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„Scheiße, Mann, ich bin der geborene Killer!“

Im Frühsommer 1959 starb Charles Raymond Starkweather. Ein Serienmörder. Starkweather war einundzwanzig, als er in Nebraska auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Da war sein großes Idol James Dean bereits vier Jahre tot. Und François Truffaut drehte Sie küssten und sie schlugen ihn mit Jean-Pierre Léaud als Junge Antoine, der sich seine Welt besser denkt und gegen all das da draußen still rebelliert. Mag man das jetzt nachvollziehen können oder stirnrunzelnd darüber hinwegsehen, aber das Bild von diesem trotzigen Antoine taucht auf, wenn von der traumatisierten Kindheit der Mörder die Rede ist, die Revoluzzer in ihrem eigenen sinnverdrehten Krieg spielen. Eine erbärmliche Rolle. Keine Truffaut-Rolle.

Starkweather inspirierte Filmemacher und Autoren. In Natural Born Killers mit Woody Harrelson als Mickey Knox und Juliette Lewis als Kit Carruthers sagt Mickey: „Scheiße, Mann, ich bin einfach der geborene Killer.“ Kit schultert das Gewehr, spuckt auf seine Stiefel, weiß, dass er nicht weiß, was er tut, was sie tun, und tötet. Wie er tötet. Wie sie gemeinsam töten. Lachend. Spielerisch leicht und eiskalt.

Stephen King sammelte als Kind Zeitungsberichte über Starkweather. Da war dieser morbide Charakter eines blutjungen Mörders, so ohne Gewissen, ohne Hemmungen, mit geradezu schnodderiger Gleichgültigkeit behaftet, der King, den ewigen Beobachter des Bösen, fesselte. In The Stand taucht „ein rothaariger o-beiniger Junge namens Charles Starkweather“ als Schulkamerad des dubios dunklen Randall Flagg auf.

In Badlands – Zerschossene Träume, stellt Martin Sheen den jungen Mörder Starkweather dar. Er sagt: „The more I looked at people, the more I hated them.“

Spielerisch leicht und eiskalt

Hass auf alles und jeden. Das passt durchaus. Bei Starkweather, unspektakulär in einer kinderreichen, recht mittellosen Familie aufgewachsen, waren es anfangs Spott und Hänseleien während der Schulzeit, die ihn zornig machten. Seiner Einfältigkeit setzte er Körperkraft entgegen. Er war ein guter Sportler. Er verprügelte seine Mitschüler, schlug weiter zu, wenn es längst genug war. Er war der wahnsinnige Schläger, vor dem die anderen Angst hatten. Gleichzeitig imitierte er optisch immer mehr Hollywoods jungen Star-Rebellen: Er kleidete sich wie er, posierte, rauchte, blickte wie er: So suchend. Irritiert. Aufmüpfig. Fighter ohne Grund. So einer, so was wie James Dean. So ungefähr. So gedacht.

So verdammt falsch gedacht. Starkweather fühlte sich der verlorenen , der im Stich gelassenen Generation zugehörig, ohne dass er es jemals hätte erklären, in Worte fassen können. Und Teil dieser Generation zu sein bestätigte ihn in dem Irrglauben, sich seine eigene Moral schaffen zu können. Eine, die keine ist.

Eigene Moral, die keine ist

Mit sechzehn verließ Starkweather verließ die Schule mit sechzehn, jobbte als Gelegenheitsarbeiter, zog von zuhause aus, konnte die Miete nicht zahlen…und wurde erstmalig zum Killer, weil der junge Tankwart Robert Colvert sich weigerte, ihm einen Stoffteddy auf Kredit zu geben, den er seiner erst dreizehnjährigen Freundin Caril schenken wollte. Starkweather tobte vor Wut. Noch in der gleichen Nacht fuhr er bewaffnet zu der Tankstelle zurück, raubte sie aus, entführte Robert Colvert und erschoss ihn an einer abgelegenen Stelle.

Sein erster Mord. Leicht von der Hand gegangen. So leicht, dass er nur kurz darauf Carils Mutter Velda und ihren Stiefvater nach einem Streit in deren Haus tötete. Er erstach auch die kleine Halbschwester Betty Jean. Die Leichen schleppte er nach draußen, Mutter Velma in die Hoftoilette, Stiefvater Marion Bartlett in den Hühnerstall, und das Baby warf er in den Müll. Caril Fugate, so irritierend kindlich, so grotesk und schwer verliebt und selbst mit wenig Intelligenz, dafür mit erstaunlicher Abgebrühtheit gesegnet, kam von der Schule nach Hause, sah das Furchtbare, wischte eifrig das Blut weg und blieb bei ihm.

Und dann? Irgendwie Alltag, irgendwie kleine heile Welt suchen. Die darauffolgenden Tage verbrachten die beiden gemeinsam in Carils Elternhaus und öffneten die Tür nicht. Besucher wurden fortgeschickt mit der Erklärung, alle hätten die Grippe. Die Großmutter wurde misstrauisch, schaltete die Polizei ein. Als die eintraf, waren Charles und Caril bereits verschwunden und auf dem Weg zum Haus eines langjährigen Freundes der Starkweathers, August Meyer, zweiundsiebzig, Junggeselle, der sie ahnungslos hereinbat. Sie erschossen Meyer, legten die Leiche in einer Hütte ab und zogen mit seinen Gewehren weiter.

Es war alles noch nicht genug, nicht vorbei, nicht wirklich im Kopf angekommen: Zwei Teenager, Robert Jensen und Carol King, waren die nächsten Opfer. Robert nahm die beiden „Tramper“ Fugate und Starkweather in seinem Auto mit. Er wurde mehrmals in den Kopf geschossen, seine Beifahrerin Carol durch Messerstiche getötet.
Fugate und Starkweather fuhren in einen der wohlhabenderen Stadtteile, die Charles aus seiner Kurz-Episode bei der Müllabfuhr kannte, und drangen in das Haus der Eheleute Ward ein. Clara Ward zwangen sie, ihnen ein Frühstück zu servieren, bevor sie erstochen wurde wie auch das Hausmädchen Lilian. Sie warteten, bis der Ehemann auftauchte, ermordeten ihn und flüchteten in seinem schwarzen Packard bis Wyoming. Endstation.

Voller Wut und Hass auf alles

Längst wurden sie gejagt, über 1200 Polizeibeamte und die Nationalgarde waren hinter ihnen her. Unterwegs erschossen sie noch den Geschäftsmann Merle Collison. Warum auch er sterben musste, scheint fast überflüssig gefragt zu sein: Da war kein Grund. Es gab nie einen Grund. Es gab nur Charles Starkweather: So dumm, so böse, so kaltschnäuzig, so voller Wut und Hass auf alles. Kein James Dean. Nur ein billiger Abklatsch aus dem finsteren Irgendwo.

Der schaurig stumpfe Schatten des Killers war Caril Fugate: Genauso grenzenlos dumm. Sonst nichts. Immerhin zeigte sie eine Spur von Gerissenheit, als sie bei der Festnahme in Wyoming behauptete, Charles hätte sie als Geisel genommen, mit der Blutspur hätte sie nichts zu tun. Tatsächlich bestätigte Starkweather das zu Beginn der Verhandlung, bezeichnete sie aber als Lügnerin, als sie ihn Mörder nannte. Ein gewöhnlicher Mörder? Nein, war er nicht.

Carol konnte das Gericht keineswegs mit ihren lächerlichen, unreifen Unschuldsbeteuerungen überzeugen. Allein ihr Alter rettete sie vor der Todesstrafe. Sie bekam lebenslang, wurde nach achtzehn Jahren Haft entlassen und nahm einen anderen Namen an. Starkweather wurde nach seinem Tod auf dem elektrischen Stuhl, – elf Morde in kürzester Zeit konnten ihm nachgewiesen werden – , in seiner Heimatstadt Lincoln, Nebraska, begraben.

Großes Kino, große Show: Die Geschichte von unreif verstandener Liebe und extremer Gewalt als Aufputschmittel für die Leere im Kopf verarbeiteten Terrence Malick (Badlands, 1973) und Oliver Stone (Natural Born Killers, 1994) im Film. Hätte Charles Starkweather wohl irgendwie gefallen. Warum? Hätte er nicht sagen können. Vielleicht hat das Ganze Spaß gemacht. Irgendwie. Einen ganz und gar abartigen Spaß. Aber eben Spaß. Immerhin.

Bruce Springsteen singt es in seinem Lied Nebraska.

We had fun for a while. In bester böser Erinnerung an…? Eben. An finsterste Abartigkeit.

I saw her standin‘ on her front lawn just twirlin‘ her baton
Me and her went for a ride sir and ten innocent people died

From the town of Lincoln Nebraska with a sawed off .410 on my lap
Through to the badlands of Wyoming I killed everything in my path

I can’t say that I’m sorry for the things that we done
At least for a little while sir me and her we had us some fun…
(ursprünglicher Titel:

Starkweather)


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