Ein Film. Genre mal zweitrangig. Zauberlandkulisse, von Sonne, Wind und Lust geküsst. Zwei junge, hübsche Frauen in knapp sitzenden Bikinis liegen am Strand. Eine Urlaubsbekanntschaft unter Paaren, die beiden Männer sind anderweitig beschäftigt. Gina, die Blondine raucht einen Joint und beschreibt ihr wildes, verrücktes Leben.
Cidney, die Dunkelhaarige, frisch verheiratet und just in den Flitterwochen, blickt verträumt und sagt: „Ich wünsche mir für die Zukunft einfach nur Kinder, ein Häuschen mit Garten, selbstgebackenen Kuchen im Ofen. Das ist für mich Glück pur.“ Gina schüttelt amüsiert den Kopf. „Glück ist relativ und im Regelfall bigott.“ Sie erzählt vom Pfarrer in ihrer Heimatstadt, den alle gerade heraus geliebt hätten.
„Ein rundum großartiger Mann“, sagt sie, „auf den niemand etwas hätte kommen lassen. Bis sich herausstellte, dass er kleine Jungs mochte. Seitdem muss mir niemand mehr etwas von heiler Welt erzählen.“ Sie grinst ironisch, sieht Cidney abwartend an. Die schweigt. Dreht spielerisch an ihren langen Locken. Dann sagt sie:
„Der erste Junge, der mich glücklich gemacht hat, war Rocky, der bei uns im Ort gegenüber wohnte. Den meisten war er nicht geheuer, er galt als Sonderling. Aber ich habe erkannt, wie er wirklich war. Ich habe mich in ihn verliebt. Und er sich in mich. Wir fuhren in seinem Auto hinunter zum See, es war so wunderschön. Er war so zärtlich. Ich war selig. Mein erstes Mal…und später dann, – ich lag schläfrig in seinen Armen -, wies er aus dem Fenster und meinte leise, ich solle doch mal schauen…“
Meinte leise, schau‘ doch mal…
Bis zu dieser Stelle darf freundlich genickt, verständnisvoll gelächelt, verstohlen gegähnt oder ernsthaft überlegt werden, ob es sich lohnt, weiterzulesen. Frage ergo: Kommt da noch was?
„…und meinte, ich solle doch mal schauen, was er da in den Baum gebunden hätte. Ich sah den toten Labrador unserer Nachbarn, die Zunge hing aus seinem Maul, die Augen waren fürchterlich verdreht. Rocky hatte ihn mit einem Seidenstrumpf am Hals aufgeknüpft und ihm beim Sterben zugesehen. Ich starrte nur hin, und er sagte ganz ruhig, ich würde mir raten, das Ganze für mich zu behalten, sonst würde er mich eiskalt umbringen.“
Unnötig jetzt, diese verblüffende Abkehr von der normalen Wanderroute zu kommentieren. Irgendwie reicht es, vor dem Erfinder der bösen Idee, der einen so plötzlich mitten im netten Gespräch (ist sinngetreu, nicht wortwörtlich zitiert) mit dem Kopf ins Moor tunkt, zumindest ansatzweise respektvoll den Hut zu ziehen. Der Hammerschlag war spürbar. Und wenn der Schmerz ein wenig nachgelassen hat, etliche Filmsequenzen weiter, in denen mental wieder etwas gedümpelt werden konnte, erfolgt unvorbereitet der nächste Guss mit Eiswasser. Cidney ruft ihren Bräutigam, der sich zuvor eher pazifistisch-intellektuell und vor allem ordentlich bodenständig präsentiert hatte:
„Rocky! Wo steckst Du? Rocky!“
Da schluckt man denn doch, vernünftig hartgesotten oder nicht, da denkt man, na, jetzt aber…Rocky, der Tierquäler! Mörder! Nicht Drehbuchautor Cliff, als der er sich im Vorfeld vorgestellt hat, sondern der potenzielle (und tatsächliche) Killer, als der er sich letztendlich entpuppt in A perfect Getaway (2009, Regie: David Twohy). Der Psychothriller, – auf der hawaiiianischen Insel Kauai kreuzen sich die Wege von drei Paaren, eins davon ist brandgefährlich, es tötet, um falsche Identitäten anzunehmen, (noch) verbleibende Frage: welches? – , punktet vor allem damit, dass ganz unvorbereitet die Schock-Krallen ausgefahren werden. Dass die am solidesten und normalsten wirkenden Akteure die blutrünstigen Jäger sind, erfährt man schleichend. So was haut natürlich extrem gekonnt um. Und macht, was Idee und Technik betrifft, fast neidisch. Da reizt der Gedanke ungemein, so erzählen zu können, als würde man seinen Zuhörer lächelnd den Hund streicheln lassen und den dann ohne Vorwarnung auf ein dezentes Kommando hin auf ihn hetzen. Das wäre eine Kunst für sich. Ist eine Kunst, genau genommen. Wenn es, er, sie aus beinahe heiterem Himmel knurrt und beißt.
Könnte man üben. Kann aber nicht jeder.
Und ganz unter uns:
Der eine Löwe zieht dem anderen nicht die Zähne.
Klingt harmlos? Ist aber böse.
Entdecke mehr von Phantastikon
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Be First to Comment