Interview mit Malte S. Sembten

Malte S. Sembten ist vieles: Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber, Illustrator.  Hardy Kettlitz nennt ihn in seinem Vorwort zu Maskenhandlungen “ein Klasse für sich”. Für das PHANTASTIKON war er vor allem eins: ein intelligenter Gesprächspartner. Wir freuen uns, das Interview mit ihm in voller Länge präsentieren zu können.

Bild von Malte S. Sembten

MP: Wie fühlt man sich, wenn eine Persönlichkeit wie T. S. Joshi schreibt, dass man einer der wenigen lebenden deutschsprachigen Verfasser unheimlicher Literatur sei, deren Erzählungen wiederholtes Lesen lohnen? Das ist ja eigentlich ein Ritterschlag.

MSS: Ich weiß, worauf du anspielst. Aber Joshi hat die aus drei dicken Bänden bestehende Enzyklopädie Supernatural Literature of the World ja nur mitherausgegeben. Verfasst wurde sie von einem Kollektiv aus siebenundsechzig Fachleuten. Joshi kann meines Wissens auch gar kein Deutsch. Die beiden Einträge, in denen ich vorkomme, stammen von den deutschen Phantastik-Experten Marco Frenschkowski und Robert N. Bloch.

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Poe und Lovecraft

Phantastikon Journal

Ich vermute, dass sich Vergleiche zwischen Edgar Allan Poe und Howard Phillips Lovecraft nicht vermeiden lassen, in den letzten Jahren (1973) sind sie bereits unüberschaubar geworden. Ich werde die üblichen Hinweise auf die Ähnlichkeiten in ihrem Werk nicht wiederholen – es wird also grundsätzlich keine Erwähnung von schwarzen Katzen, Wiedergängern oder antarktischen Schauplätzen geben. Auch habe ich nicht die Absicht, mich auf die Seite jener zu schlagen, die behaupten, dass es keine wirklichen Berührungspunkte gibt, außer den üblichen Figuren und Themen, die allen Geschichten des Genres gemeinsam sind.

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John Crowley und die Frauen

Phantastikon Journal

1. Und das Nachtragende …

“Mein Schreibmodell ist Shakespeare: nicht jeder Leser wird ein Buch von mir unmittelbar verstehen, aber es wird mit jedem Wiederlesen durchschaubarer.”1

Allein dieser Ausspruch dürfte ausreichen, eine Vielzahl von Lesern abzuschrecken. Das hört sich nach harter Arbeit und nicht gerade nach entspannender Lektüre an. Und doch liegt der entscheidende Vorteil dieses Schreibmodells auf der Hand: Ein Buch, das sich immer wieder lesen lässt, ist für die Ewigkeit gemacht. Was ist dagegen das kurze Vergnügen eines Reißers, den man kein zweites Mal lesen will?

John Crowley ist seit vielen Jahren so etwas wie eine graue Eminenz in der Literatur. Seine Bücher verleiten inzwischen insbesondere Schriftstellerkollegen zu euphorischen bis ehrfürchtigen Äußerungen. So ließ Peter Straub sich mit den Worten zitieren: “Crowley ist so gut, dass er jeden anderen im Staub zurückgelassen hat.”2

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Das Rauchgespenst / Fritz Leiber

Fritz Leiber, bekannt durch seine Lankhmar-Geschichten, war einer der ersten Autoren, die das Horror-Genre aus seinem 19. Jahrhundert-Mief befreite und ihm neue, schwärzere Impulse gab. Viele seiner Geschichten haben ihr Zentrum in der modernen Welt und zeigen deren Gesicht in seiner ganzen Schäbigkeit, Abscheulichkeit und Ausbeutung. Themen wie Alkoholismus, Armut und Rassismus werden sachlich gehandhabt, während der Inhalt stets düster ist: Sand, Sediment, Schmutz sind als physikalische Substanzen vorherrschend.

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Die Tausend Träume von Stellavista / J. G. Ballard

Wer bereits mit Ballards Werk vertraut ist, der wird auch seine surreale Bildsprache bereits kennen: mutierte tropische Pflanzen, stillgelegte Flugzeuge und ein besonderes Korallenwachstum. Die Geschichten in dieser Sammlung stammen aus der letzten Phase seines Schaffens, als er noch als  exzentrischer “Science Fiction” – Autor betrachtet wurde, den man im Grunde gar nicht zuordnen konnte, denn Ballards Geschichten hatten nichts mit der konventionellen SciFi am Hut.

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