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Stephen King: The Outsider

Stephen King ist nicht der erste Schriftsteller, der ein Buch Namens „The Outsider“ geschrieben hat. Bevor wir das akzeptieren, müssen wir uns leider wieder einmal über die schlechte Übersetzungsqualität des Heyne-Verlags unterhalten. Es wäre einfach gewesen, den Titel im Original zu belassen, stattdessen zeigt man, dass man mit Sprache nun wirklich nicht mehr umgehen kann. Da wird dann aus „The Outsider“ „Der Outsider“, und jedem Leser, der noch ein bisschen was von Grammatik hält, dreht sich der Magen um. Die Idealform wäre „Der Außenseiter“ oder sogar „Der Fremde“ gewesen. Nun, nicht nur ideal, sondern RICHTIG. Auf die vielen Übersetzungsfehler im Roman gehe ich jetzt gar nicht ein.

Für den Outsider steht (im Original) natürlich Albert Camus Pate, dessen L‘Etranger für viele Autoren Inspiration war. Die englischsprachige Wikipedia übersetzt diesen Titel mit „The Stranger“, der Penguin-Verlag aber weiß den französischen Titel besser zu deuten, nämlich mit „The Outsider“.

Auch Colin Wilson wurde von Camus inspiriert, dessen Buch „The Outsider“ eine zutiefst persönliche kritische Wertschätzung des entfremdeten Helden in der Literatur ist.

Wilson dachte bei seinem Werk an Camus, Dostojewski und Sartre, aber auch an sich selbst. Tagsüber arbeitete er in der British Library, nachts schlief er in einem Park im Norden Londons, getrennt von seiner Familie, seiner Freundin und jeglichem Sinn für kreative Arbeit. Was als Tagebuch begann, wurde zu einem fragmentierten Versuch, herauszufinden, warum er sich vom Rest der Gesellschaft völlig abgeschnitten fühlte, und warum ihn ein innerer Zwang in die Position der Isolation gezwungen hatte.

Es ist also nicht Camus, sondern Wilson, den King mit seinem Titel zitiert, obwohl er das nicht explizit benennt, sondern lieber ein Zitat aus Wilsons „Das Reich der Blinden“ vor das erste Kapitel anfügt:

„Das Denken verleiht der Welt einen dürftigen Anschein von Ordnung, falls man so schwach ist, sich von seinem Schauspiel überzeugen zu lassen.“

Wilson könnte mit diesen Worten genau auf Kings Werk abzielen, das im Laufe der Zeit zu mehr als 70 Romanen und unzähligen Kurzgeschichten angewachsen ist, in denen er uns davon überzeugt, dass die alltägliche Oberfläche der Welt (bestehend aus Marken, Autos, Schule, Arbeit, Beziehungen) wilde Dämonen verbirgt, die unsere Körper und Seelen verschlingen wollen.

The Outsider ist einer von Kings wachsendem Repertoire an Kriminalromanen, aber er bearbeitet diese Gattung auf seine eigene Weise.

Terry Maitland ist der Hauptverdächtige bei der grausamen Folterung, Vergewaltigung und Ermordung des elfjährigen Frederick Peterson. Seine DNA und sein Blut sind überall am Tatort zu finden, und auch in dem Van, in dem der Täter und das Opfer am Tag des Verbrechens zusammen fuhren.

Die Polizei – unter der Leitung von Detective Ralph Anderson – ist so überzeugt, den richtigen Mann zu haben, dass sie ihn vor den Augen der Zuschauer bei einem Baseballspiel verhaftet. Jegliche Bedenken, die Anderson vielleicht hegen könnte, werden durch die schiere Wut über die Grausamkeit des Verbrechens beiseite gewischt, was dazu führt, dass niemand versucht, vorher mit dem Verdächtigen zu sprechen oder nach einem Alibi zu fragen.

Und das wird zum Bumerang. Zumindest für Anderson und Staatsanwalt Bill Samuels, denn in dem Moment, da Peterson getötet wurde, war Maitland viele Meilen entfernt in Cap City. Zuverlässige Zeugen können das bestätigen, außerdem ist er auf mehreren Bändern von Überwachungskameras zu sehen und – nicht zuletzt in Fernsehaufnahmen der Veranstaltung, die er besuchte, eine Buchlesung des Autors Harlan Coben. An einer Stelle ist sogar zu sehen, wie er dem Autor eine Frage stellt.

Abgesehen davon findet man auch in Cab City seine Fingerabdrücke auf einem Buch, und somit den gleichen forensischen Beweis, der ihn im Grunde des Mordes in Flint City überführen sollte.

Diese Ausgangssituation liest sich wie das Überbleibsel aus dem Goldenen Zeitalter des Kriminalromans, als Autoren wie Agatha Christie ihre Kicks davon bekamen, sich aus unmöglichen Szenarien zu befreien.

King arbeitet hier brillant und in seinem eigenen unnachahmlichen Stil. Als der Zeuge Jonathan Ritz den Schrecken beschreibt, der ihn überfiel, als er Petersons Körper fand, bringt King die Spannung durch Exkurse in dessen Ehe und Erinnerungen an die High School (und seinen Spitznamen „Ritz Cracker“ in Schwung. Hier liegt Kings Modus Operandi auf ein paar Seiten vor uns: Den Leser durch sanftes Erzählen in falscher Sicherheit wiegen, um ihm dann mit einer Bosheit in den Rücken zu stechen, die jegliches Verständnis übersteigt.

Was dem Rätsel des Außenseiters emotionale Tiefe verleiht, ist nicht der Mord, sondern der Mörder. Maitland ist ein Eckpfeiler in einer enggesteckten Gemeinschaft, nicht nur ein Lehrer, sondern auch ein Baseballtrainer für Generationen von Jungen. Die Brutalität des Verbrechens ist nur der Anfang von Maitlands scheinbarer Übertretung; er hat das Vertrauen aller verraten, die er kannte und die ihm vertrauten. Oder hat er das etwa nicht?

Solide realistisch

Wir haben hier ein erstklassiges Beispiel für Kings charakteristische Technik, soliden realistischen Stil und glaubwürdige Charaktere mit verstörend schaurigem Horror zu verbinden.

Wer Kings Krimi-Trilogie über den pensionierten Polizeidetektiv Bill Hodges, Mr. Mercedes, Finderlohn (Finders Keepers) und Mind Control (End of Watch) gelesen hat, wird in The Outsider vertraute Elemente wiederfinden. Abgesehen von einem anfänglich unerklärlichen Verbrechen hat dieses Buch eine ähnliche Hauptfigur. Ralph Anderson ist immer noch als Detective bei der Polizei von Flint City tätig, und er ist einer derjenigen, die die Entscheidung treffen, Terry mitten in einem Spiel der Little League zu verhaften, vor einer Menge von Zuschauern, zu denen auch seine Frau Marcy und ihre beiden kleinen Töchter gehören.

Es ist eine Entscheidung, die Ralph später bereuen wird, die aber zum Teil auch aus purer Emotion getroffen wird – sein eigener Sohn ist einer der Jungen, die Terry in der Little League trainiert hat, und der Zustand von Frank Petersons Leiche erschüttert Ralph bis ins Mark.

Die Geschichte dahinter

Der Mythos von El Cuco hat seinen Ursprung in Portugal und Galizien, ist aber auch in vielen Ländern Amerikas sowie in Portugal und Spanien noch vorhanden. Er wurde als Mittel eingesetzt, um Kinder, die sich nicht benehmen, in Schlafliedern und Reimen zu beschimpfen.

Ähnliche Mythen gibt es auch anderswo auf der Welt, wobei verschiedene Regionen und Kulturen die Überlieferungen prägen. In der germanischen Folklore nennte man ihn den Butzemann. Tausende von Variationen, alle mit einer ähnlichen Grundlage: eine amorphe Kreatur, die das Gesicht oder die Gestalt von allem annehmen kann, was sie sein will, um ein Kind zu erschrecken.

Sein Auftreten ist weniger unheimlich als sein Modus Operandi. El Cuco gilt als Kinderfresser und Kidnapper, eine Art Verkörperung des Teufels. Das Besondere an diesem Monster ist, dass es seine Gestalt wechselt, und zwar in der Regel in die, die das Kind am meisten fürchtet.

Das Konzept der Gestaltwandler ist uns schon in Stephen Kings ES begegnet, wo das Monster in der Regel die Gestalt annahm, vor der man sich am meisten fürchtete. Ähnlich wie ES, das von der Angst lebte, die sogar noch wichtiger war als das Töten der Kinder, lebt El Cuco von der Trauer, weshalb es nach den Verbrechen in der Nähe bleibt, um in den Gefühlen zu baden, die es verursacht hat.

Als die Kreatur in einem Traum Maitlands jüngster Tochter erscheint, erklärt sie, dass er es gut findet, dass sie weint. Indem es einen der angesehensten Bürger der Gemeinde zusammen mit seiner ganzen Familie in diesen grausamen Mord hineinzieht, erschüttert es die eigentliche Säule der Rechtschaffenheit und des guten Glaubens der gesamten Gemeinde, was noch weitaus katastrophalere Auswirkungen hat.

Die Gestaltwandlung ist ein wiederkehrendes mythologisches Thema, das im Totemismus und Schamanismus vorkommt und in den Volksmärchen als Privileg der Götter und Dämonen das ganze Mittelalter hindurch weiterlebt.

Eine vollständige Formveränderung, wie sie von der im Roman vorkommenden Kreatur vorgenommen wurde, ist bis in die genetische und zelluläre Struktur möglich, was die DNA-Beweise, die Fingerabdrücke und die visuelle Ähnlichkeit erklärt. Bei weiteren Untersuchungen stellt sich heraus, dass der gestaltwandelnde Dämon tatsächlich die Hände derjenigen zerkratzt hat, deren Gestalt er annehmen wollte.

The Outsider wirft einige Fragen auf, die unbeantwortet bleiben. Wie viel von dem, was wir über das Universum für selbstverständlich halten, ist unbestreitbar? Wie viele verborgene Realitäten sind uns nicht bewusst? Verpflichten wir uns, nur mit einem faktenbasierten Ansatz durchs Leben zu kommen, oder sollten wir unsere Dogmen in Frage stellen und uns auf Umstände einlassen, die über unser Verständnis hinausgehen?


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