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Stephen King: Später

„Später“ ist mittlerweile der dritte Roman, den Stephen King für den Spezial-Verlag Hard Case Crime geschrieben hat. Dieser Verlag lässt den Stil der Pulp-Taschenbücher der 40er und 50er Jahre erneut aufleben und ist im Grunde spezialisiert auf Hardboiled-Krimis, die zu dieser Zeit hoch im Kurs standen, hat sich also zur Aufgabe gemacht, die Lebendigkeit, die Spannung und den Nervenkitzel des goldenen Zeitalters der Taschenbücher wiederzubeleben.

Es versteht sich von selbst, dass die dort erscheinenden Bücher ein phantastisches Coverartwork haben, bei uns ist davon natürlich nichts zu sehen.

Tatsächlich handelt es sich um einen Kriminalroman, aber mit übernatürlichem Einschlag.

Kings Werk hat nicht nur die zeitgenössische Literatur, sondern auch die Populärkultur nachhaltig geprägt; es kann gar nicht oft genug wiederholt werden, wie sehr King die Literatur als Ganzes verändert hat. Seine Leistung hat er also mehr als erbracht, und es scheint so, als befände er sich gegenwärtig im Stadium der Kür. Es wäre erstaunlich, hätte King nicht ebenfalls seinen Beitrag zur amerikanischen Kriminalliteratur geleistet, eben jener Hardboiled-Strömung, die als „hart“ und „unsentimental“ beschrieben werden kann. Kombiniert man King mit dieser Strömung, so erhält man die Geschichte von „Später“, die zu gleichen Teilen Krimi wie übernatürlicher Horror ist.

Later
Originalcover von Hard Case Crime

Die Geschichte wird von Jamie Conklin erzählt, der eine Reihe von Ereignissen niederschreibt, die ihm in seiner Kindheit widerfahren sind. Von Geburt an besitzt er die Fähigkeit, Tote zu sehen und mit ihnen sprechen zu können. Auf diese Fähigkeit wird eine in Ungnade gefallene Polizistin aufmerksam, die seine Dienste in Anspruch nimmt, um einen toten Terroristen zu fragen, wo er seine letzte Bombe versteckt hat. Und das ist nur der Anfang von Jamies Problemen.

Obwohl das Buch mit seinen 300 Seiten sehr kurz ist, könnte der Anfang, die Mitte und das Ende als lose verbundene Kurzgeschichten funktionieren. Jedes Ereignis in Jamies Leben ist eine Erkundung seiner Fähigkeit, mit Geistern sprechen zu können. Sein Leben bezeichnet er rückblickend scherzhaft als eine Geschichte von Dickens, nur mit Kraftausdrücken.

Schlägt man ein Buch von King auf, erwartet man von Beginn an eine hohe Qualität und natürlich wird „Später“ dieser Erwartung gerecht, wenn auch der Übersetzer Bernhard Kleinschmidt nicht immer Sattelfest ist (Beispiele könnten jetzt zwar folgen, aber das würde den Sinn dieses Artikels in einer andere Richtung bewegen). Krimis dieser Art lesen sich in den meisten Fällen formelhaft; der alkoholkranke Detektiv oder Privatermittler, der sich nicht an Regeln hält, die Femme Fatale, das düstere, grimmige Setting usw. Kings Beitrag ist hingegen eine erfrischende Variante. Der Protagonist ist kein Experte auf seinem Gebiet – er ist ein Kind mit übernatürlichen Fähigkeiten (und niemand in der Weltliteratur kann besser aus der Sicht eines Kindes schreiben als King). Die Femme Fatale ist nicht irgendeine Frau, die mit einem unwahrscheinlichen Heiratsantrag ins Büro stolziert – Lizzy Dutton ist eine Frau, mit der die Hauptfigur eng verbunden ist, und sie unterläuft die traditionelle Trope der souveränen Detektivin. Der Schauplatz ist nicht irgendeine düstere Version einer Stadt – er ist in der Realität angesiedelt.

Für langjährige King-Fans gibt es einige Passagen, die eindeutig an den Rest seiner Geschichten anknüpfen und sich nahtlos in sein Multiversum einfügen. Irgendwann im Buch begegnet Jamie einem dämonischen Geist, mit dem er das aus ES bekannte „Ritual von Chüd“ durchführt (wo Bill Denbrough vom Club der Verlierer in der Bibliothek darüber liest. Hierbei bissen sich die Gegner gegenseitig in die Zungen und erzählten sich Witze, bis einer der beiden lachte und verlor. Nur auf diese Weise könne man einen Gestaltwandler für 100 Jahre vertreiben.) Außerdem fühlt sich der Terrorist in dieser Geschichte wie eine Version des Mülleimermannes aus „The Stand“ an.

„Später“ ist ein unbestreitbar fantastischer Roman, der eine Mischung aus besonderen Tropen des Krimi-Genres und Stephen Kings berühmtem Stil ist. Obwohl es keineswegs zu seinem Hauptwerk gehört, ist es eine schöne Weiterentwicklung jenseits der starren Formalitäten, die in vielen Krimis vorherrschen.


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