Schöne Frauen verwelken, der ganze große Rest wird einfach nur alt. Und die Femme Fatale bleibt ein Bild. Ein Blick. Eine Ewigkeit. Unsterblich, weil sie nicht nur diesen einen speziellen Namen hat. Sie heißt Isabelle. Ava. Rita. Greta. Sharon. Pola. Lauren. Gloria. Manchmal auch Lolita. „Wir sind viele“, raunt sie. Faucht, weil sie einzigartig sein will, zieht an der Zigarette, fährt sich durchs Haar, schmeckt den Whisky, träumt sich in die Nacht und malt ihre Lippen an. Und kokettiert mit ihrem Böse-Mädchen-Image, wenn sie sagt:
Die Femme Fatale definiert eine gewisse Unanständigkeit, auch Skrupellosigkeit als notwendiges Muss, wenn man nicht nur überleben, sondern grundsätzlich besser leben will. Sie verfolgt eigennützig ihre Ziele, schreckt nicht vor Täuschung und Betrug zurück. Sie ist Eva. Delila. Pandora. Helena. Circe. Aggrippina. Die Loreley. Sie stilisiert sich selbst zu einer Göttin. Oder lässt sich stilisieren.
Alma Mahler-Werfel (1879, Wien, – 1964, New York), verheiratet in Reihenfolge mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius und dem Dichter Franz Werfel, Geliebte des Malers Oskar Kokoschka und weiterer berühmter Männer, die sich um sie in der Wiener und New Yorker Künstlerszene versammelten, nannte sich selbst die „schöpferische Muse“ jener begnadeten Geister. Unzweifelhaft bewegte sie sich als vielleicht für jene Zeit typische Femme Fatale auf blankem Parkett so stilsicher wie im abgedunkelten Hinterzimmer, von sich selbst überzeugt und besessen, auf den einen bestimmten Nenner gebracht von ihrer Freundin Marietta Torberg:
Die Femme Fatale gilt als zentrale Frauenfigur des amerikanischen Film Noir der 1940er Jahre: Egoistisch, gierig, ehrgeizig, kaltschnäuzig und nichtsdestotrotz sensibel genug, um bei echten Gefühlen die Maske fallen zu lassen. In ihrer Welt mangelt es an Konventionen: Der Tag ist nicht wirklich hell, der Held nicht der starke Mann, die Frau keine liebe Person, das Gesetz löchrig, und Entscheidungen jeglichen Charakters bleiben von Zweifeln überschattet. Und trotzdem: Sie strahlt noch, wenn der Regen sich mit ihren Tränen vermengt und nicht mehr erkennen lässt, warum sie eigentlich weint : Wut? Enttäuschung? Verzweiflung? Egal auch. Weil sie trotzig das Gesicht trocknet und weiter macht. Sie will überleben. Mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Und da ist vor allem ihre ganz spezielle Schönheit, ihre Ausstrahlung, ihre Anziehungskraft, die sie als Waffe einsetzt.
Put the Blame on Mame, Boys
Wenn Rita Hayworth als Gilda mit wild flatternder Mähne, kreisenden Hüften und wogenden Brüsten „Put the Blame on Mame, Boys“ singt und die langen schwarzen Handschuhe von ihren Armen streift, als wäre das erst der Wahnsinns-Anfang einer erotischen Non-plus-ultra-Darbietung, dann ist da nichts mehr vorstellbarer als der Gedanke, dort atme, tanze, flirte die Ur-Frau. Eine Femme Fatale pur. Entfesselte Weiblichkeit. Sinnlichkeit in Vollendung. Und doch die kühl berechnete Show einer missverstandenen und rachsüchtigen Frau, die sich selbst demonstrieren und provozieren will, um Klarheit zu finden. Verderbnis oder Flucht nach vorn. Kalkül. Oder Gefühl.
Allemal, Gilda war das Bild in Vollendung. Die Hayworth seine Verkörperung. Sie sagte:
Sie sagte nicht, dass es anders besser gewesen wäre. Sie bedauerte auch nicht, sie erklärte das Naheliegende: Die Kunstfigur als Mensch aus Fleisch und Blut. In den Köpfen tanzt die Göttin weiter. Endlosschleife. Vielleicht war es auch ganz anders gemeint. Die Femme Fatale hat immer etwas Mysteriöses an sich. Etwas magisch-Dämonisches, das in den Bann lockt. Und oft mit Unmoral, Verderbnis, Leid und gleichwohl extremer Leidenschaft einher kommt.
Fatale steht für Verhängnis. Folgenschwere. Schicksalhaftigkeit. Die Femme Fatale ist eine Unruhestifterin, die sich im knappen, nassen Badeanzug am Pool auf der Liege räkelt und Champagner trinkt, anstatt den Rasen zu wässern, die Rosen zu gießen und dem Mann, der sie mit geöffneten Lippen anstarrt, etwas zu trinken anzubieten. Das vergisst sie aus Ignoranz. Es interessiert sie einfach nicht, weil sie sich selbst als die einzige Sache sieht, die wichtig ist. Und deren eigene Bedürfnisse ganz oben stehen.
Eitle, egoistische Edel-Luder
Vivien Leigh als Scarlett O’Hara in Vom Winde verweht gehört zu den großen klassischen Edel-Ludern: Eitel, egoistisch, kühl kalkulierend, gefühlsarm, was andere betrifft, sehr emotional, was die eigene Haut und das eigene Herz angeht. Dabei wunderschön und von einer schwer greifbaren finsteren und zugleich filigran anmutenden Aura umgeben. Scarlett, selbstbewusst und zielorientiert als eine für das 19. Jahrhundert (amerikanischer Bürgerkrieg: 1861-1865) geschaffene Frauen-Ikone, ist Wegbereiterin für die starken Ladies der „Schwarzen Serie“ Hollywoods in den 1940ern und Vollblut-Femme-Fatale einer vergangenen und nichtsdestotrotz immerwährend explosiven Mode. Besser gar: Eines Charakters, der in heiß-kalten Blicken, kompromisslosen Taten und trotzigen Worten seinen ihm angestammten Platz findet.
Und wenn die Kämpferin müde wird und zum Horizont schaut, lächelt sie spöttisch und sagt:
Verbleibt die Frage, ob solche Sätze nur geschickte, manipulative Imagepflege der großen Stars waren, die als Femmes fatales die Leinwand knistern ließen. . Oder ob sie nicht doch alle auch in zivil tatsächlich etwas oder mehr, vielleicht viel mehr von den im Film von ihnen verkörperten Luder-Ladies hatten, die ihren Stellenwert und ihre Sexualität selbst bestimmten, die eigene Normen hatten und immer nur hungrig nach Leben waren, intelligent genug, um sich durch zu boxen, schön genug, um in ihren Armen Verantwortung, Moral und Pflicht vergessen zu lassen.
Die Varieté-Sängerin Lola Lola (Marlene Dietrich) im Blauen Engel (1930) richtet einen geachteten Mann der Bourgeoisie, Professor Unrath, zugrunde, indem sie ihn mit hemmungsloser Liebeserfüllung an sich fesselt und seine Hörigkeit ihr gegenüber völlig selbstorientiert ausnutzt, bis es zur öffentlichen Demütigung für ihn kommt. Strafe und Lohn seiner „Sünde“…so könnte man es sehen. Lola Lola frisst den Mann. Nichts bleibt übrig von Vernunft und Verstand. In Genuine, einem expressionistischen Film aus dem Jahr 1920, trinkt die Femme Fatale (Fern Andra) das Blut der ihr verfallenen Männer. Stichwort Vampirmythologie. Grenzen werden vermischt. Die Femme Fatale ist gleichwohl Vamp wie (manchmal) auch Femme Fragile (zerbrechlich), abhängig von der Situation und dem Ziel. Grundsätzlich ist sie Einzelkämpferin. Und duldet keine Konkurrenz.
Sie meint natürlich nicht irgendwelche Normalo-Frauen, – ziehen kann’s da natürlich auch – , sondern exakt zwei des gleichen Kalibers. Ihres Kalibers. Ansonsten weiß sie, dass sie gewinnt. Nicht die naive Blonde im weißen Kleid, die Kuchen backen kann, sondern die (meist) dunkelhaarige Geheimnisvolle, die Spitzendessous unter einem ausgebeulten Trenchcoat trägt und pfeifen kann.
Heißblütig – Kaltblütig
Barbara Stanwyck als Phyllis in Frau ohne Gewissen (1944), Lauren Bacall als Vivian in Tote schlafen fest (1946), Ava Garner als Kitty in Räder der Unterwelt (1946), Gloria Swanson als Norma in Boulevard der Dämmerung (1950), auch Marilyn Monroe als Rose in Niagara (1953)…sie alle erschienen uns als perfekte Suchende nach ihrer persönlichen Erfüllung. Gierig auf das Leben. Hungrig auf speziell definiertes Glück.
Andere Namen tauchen auf: Kathleen Turner als Matty in Heißblütig – Kaltblütig (1981), Isabelle Adjani als Eliane in Ein mörderischer Sommer (1982), Glenn Close als Alex in Eine verhängnisvolle Affäre (1987), Sharon Stone als Catherine in Basic Instinct (1992), Nicole Kidman als Suzanne in To Die For (1995), Sarah Michelle Gellhar als Kathryn in Eiskalte Engel (1999)…
…und dann wäre da (vorerst!) nur noch Eva Green. Die Ava Lord in Sin City 2: A Dame to Kill For. Die Vesper Lynd in James Bond 007: Casino Royale. Die Angelique in Dark Shadows. Hinlänglich bekannt aus Penny Dreadful als die atemberaubende Gothic-Lady Vanessa Ives. Und immer mysteriös schön in fast spürbarer Unnahbarkeit. Perfekt als Femme Fatale. Zumindest so perfekt wie diese:
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