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Familie Feuerstein: Yabba-Dabba-Doo

Fred Feuersteins Yabba-Dabba-Doo war so unverkennbar wie der Tarzanschrei. Oder das Brüllen des MGM-Löwen, um mal unbeschwert kühn und lustig zu vergleichen. Familie Feuerstein gucken zu dürfen, das war für uns der ganz besondere Fernsehspaß in der Primetime! mit einer Zeichentrickserie, die eben nicht typisches Kinderprogramm war. 113 halbstündige! Folgen rund um die Familie Feuerstein, – die bis dahin übliche Sendezeit für Cartoons dauerte meist nur ein paar Minuten – , wurden seit 1966 im ARD-Vorabendprogramm gezeigt. Gefühlt, erinnert, gewünscht waren das mehr. Vermutlich auch, weil zu passenden Zeitpunkten in über 20 Jahren Steinzeit-Showtime Wiederholungen liefen, die den frühen Babyboomern genauso wie den etwas späteren Jahrgängen den Einstieg in die Steinzeit-Gaudi ermöglichten, sobald der Verstand halbwegs ordentlich einsetzte. Die Küken unter uns kamen mit der Geburt des Privatfernsehens in den Genuss, The Flintstones (Originaltitel) kennenzulernen, etliche weitere Episoden kamen in den nachfolgenden Jahren noch hinzu.

Fred

Die Zeichentrickserie Familie Feuerstein, ursprünglich für Erwachsene produziert und anfänglich sogar mit dem für Sitcoms üblichen Publikumsgelächter unterlegt (das dann flugs wieder entfernt wurde), galt seit ihrem Start im US-TV 1960 weltweit als die erfolgreichste ihrer Art, bis 1989 schier unbekümmert Die Simpsons kamen und sie respektvoll, ansonsten aber herzlich frisch und frech auf schleichenden Sohlen als Quotenhit entthronten.

Überflüssigen Staub angesetzt haben die Feuersteins für uns verklärten Blickes schwelgenden älteren Semester aber mitnichten. Unsere Zeit eben! Und tatsächlich sind sie (natürlich!) auch gar nicht in der echten Steinzeit bei rauem Klima mit rohem Ton und rüden Sitten beheimatet, sondern leben als integrierte Mitglieder einer typisch amerikanischen Mittelschicht des 20. Jahrhunderts in einem irdischen Phantasia-Irgendwo namens Bedrock. Ein gewöhnlich anmutendes Bürgertum ergo, das sich freilich mit recht speziellen, ureigenen Gepflogenheiten auszeichnet. Man haust etwas anders im Örtchen Steintal. Genial anders und beneidenswert unkompliziert trotz all der üblichen Zivilisationstücken und kleinen Gesellschaftsnöte, die auch hier den Alltag bestimmen.

Man haust etwas anders in Steintal

Barney 1

Und überhaupt ist Fred Feuerstein eine der sympathischsten Kindheitserinnerungen, die all diejenigen unter uns ehemaligen Höhlenbewohnern mit den paar Jährchen mehr auf dem Kreuze verschwörerisch verbindet, die sich bei Yabba-Dabba-Doo wohlwissend zuzwinkern: Das kann nur ER sein! Kräftige Statur, freches Grinsen, das zerfranste Shirt Säbelzahntiger-gelb mit dunklen Pfoten-Tupfen, kniekurz und ärmellos, keine Schuhe, aber Schlips, schwarze Ponyfransen. Dazu ein großes Mundwerk, jede Menge Flausen im Kopf, fixe Ideen im Sinn, den gewissen Schalk im Nacken und das Herz auf dem rechten Fleck.

Fred Feuerstein, kompromisslos Sympathieträger selbst oder grad bei seinen gescheiterten Experimenten auf dem Weg zum (Miss-)Erfolg und seinen berüchtigten Wutanfällen, ist eine Erfindung von Joseph Barbera und William Hanna, den Schöpfern von Tom und Jerry. Der penetrante Kater und die clevere Hausmaus hatten sich bereits seit 1940 und von der ersten Stunde an als absolute Publikumslieblinge erwiesen und trieben bis 1967 in kurzen, für das amerikanische Kino produzierten Zeichentrickfilmen ihre legendären Späße. Dafür erhielten sie insgesamt sieben Oscars bei dreizehn Nominierungen und gelten damit als die meistausgezeichneten Promi-Cartoon-Figuren aller Trickfilmserien weltweit.

Wilma

Höchst motiviert von der immensen Resonanz ihrer turbulenten Katz-Maus-Show für die ganze Familie erdachten sich Barbera und Hanna den freakigen Steinzeit-Filou Fred, Ehemann und Vater, ordentlich beschäftigt im Steinbruch, Krawattenträger, Freizeitkegler, Hobbybastler mit einem Dinosaurier als Familienhund, bester, – und stets, aber keineswegs immer gerechtfertigt bewunderter – , Freund von Barney Geröllheimer, der mit seiner Betty und dem bärenstarken kleinen Bammbamm im aparten Höhlenhaus mit Fransengardinen vor den Fensterlöchern gleich um die Ecke wohnt.

Fred, Held der ur-originellen Geschichte(n), ist kein wirklicher Fan von Knochenarbeit, sondern sieht sich selbst für Höheres bestimmt. Er führt ein gutes Leben, aber er will ein besseres. Punkt und eben. Identifikation von Dir,mir, uns, Euch garantiert. Fred wettet gern, isst gern, albert öfter, zetert noch öfter. Aber am Ende haben sich alle immer schrecklich lieb. Denn Fred ist und bleibt ein ganz und gar liebenswerter Irgendwie-doch-nicht-Loser. Auch, wenn die Hauskatze, ein Säbelzahntiger, ihn respektlos vor die Tür setzt (Insider, Nachspann gucken!).

Freds Geburt fällt zwar in die frühste Epoche der Menschheitsgeschichte, er befindet sich aber grundsätzlich unter ähnlichen Bedingungen in ähnlichem Ambiente mit gleichsam ähnlichen Zeitgenossen wie der New Yorker Busfahrer Ralph Kramden.

(K)ein Mann, der Fred fast umbrachte

Bebbels

Kramden war Mitte der 1950er Jahre Held der amerikanischen Comedy-Sketch-Reihe „The Honeymooners“ (Flitterwöchner) und wohnte mit Gattin Alice in einem Mietshaus in Brooklyn Tür an Tür mit seinem besten Freund Edward Norton, einem Kanalarbeiter, und dessen Ehefrau Thelma Trixie. Man schlug sich Folge für Folge mit Humor, mal zähneknirschend, mal achselzuckend, aber stets irgendwie derart gelenkig durchs Leben, dass sich niemand die immer noch gute Laune verbiegen lassen musste.

Und das nun ist bei den Feuersteins, dem aufbrausenden, aber gutmütigem Fred und der meist mit ihm geduldigen, patenten Wilma, nebst den mit ihnen dick befreundeten Geröllheimers, dem getreuen Barney und der süß-naiven Betty, eben durchaus genauso. Ergo geklaut, empörte sich Honeymoon-Macher Jackie Gleason, identifizierte ganz klar die Comic-Figur als von Ralph Kramden, seiner Erfindung des Ur-Freds in leibhaftig, abgekupfert und kopiert und strebte an, die Feuerstein-Produzenten zu verklagen. Er ließ es dann auf Anraten guter Kollegen bleiben, die ihm das Schicksal ersparen wollten, als „der Mann, der Fred Feuerstein umbrachte“, ungnädig in die Geschichte einzugehen.

So richtig killen können hätte er ihn wohl freilich eh nicht, dafür war er schon viel zu bekannt, unverwechselbar vertraut und heiß geliebt von klein und groß, lief auf sechs Staffeln verteilt in der Hauptsendezeit auf ABC bis 1966, – danach gehörte die Familie Feuerstein zum populären Inventar der „Saturday Morning Cartoons“ – , und hatte einen ewigen Ohrwurm als Titelsong:

Flintstones, meet the Flintstones
They’re the modern Stone Age Family
From the town of Bedrock
They’re a page right out of history…

Dino

Meet the Flintstones erklang erstmalig in der dritten Staffel (1962–1963), die mit der Folge „Dino goes Hollyrock“ (Dino wird Fernsehstar) auch Farbe ins Spiel brachte. Die ersten zwei Staffeln waren noch in schwarz-weiß ausgestrahlt worden. Und schlugen derart beim Publikum ein, dass die Hanna-Barbera-Studios flugs noch eine Zeichentrickserie produzierten und ins TV-Programm brachten: Die Jetsons, eine Familie Feuerstein der Zukunft, in der man sich in fliegenden Düsenfahrzeugen von einem Ort zum anderen bewegt.

Von welch köstlich-genialer Machart sind da freilich die Autos in Bedrock, gefertigt aus Holz und Steinen, gemütlich ausgestattet mit Fellen, aber ohne Motor. Wozu hat der Mensch Füße?! Und so kutschiert Fred Feuerstein Ehefrau Wilma und Töchterchen Pebbles durch seine (Stein-)Zeit und achtet dabei auf Verkehrskontrollen: Laufend und lenkend und meist gar lustig bei der etwas anstrengenden Sache.

Have a yabba-dabba-doo time

Dafür werden andere Alltagsjobs von den Tieren übernommen: Sie fungieren als Geräte, natürlich ohne dabei den geringsten Schaden davon zu tragen. Der Specht jobt als Plattenspieler, der Elefantenrüssel dient als Wasserschlauch, und als Staublappen wird das Gefieder vom sich empört sträubenden Vogel Strauss ausgiebig genutzt. Der in die Kamera guckt und sich beim Zuschauer beschwert.

Als Höhlenmensch ist man technisch uptodate, besitzt dank tatkräftiger tierischer Unterstützung Telefon, Staubsauger, Nähmaschine, Fotoapparat, den Luxus-Mammut-Affe-Schildkröte-Geschirrspüler…

Es sind phantastische Ideen und liebevolle Gags, die das Ganze ausmachen. Und die höchst ansehenswert auch übernommen und umgesetzt wurden in der Real-Verfilmung von 1994 mit John Goodmann als Ideal-Besetzung für den Fred Feuerstein.

Der Nachname Feuerstein/Flintstone ist in memoriam an die uralten Zeiten gewählt: Unsere Vorfahren rieben den Feuerstein, der zu den ganz frühen Rohstoffen der Zivilisation zählt, an einem Stück Eisen, bis er Funken sprühte. Damit entfachten sie ihr Feuer. Der Stein war also sozusagen Vorläufer des Streichholzes, galt zudem als Stahl der Steinzeit, aus dem Waffen und Werkzeuge gemacht wurden.

Mehr brauchen wir nicht zu wissen. Ansonsten gilt halt immer noch und immer, immer wieder:

When you’re with the Flintstones
Have a yabba-dabba-doo time
A dabba-doo time
We’ll have a gay old time…


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