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Ein Buch und mehr: Alles für Romero

Wir kombinieren, wir sind alte böse Hasen: Schauergeschichten mit Titeln wie Körper und Köpfe, Friss mich, Speisesaal und Die besten Stücke erzählen aller guten Wahrscheinlichkeit nach von untoten Leuten mit eigenwilligem Verhalten und großem Appetit. Kurzum versprechen sie Ordentliches, korrekt krass Durchdachtes, da geschrieben von illustren Autoren aus der totalen Horrorgarde. Von soliden Zombie-Geschichten ist die Rede. Eben. Kleine Kostproben zweier Meister:

Als er älter war, verfrachtete Pop ihn nach Galveston zu den Nutten oder zum Strand, wo sie Schießübungen auf all die hässlichen, entstellten Kreaturen machten, die in der Buch herumschwammen. Manchmal nahm er ihn auch mit nach Oklahoma zur Zombiejagd. Es schien dem alten Knacker gut zu tun, den Toten mit dem Stemmeisen den Schädel einzuschlagen, damit sie ein für allemal tot waren. Und es war auch aufregend, denn wenn einer dieser Toten einen biss, war man dran.

(Jenseits der Cadillac-Wüste, Joe R. Landsdale)

Er stieß grunzende Laute aus. Sein fleischloser Mund öffnete sich, und die Zähne klappten aufeinander. Er war hungrig…aber diesmal nicht auf Hühnersuppe mit Nudeln, nicht mal die aus der Dose würden ihn heute zufriedenstellen.

Hinter den grauen, muschelüberwucherten Höhlen baumelte graues Zeug herum, und ihr wurde klar, dass sie da Überreste von Jacks Gehirn vor sich hatte. Sie saß immer noch erstarrt da, als er aufstand und mit ausgestreckten Fingern auf sie zukam. Er hinterließ schwarze Tangspuren auf dem Teppich, stank nach Salz und Tauen.

(Hausentbindung, Stephen King)

Bereit dafür, zu weit zu gehen

Da dürfen sich schon mal genüssliches Entsetzen und köstlicher Nervenkitzel breit machen. Es wird (noch!) besser. Jenseits der Cadillac-Wüste, Hausentbindung und mehr und mehr an geballter Zombie-Ladung, präsentiert von der dunklen Meisterklasse, sind großes Lese-Kino für den Hoffnungsvollen, der sich traut. Natürlich trauen wir uns. Gewappnet für Mögliches, gerüstet für Unmögliches, begierig auf Horror. Bereit, Grenzen zu öffnen.

Um den Horizont zu erweitern. Um zu weit zu gehen.“ (Book of the Dead, John Skipp/Craig Spector).

Das Book of the Dead (1989) ist alt. Egal aber auch. Es bleibt einmalig. In der deutschen Übersetzung ärgerlich einfallslos als „Das große Horrorlesebuch“ (1991, W. Goldmann Verlag) erschienen, ist es die literarische Hommage an einen Meilenstein in der Film-Branche und damit an einen Mann, der Pionierarbeit geleistet hat: George A. Romero bannte 1968 in Die Nacht der lebenden Toten (Night of the Living Dead) Zombies auf die Leinwand, die sich erstmalig nicht mehr durch Voodoo-Zauber als willenlose Sklaven vom Leichentisch erheben, sondern aus eigener Kraft durch die Gegend laufen und Grauen verbreiten. Sie sind gefühlskalt, brutal, böse und verfressen. Sie sind Romero-Zombies, die Väter und Mütter der entsetzlichen Wiederkehrer. Und die sind de facto nicht wegzudiskutieren, die sind, tja, eben da. „Sie laufen überall herum, wo sie gerade die Lust dazu haben.“ (George A. Romero)

Hallelujah, das ist mal ein Wort.

Was soll nur aus den Leuten werden, die glauben, >Die Nacht der lebenden Leichen< wäre noch nicht genug?“ (Robert Bloch)

Spitzenköche am Herd des Teufels

Er fragte (vielleicht) etwas scheinheilig, grinste dabei eine Spur zu schräg, mag sein, besorgt, mag eher sein, zynisch. Er wusste es, der Schöpfer von Psycho: Diese Leute, die noch mehr Schritte riskieren, weil ihre Vorstellung die Nüchternheit sprengt, weil ihre Visionen an die Luft müssen, um tief und abgründig tiefer noch eingeatmet zu werden, sind die, denen wir zustimmen. Weil sie echt sind. Und weil sie zudem so verdammt gut sind, diese Spitzenköche am Herd des Teufels, die ihre Messer weiter wetzen, so, wie sie es für das Book of the Dead getan haben. Dafür konnten Skipp und Spector sie alle zusammen trommeln, – Ramsey Laymon, Robert R. McCammon, Joe R. Landsdale, Douglas E. Winter, Stephen King… -, dafür konnten die Herren der Dunkelheit begeistert werden: Ein Buch im Namen Romereos, in dem einer Nacht gehuldigt wird, in der für das unbekannte Böse seine ganz spezielle Sonne aufgeht. Ein Buch, das nur in seiner Ursprünglichkeit, als schauderhaft-schönes Original ohne ein jemals zu befürchtendes Remake zählt. Literatur wird nicht renoviert, das Book of the Dead bleibt so alt oder jung, wie seine Leser. Und die dürften das zu schätzen wissen.

Edelekel: Book of the Dead

Diese Edelsammlung von finsteren, apokalyptischen, hammerharten Stories und Edelekel war und, unverfroren behauptet, ist einmalig auf dem Sektor. Es geht genial an das unfassbar (Un-)Wahre, an handgemachte Alpträume, an eingemachte Ängste, es geht exakt so zur Sache, wie wir es erwarten (dürfen!). Die Sprache? Unnachahmbar. Die Ideen? Beneidenswert. Die Moral? Oh Mann.

Die Zombies in ihr grunzten und zerrten. Martha spürte die anderen, die vielen anderen, die um sie herumstanden. Blicke aus toten Augen ruhten auf ihr, die nicht sahen – nie gesehen hatten. Ihr schwanden die Sinne. Die Zombies kamen näher……und näher. Bloß eine einzige Kugel, dachte Martha. Eine.

(Die einzige Liebe, Edward Bryant)

Inzwischen war von seinem Körper nicht mehr genug übrig, als dass es hätte aufstehen, laufen oder irgend jemanden fressen können. Die Einzelteile lagen zuckend auf dem Fußboden, spürten das erste Nagen eines neuartigen Hungers, unirdisch und unersättlich.

(Persönliche Geheimnisse, Chan McConnell)

In ihnen sammelten sich Gase und unverdaute Nahrung an, bis sie an den kritischen Punkt gerieten, und dann Krawumm – lag die ganze Gegend voller brauner Brocken.
Das Leben war so seltsam.

(Ein Treffen mit Wormboy, David J. Schow)

Seltsam. Genau. So ist das eben, mal ganz leger formuliert. Seltsam, sonderbar, bemerkenswert, wie auch immer, mag es gleichsam anmuten, dass es ein Film, der als Freizeitprojekt, in Schwarz-Weiß und ohne teuren Schnickschnack gedreht, mit gesellschaftskritischem Seitenhieb, grundsätzlich ohne moralischen Zeigefinger und ohne Happy-End (logisch) versehen, zudem ein Machwerk, das Ekel, Panik, Fassungslosigkeit, Entsetzen und Würgereiz mit Gütsesiegel erzeugte, sich in die absolut oberste Liga katapultierte. In der noch jungen Zeit der Deutlichkeit, die das Film-Genre zu prägen begann, wurde festgelegt, was den einen feinen, oft so hundsgemeinen Unterschied ausmacht: Der Zuschauer kann weggucken, die Kamera nicht. Ergo wurde/wird drauf gehalten. Und ergo war es somit Romeros eigene (Ehren)Sache, „uns ein junges symphatisches Liebespaar vorzuführen, es mutig der Gefahr auszusetzen und in brennende Einzelteile zu zerlegen. Er ließ die Kamera weiterlaufen, als halbverweste Jungs und Mädchen aus der Nachbarschaft ihre knusprigen Innereien auffraßen.“ (Skipp/Spector)

Eben kein amerikanischer Traum

Night of the Living Dead war ein Risiko, zweifellos, da ohne die treffsicheren Gut-Böse-Klischees, mit einem farbigen Helden, der den sinnlosesten Tod im Film erhält, alles gezeichnet von einer rationell schwer fassbaren Ausweglosigkeit. Eben kein amerikanischer Traum, sondern eine schmerzhafte, schonungslose Weltsicht, die zur Legende, zum Genre-Muss wurde, gewürdigt als Ausstellungsstück im Museum of Modern Art in New York, als erhaltenswertes Kulturgut auf ewig eingetragen im National Film Registry. Klar ist: Die Nacht der lebenden Toten hat einen Stein ins Spiel gebracht, den sich Romero-Nacheiferer dankbar vor die Füße rollen ließen und fortwährend lassen. Um ihn nach ihrer Fasson, ihrem Anspruch, ihrem Talent und, wichtig, der jeweiligen Mode entsprechend weiter zu kicken.

Mittlerweile gibt es schätzungsweise weltweit deutlich mehr als tausend Zombie-Filme, Kurzfilme, TV-Serien und unabhängige Produktionen vage mitgerechnet. Produziert wird längst nicht mehr allein in Hollywood, Japan, Italien, Spanien und Südkorea ziehen seit Jahren erfolgreich mit.
Die kanadisch-französische Horrorkomödie „We are Zombies“ ist der momentan zumindest aktuellste Zombie-Film, der vor einem Jahr Premiere hatte auf dem Fantasia International Film Festival im kanadischen Montreal. Gezeigt und eben auch gefeiert wurde er in der Folgezeit auf dem deutschen Fantasy Filmfes und auf dem US-.Fantastic Fest. Die Geschichte mit kulturellen Anspielungen an die 1980er Jahre spielt in einer Welt, in der Zombies alltäglich geworden sind und gesellschaftlich akzeptiert werden müssen. Heißt: Einfach so töten darf man sie nicht. Regie führte das Trio RKSS (François Simard, Anouk Whissell und Yoann-Karl Whissell), das auch für den Kultstreifen „Turbo Kid“ und den Horrorfilm „Summer of 84“ bekannt ist. We Are Zombies, frech, fröhlich und fies erzählt mit groteskem Augenzwinkern, basiert auf dem Comic Als die Zombies die Welt auffraßen (2008) von Texter Jerry Frissen und Zeichne Guy Lissen.

Bahnbrechendes der Kinogeschichte

Durchaus übrigens ein reizvolles Thema, die Entwicklung von ersten, zweifellos auf ihre eigene Art bahnbrechenden Zombie-Filmen der Kinogeschichte an über Romeros blutigen Paukenschlag hinweg über die mittlerweile verstrichenen Jahrzehnte mit bitterbösen, bewegenden und anrührenden, höchst bissigen und blutigen, gesellschaftskritischen und teils eben auch absurd komischen Beiträgen zu verfolgen.

Im ersten gedrehten Zombie-Film überhaupt, The White Zombie (1932) mit Bela Lugosi, Regie Victor Halperin, wanken die Akteure als haitanische Sklaven mit weit aufgerissenen Augen wie denkwürdige Schlafwandler über die Leinwand. Da jagt, beißt, zerfleischt, infiziert niemand. 1943 engagierte Jaques Tourneur den 33Jährigen Darby Jones, einen farbigen Schauspieler, für I walked with a Zombie und ließ ihn als Angstmacher in der Finsternis auftauchen, taumeln, tappen, einfach nur wie eine Statue dastehen und seltsam gucken.

Von seiner alptraumhaften Entwicklung in eine grausame Killermaschine, die sich in Menschen verbeißt und sie frisst, während Maden aus ihrem verwesenden Leib krabbeln, Gedärme aus dem Bauch quellen und Glieder grausig zerstümmelt sind oder gänzlich fehlen, – ….egal wie, das Ding lebt weiter… – , war Ur-Kino-Zombie Jones Lichtjahre entfernt.

Die kompromisslose Gewaltbereitschaft und die widerliche Essgewohnheit der Zombies sind nicht Thema, sollten sie auch nicht sein. Diesem neuen, blutigen und eben auch fiktiven Zombie-Kapitel widmete sich bekanntlich bravourös und Genre-prägend Romero als Erster, inspiriert von der alles Menschliche vernichtenden Seuche in I am Legend von Richard Matheson , und seine Interpretation vom Zombie (Ableitung vom zentralafrikanischen “nzùmbe”= Totengeist) ist eine gänzlich andere als die der düsteren Spukgestalt hinter diesem Busch, in jener Ecke und vor dem Himmelbett einer kranken, verzauberten Lady. Romero, – – , …das ist kein Wiedererwecken. Das ist der Schubs in die Hölle. Voodoo…das ist Gänsehaut aus der Karibik.

Die Vorstellung davon, dass Tote wieder zurückkehren und indirekt aus dem Grab heraus Unheilvolles bringen, ist natürlich keine reine Voodoo-, Roman- oder gar Hollywood-Erfindung. „Scheintote“ haben Legenden gemacht, Totenwachen ihren Sinn ergeben, Menschen, die nach einem Gehirnschlag „erwacht“ sind und zweifellos anders waren, schürten das mythische Feuer, und die immer wieder zu Papier gebrachte Todes-Panik von Edgar Allan Poe, grandios gerahmt, bestätigte.

Diese eine weltberühmte Nacht

In der Karibik waren und sind die Untoten mit Leichenflecken versehen, in den Karpaten sind ihre Zähne und Krallen lang. Sie sehen so oder ähnlich aus, wie man dort allgemein Leichen kennt: Tropisches Klima verfärbt tote Haut schneller, – Zombie – , kaltes, – Vampir – , zieht das Fett- und Bindegewebe zurück. Und das nun ist die Basis für die eigenen Bilder. Die sind (immer!) noch schlimmer. Und beginnen irgendwie immer mit der Nacht der lebenden Toten: Night of the Living Dead!

So manche der in der heutigen Zeit von noch mehr und immer noch mehr Blut, Gewalt und Grausamkeit voll gesaugten Cineasten mögen über diese eine weltberühmte Nacht leichtfertig ihre Achseln zucken und müde, wenn auch nicht gänzlich unberührt lächeln. Sie sind verwöhnt, auch bedenklich verzogen und kennen längst schon die besseren Shows. Neue Entertainer gibt es reichlich auf dem Gebiet, Lernstoff ist gut vorhanden. Aus erster Hand: Die Zombie-Schule eröffnet hat Großmeister Romero.

Das Book of the Dead zieht davor seinen Hut, die Elite-Autoren standen stramm. Was für ein Szenario! Romero selbst, – und nicht nur der -, war auf jeden Fall restlos begeistert von dem Ergebnis, zumal er mit derart Gewaltigem so nicht gerechnet hätte.

Ich hatte angenommen, dass nur wenige Leute über herumspazierende Leichen Bescheid wüssten und dass sich die wenigen bedeckt halten würden, wenn man sie darauf anspräche. Ich war erstaunt über die lange Liste der Nekrophilen, die bereit waren, einen Beitrag zu diesem Buch zu leisten. Ich bedaure sehr, dass sich diese tapferen Seelen dem Spott aussetzen, weil sie ihr Wissen über die Dinge jenseits des Grabes preisgeben. Aus Erfahrung weiß ich, dass es Menschen gibt, die sie entweder für verrückt halten oder glauben, sie seien mit dem Teufel im Bund. (….) Sie haben mir das Gefühl gegeben, nicht ganz allein dazustehen.“

(George A. Romero)

Allein? Mit Sicherheit nicht. Wir sind auch noch da. Immer noch da. Und machen, denken, träumen, spinnen, spuken, sehen, lesen weiter.

„Horror ist das, womit wir uns noch nicht abgefunden haben.“

(Ramsey Campbell


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