Das „Final Girl“ ist eine zentrale Figur im Horrorfilm, insbesondere im Slasher-Genre. Sie ist die letzte Überlebende, die sich dem Mörder stellt, ihn besiegt oder zumindest überlebt. Ihre Ursprünge gehen auf Mari Collingwood in Wes Cravens kontrovers diskutiertem Film The Last House on the Left (1972) zurück, doch erst mit Laurie Strode in John Carpenters Halloween (1978) erlangte diese Trope Bekanntheit und popkulturelle Bedeutung.
Laurie Strode, gespielt von Jamie Lee Curtis, ist eine Highschool-Schülerin, die in der Halloween-Nacht unfreiwillig mit dem maskierten Killer Michael Myers konfrontiert wird. Während ihre Freunde den Abend mit Partys und Romanzen verbringen, übernimmt Laurie verantwortungsvoll das Babysitten. Dadurch bleibt sie wachsam, was ihr schließlich das Leben rettet. Curtis stellt Laurie als höflich, ruhig und ehrgeizig dar, auch wenn sie sich gelegentlich mit einer Freundin einen Joint gönnt. Weder ihre Jungfräulichkeit noch ihr Verhalten seien bewusst als Schutzmechanismen angelegt, so Carpenter und seine Co-Autorin Debra Hill. Vielmehr dient Lauries Konzentration auf ihre Umwelt als praktischer Überlebensvorteil.
In den späteren Fortsetzungen, wie Halloween (2018), sehen wir eine ältere, vom Trauma der Ereignisse gebrochene Laurie, die jedoch nicht aufgibt. Sie wird als moderne Final-Girl-Version dargestellt: stärker, strategischer und vorbereitet auf die Rückkehr ihres Peinigers. Diese Entwicklung unterstreicht den Einfluss, den die Figur auf das Genre hatte, und bietet weiblichen Zuschauerinnen eine Identifikationsfigur, die nicht nur Opfer ist, sondern aktiv zurückschlägt.
Ein weiteres ikonisches Beispiel für das Final Girl ist Nancy Thompson (Heather Langenkamp) aus Wes Cravens A Nightmare on Elm Street (1984). Nancy wird in ihren Träumen von Freddy Krueger verfolgt, einem Mörder mit verbranntem Gesicht, der seine Opfer in ihren Albträumen attackiert. Wie Laurie ist Nancy intelligent, strebsam und bereit, den Kampf aufzunehmen. Sie entwickelt kreative Strategien, um Freddy zu besiegen, und setzt sogar ihre Fähigkeit ein, andere in ihre Träume zu ziehen. Diese Cleverness und ihre spätere Rückkehr als Traumforscherin in der Franchise macht Nancy zu einer Figur, die nicht nur überlebt, sondern auch wächst und ihre Erfahrungen einsetzt, um anderen zu helfen.
Die 1990er Jahre brachten mit Sidney Prescott (Neve Campbell) aus Wes Cravens Scream eine neue Art von Final Girl. Sidney, die von einem Killer namens Ghostface verfolgt wird, zeigt, dass das Final Girl nicht mehr jungfräulich sein muss, um zu überleben. Obwohl sie mit ihrem Freund intim wird, überwindet sie alle Hürden und wird zur zentralen Figur der Scream-Reihe. Sidneys Charakter verbindet emotionale Tiefe – sie hat den Verlust ihrer Mutter durch einen Mord erlitten – mit Stärke und Entschlossenheit. Die Scream-Reihe modernisierte die Regeln des Horrors und reflektierte gleichzeitig die Erwartungen und Klischees, die das Genre begleiteten.
Neuere Filme wie Happy Death Day (2017) und Hush (2016) experimentieren mit dem Final-Girl-Trope. In Happy Death Day wird Tree Gelbman (Jessica Rothe), eine anfangs unsympathische und feierfreudige Studentin, in einer Zeitschleife gefangen. Jeden Tag wird sie von einem maskierten Mörder verfolgt und gezwungen, ihr Leben neu zu bewerten. Sie entwickelt sich zu einer selbstbewussten, kämpferischen Heldin, die sowohl den Mörder als auch die Ursache der Zeitschleife entschlüsselt. In Hush hingegen wird Maddie (Kate Siegel), eine gehörlose Frau, von einem Eindringling in ihrem abgelegenen Haus terrorisiert. Ihr vermeintlicher Nachteil wird zu einer Stärke, da sie durch ihre Gehörlosigkeit strategisch und unberechenbar agiert, was dem Film eine außergewöhnliche Dynamik verleiht.
Carol J. Clover analysierte diese Trope erstmals 1992 in ihrem Buch Men, Women, and Chain Saws: Gender in the Modern Horror Film. Sie definierte das Final Girl als moralisch überlegene, sexuell zurückhaltende Überlebende, die die Zuschauer dazu bringt, ihre Sympathien von der männlichen Perspektive – oft die des Killers – auf die weibliche zu verlagern. Während Clovers Definition in den 1980er Jahren noch zutraf, hat sich das Final Girl mit der Zeit gewandelt. Moderne Interpretationen sind vielfältiger, erlauben Sexualität und brechen mit alten Klischees. Dennoch bleibt die Figur oft weiß, cis-geschlechtlich und aus der Mittelschicht – eine Diversifizierung steht noch aus.
Die Debatte darüber, ob das Final Girl eine feministische Figur ist, bleibt bestehen. Zwar zeigt sie weibliche Stärke und Überlebenswillen, doch oft wird diese Stärke durch männliche Standards definiert, wie die Aneignung phallischer Waffen (Messer, Kettensäge). Trotz dieser Kritik bietet das Final Girl eine faszinierende Perspektive auf die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen im Horrorfilm. Es steht als Symbol für Überleben, Widerstand und weibliche Macht – unabhängig davon, ob es höflich, kämpferisch oder fehlerhaft ist.
Ob Laurie Strode, Sidney Prescott oder Maddie aus Hush – jede Final-Girl-Figur spiegelt die Zeit und die Gesellschaft wider, in der sie entstanden ist. Ihre Geschichten inspirieren und zeigen, dass selbst in den dunkelsten Momenten Stärke und Widerstandskraft triumphieren können.
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