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James Dean: Der Jahrhundertseufzer

James Dean war, ist ein Phänomen. Ein Jahrhundertseufzer. Der Jahrhundertrotz. Ein Bildhauer, der seine eigene Statue geschaffen hat, ohne sie jemals ausstellen zu wollen, um sie begaffen zu lassen. Aber die ganze Welt hat sie gesehen. Und hat entschieden, dass sie hier und dort und überall stehen bleibt wie ein Berg, der tausend Jahre steht und weitere tausend stehen wird. Einmalig. Unveränderbar. Auf ewig der gleiche Berg.

Elvis Presley, selbst ein Gott auf Erden, vergötterte ihn. Die Luft, die geatmet wird in Denn sie wissen nicht, was sie tun, war auch seine Luft. Jim Stark der tote Bruder. Vielleicht. James Dean die Seele, der Schrei, die Wut, die Sehnsucht einer ganzen Generation. Unvergleich. Never again.

Über seine Rolle als Jim Stark sagte Dean nach Beendigung des Films:

Soviel von mir selbst kann ich nie wieder geben.“

Das war kein spezieller Stil, kein Spiel, keine Show. Keine Überheblichkeit. Viel eher ein schlichtes und zugleich tiefgreifendes Bekenntnis.

Erster Guerilla-Künstler des Films

James Dean, der schöne Revoluzzer, den Dennis Hopper (Easy Rider, 1969) „ersten Guerilla-Künstler des Films“ nannte, zeigte Seele. Eine, die Seelen wie meine immer noch so ungestüm, gleichsam so scheu, verwirrt, verträumt und erstaunt küssen könnte. Das hat nichts damit zu tun, wann ein Werk gedreht wurde, welche Mode, welche Leidenschaften, Sichtweisen und Sorgen es geprägt haben. Die Zeit erzählt. Wir hören zu. Werfen einen Blick auf das alte Amerika. Wir befinden uns im L.A. der 1950er Jahre. Wir können uns dort zurechtfinden. Weil wir Furcht und Hoffnung und Phantasie haben. Weil wir so was Authentisches wie Greasy Lake kennen, ohne dabei gewesen zu sein:

„Damals waren wir alle gefährliche Burschen. Wir trugen zerrissene Lederjacken und lungerten mit Zahnstochern im Mund herum (…) Wenn wir die jaulenden Kombis unserer Eltern auf die Straße jagten, hinterließen wir einen Streifen Gummi von der Länge eines halben Häuserblocks. (…) Wir waren neunzehn. Wir waren böse. Wir lasen André Gide und nahmen ausgeklügelte Posen ein, um zu zeigen, dass wir auf alles scheissen.“ (T.C. Boyle)

Anders sein. Mürrisch. Widerspenstig. Finster. Unrasiert mit zerzaustem Haar, die Jeans ausgeblichen, der Blick trotzig. Im Kopf das Wissen für die Nachwelt reserviert, ohne Anzug, ohne Etikette klüger gewesen zu sein. Recht gehabt zu haben. Bloß kein everybody’s darling. Das passte zum böse sein. Passte zu James Dean, dessen erster Film, Jenseits von Eden (1955), ihn bereits derart populär als den jungen schönen Wilden gemacht hatte, dass der deutsche Filmvertrieb bei seinem zweiten gleichsam auf Bibelzitate schwor: Aus „Rebel without a cause“ (Originaltitel) wurde …denn sie wissen nicht, was sie tun (Lukasevangelium), und aus einer für heutige Verhältnisse recht unspektakulären Geschichte, tausendmal erzählt und nie geändert, wurde ein Welterfolg. Flüchtig registriert wohl von den ungnädig Spätgeborenen, die gönnerhaft die Film-Jahrzehnte vor dem Millenium streifen und sich im Mittelalter wähnen, wenn der Löwe zu oft brüllt.

Tausendmal erzählt, nie geändert

„Der Lack ist ab.“ Sagt Cinema. Und irgendwie stimmt das ja auch. Natürlich ist man irgendwann an der Reihe. Bei wem blättert noch alles ab, wer ist lädiert, überholt, weggedacht, ermordet worden oder im Schlaf gestorben? Holden Caulfield. Metropolis. Humphrey Bogart. 1984. Ich im Ansatz. Du vermutlich auch. Ihr sowieso. Sei denn, jene Wertschätzung und Vorstellungskraft und auch jene Sehnsucht nach dem Grenzenlosen lassen es nicht zu, dass jemand die Runde verlässt. Aufsteht, sich verneigt und sagt: „Das war’s. Finito.“ Als ob das so sein müsste. Muss es nicht. Wenn wir Kult und Klasse lieben, praktizieren wir diese Liebe konsequent und kompromisslos. Wir spielen das nicht. Und überhaupt:

„Wenn du eine Zigarette rauchst, dann rauche sie. Tu nicht so, als ob du eine Zigarette rauchst.“ (James Dean)

Dieser unweigerliche Gedanke, es müsse so wohl stimmen, dass James „Jimmy“ Dean exakt dieser Jim Stark gewesen ist, der im Film als vom schwachen Vater und vom eigenen Idealismus enttäuschter, sich gegen spießige Scheinheiligkeit aufbäumender Sohn nur durch Tragik eine tatsächliche Wachsamkeit, Stärke und auch Liebe erfährt…dieser Gedanke hat zweifellos seine Berechtigung.

Dean galt als seltsamer Pendler zwischen immensem Selbstvertrauen und purer Resignation, führte auf ein seiner recht einsamen Sinnreise nächtelange Gespräche mit den Ausgegrenzten, den „Flippigen“, um alles verstehen und gleichsam auf kompromisslose Zustimmung stoßen zu können. Den „poor lonesome Cowboy“, der es auf seine Art ganz allein in die Hände nimmt, unangepasst, zornig, stark beseelt und hilflos, verkörperte er bereits in Jenseits von Eden. Dean war Caleb. Dean war, ist Jim Stark. In diesen beiden Rollen zumindest brauchte er niemand, vor allem sich selbst nichts vorzumachen.

Und wer da heute behauptet, die hätte auch jemand anders spielen können, dann wäre Dean als Irgendwer im völlig vergessenen Irgendwann gelandet, mag zwar ansatzweise richtig liegen. Hätte. Ja. Aber nicht so. Nicht auf diese so echte, so körperlich durchlebte, so typisch und gleichsam fast exotisch gefühlte Art. Nicht so. Wäre es anders gewesen, müssten Hollywoods Geister laut heulen. Stattdessen applaudieren sie schweigend.

Wollen sich selbst die Karten mischen

…denn sie wissen nicht,was sie tun, ursprünglich als B-Movie geplant, – erste Schwarzweiß-Aufnahmen waren schon im Kasten, bevor man sich für großes Kino entschied – , ist das auf Celluloid gebannte Selbstverständnis einer Jugend, die nicht weiter still in der Ecke sitzen möchte, die eifrig und hitzköpfig bemüht ist, es den Vorvätern und Vormüttern auf keinen Fall gleich zu tun. Sie will sich selbst die Karten mischen. Halbstark nannte man sie, unreif, unangeglichen und ungezogen, junge Kerle aus dem Mittelstand der 1950er Jahre, die schnelle Autos und Motorräder fuhren, Rock’n’Roll hörten, nach Tabak und Leder rochen und gierig auf Leben waren. Bloß kein Spießer sein: Das ist alt, das klingt ewig gut, das wiederholt sich. Immer anders, selten besser. Oder doch?

…denn sie wissen nicht, was sie tun, 1990 im „National Film Registry“ aufgenommen, einem Verzeichnis US-amerikanischer Filme, die als besonders erhaltenswert angesehen werden, ist Zeugnis einer speziellen Zeit, die ihren besonderen Ausdruck brauchte. Natürlich. Der Generationenkonflikt war Thema. Man war dafür offen, man wollte stark sein. Nicht mutig genug zwar, um die im Drehbuch fixierte Homosexualität Platos, – Jims Verbündeter im Film, ein Außenseiter, der am Ende sterben muss, um die ganze unausgegorene Illusion noch zu verdeutlichen – , auch tatsächlich zu zeigen. Aber es reichte durchaus. Regisseur Nicholas Ray brachte die Bedürfnisse, Beweggründe, Bilder einer ihren eigenen Stolz suchenden Jugend auf den Punkt: Einer Jugend, die trank, tanzte, trotzte, die irgendwie Recht hatte und irrte.

Für dieses Jahrzehnt, das so fern liegt und fatalerweise Gefahr läuft, dieser so immens angesagten Oberflächlichkeit nicht die Stirn bieten zu können, war …denn sie wissen nicht, was sie tun ein Ausnahmestück. Mit einem Ausnahmeschauspieler, auf dessen Unterlippe eine Zigarettenkippe hing. Der nach einigen Pepsi-Cola-Werbespots 1951 jüngstes Mitglied in Lee Strasbergs berühmtem Actor’s Studio wurde. Der seine eigene Sprache aus Literatur und Jargon erfand, der es liebte, über den Tod zu philosophieren, und der mit vierundzwanzig in seinem 550 Spyder tödlich verunglückte. Der kleine deutsche Sportwagen war bis dahin in den USA noch nicht sonderlich bekannt. Das änderte sich. Temporausch und Nervenkitzel, immer schneller, wilder, freier…Das war James Dean. Das war Jim Stark. Das war und ist (auch) Porsche.

Ein Autorennen ist es letztendlich auch, das die unbeschwerten Revoluzzer im Film kalt erwischt: Jim Stark, der neue Unbequeme an einer Schule irgendwo in einem Vorort von Los Angeles, gerät mit Bandenchef Buzz aneinander und liefert sich mit ihm nach anfänglichem Zögern ein „Chicken Run“: In geklauten Autos fährt man voll Speed auf eine Felsenklippe zu, und wer als erster aus dem Fahrzeug springt, um mit heiler Haut davon zu kommen, gilt als Feigling. Jim springt rechtzeitig heraus, Buzz bleibt mit seiner Jacke am Türgriff hängen und rast in den Abgrund.

Wach gerüttelt: DAS ist nicht der Weg

Dieser sinnlose Tod, so leichtfertig und dumm herbeigeführt, rüttelt wach. Das ist nicht der Weg. Selbstverständlich kann er das nicht sein. Und da schöpft man dann Optimismus, dass sie vernünftiger werden, ohne ihren Idealismus dabei zu verlieren: Wenn zum Schluß Jims zerstrittene Eltern Einsicht und Hoffnung zeigen, wenn Jim sein Mädchen (Judy, Natalie Wood) in den Arm nimmt, wenn alle nach Hause und in sich gehen können.

Es ist eine kurze Geschichte. Es wird gestritten, gequält, gespöttelt, geliebt, es wird geschossen. Gesühnt. Zwei Jungen, Buzz und der kleine Plato, bleiben ohne Zukunft zurück.

Es ist eine endlose Geschichte. Jim Stark lässt weiterdenken. Noch weiter. Und das hätte James Dean auch getan. Wäre er…dann hätte er gesprochen. Für seine Zeit. Für unsere? Man weiß nichts voneinander. Man sagt nichts. Es würde manches schmerzen. Aber es würde befreien.

Er war kein wirklicher Rebell- nicht in dem Sinne, dass er seine Eltern zurückwies oder sagte: „Lasst mich in Ruhe! Ich will mit euch nichts zu tun haben!“ Er sagte eher: „Hört mir zu!“, „Hört mich, liebt mich!“ (Natalie Wood)


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