer, kein Auge will zu, es ist dunkel. Aber immer noch hell genug, um zu sehen, dass der Spielzeug-Clown auf dem Regal uns mit komisch funkelnden Augen eigentümlich angrinst und dabei spitze, lange Zähne zeigt. Und dass er hinunter hüpft und gehässig kichernd auf uns zukommt.
Wir erinnern uns nicht? Gut, das liegt wohl daran, dass wir solch einen Spielzeug-Clown gar nicht hatten. Weil wir gar keinen haben wollten. Wir hätten uns nie einen gewünscht. Weil Spielzeug-Clowns nicht lustig sind, sondern Angst machen. Vor allem in der Nacht, wenn sie lebendig werden.
Wir kannten dieses seltsame Wort nicht. Coulrophobie. Die Furcht vor Clowns. Aber diese Furcht kannten wir sehr wohl. Stephen King kannte sie auch, kannte wohl auch uns und erfand Pennywise.
Tom Holland und Stephen King waren/sind gute Freunde im Privaten. Mit ähnlich gelagerter Leidenschaft. 1986 wurde der furchteinflößende Geniestreich Es mit dem legendären Grusel-Killer-Clownvon King veröffentlicht (erstmalig verfilmt 1990), 1988 drehte Regisseur Holland, inspiriert vom Poltergeist-Clown, den ersten und seinen einzigen Chucky–Film. Optisch einLausbube zum Spielen und Spaß haben.
Und was für einen Spaß Chucky, der kleine Freund für’s Leben, verspricht: „Hi, I’m Chucky. Your friend till the end.“
Tom Holland hatte bei Chucky wohlweislich und so von ihm selbst erzählt auch die spektakuläre Geschichte vom berühmt-berüchtigten Puppenjungen Robert im Hinterkopf. Robert, the enchanted doll. Eine verwünschteStoffpuppe im Matrosenanzug. Ungefähr einen Meter groß, mit Holzwolle und einem unauffindbaren Gehirn gestopft. Robert huschte in seinen Glanzzeiten ab 1903 im Eiltempo von Raum zu Raum, randalierte, kicherte boshaft und redete Verschwörerisches mit seinem Besitzer, dem kleinen Gene Otto. Nachts beobachten die Nachbarn Robert hinter der Fensterscheibe, wie er starrte, um dann zu verschwinden und am nächsten Fenster wieder aufzutauchen. Und sie erzählten entsetzt, ein gehässiges Kichern gehört zu haben. Gene schrie oft, wenn andere längst schliefen. Dann war irgend was passiert. Und der Junge sagte ernsten Blickes: „Robert did it.“ (Robert war’s)
Das alles ist so jetzt nicht mehr möglich, man hält ihn seit hinter Glas in einem Museum in Key West, Florida, gefangen, artig auf einem Holzstuhl hockend. Wohl unartig lauernd.
Vermutlich wird Robert seit über hundert Jahren von einem Dämon bewohnt. Eine Voodoo-Zauberin aus der Karibik hat ihn gedacht, gemacht und verflucht.
Denn merke: Robert war’s, Chucky ist’s!
So ist das wohl oder eben nicht. Ich belächle auf jeden Fall keineswegs, wenn da jemand sagt, er habe Robert in seiner gläsernen Vitrine in Key West mit Arglist im Blick zwinkern sehen. Und nicht wenige Besucher meinen, Robert um Erlaubnis bitten zu müssen, wenn sie ihn fotografieren wollen.
Hollands Idee, nichts Dämonisches, sondern den Geist eines reellen Killers in eine Puppe zu verpflanzen, die eine unheimliche Eigeninitiative entwickelt, – wie eben der Poltergeist-Spielzeug-Clown -, die zudem gern das Messer wetzt, komisch guckt und überhaupt garstig daherkommt, gilt durchaus als bahnbrechend für Chucky. Der wurde mitnichten zur Schauer-Eintagsfliege, wie es sie ja nun mal auch gibt, der wurde absoluter Horror-Kult in bis dato Fast-Endlos-Story. Wer hätt’s gedacht? Tom Holland selbst? Tatsächlich kehrte er der Mega-erfolgreichen Mörderpuppe den Rücken, war nur im ersten Teil federführend. Der freilich gilt als geballte bitterböse, blutige Ladung, die ungekürzte Fassung des Films stand in Deutschland bis 2011 auf dem Index.
Im Jahr der Chucky-Premiere lief auch die Fortsetzung von „Fright Night“ an, für die Holland das Drehbuch geschrieben hatte. Regie und Drehbuch gingen 1985 bereits für den ersten Teil der viel beachteten und auch mit Filmpreisen ausgezeichneten Horrorkomödie auf sein Konto.
Gut war’s vorerst und so weit für ihn. In den 1990ern arbeiten Tom Holland und Stephen King gemeinsam an den Verfilmungen von King’s Büchern The Stand, Langoliers und Thinner/ Der Fluch.
Bei Chucky war er längst raus. Die Drehbücher für die nachfolgenden Filme schrieb als Hauptverantwortlicher Don Mancini, der auch bei den vorläufig letzten drei Filmen, – Cult of Chucky von 2017 ist der (noch!) aktuellste -, gleichwohl bei der seit 2022 laufenden Chucky-Serie Regie führt(-e).
Und sonst? Sei gesagt:
„I’ll be back. I always come back.“
War ja klar. Irgendwie.
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