Interview mit Faye Hell

Phantastikon: Hallo, Faye, Danke vorweg für Deine Zeit. Und für ein Buch, das jetzt vorläufig ins gute Regal kommt, damit es griffbereit bleibt. Durchgelesen in einem optimalen Zug, durchgeatmet in mehreren verdammt tiefen Zügen. Ganz normale Reaktion auf „Keine Menschenseele“ ?

Faye Hell: Hallo Karin, es ist mir eine Freude, mit dir in dieser dunklen Stunde über mutwillig Unerfreuliches, also meine literarischen Visionen, sprechen zu dürfen.

Ein vertrauter Freund will mir immer weismachen, die Daseinsberechtigung eines Buches wäre einzig und allein dessen guter Unterhaltungswert. Ich denke nicht, dass mein Roman gut unterhält, eher fordert er böse heraus. Inhaltlich, formal, emotional. Nicht jeder will sich dieser Herausforderung stellen, diejenigen, die es tun, die müssen schon das eine oder andere Mal durchatmen. Bevor sie das Geschriebene verdauen können, bevor sie weiterlesen wollen. Mein liebstes Zitat hierzu stammt aus einer Bücherbörse, dort hat jemand mein Buch verkauft, weil es ihm selbst zu düster und zu hoffnungslos wäre.

Gut so. Ich will nicht unterhalten, ich will auch keine Hoffnungen machen, auf ein schönes Ende, auf ein leichtes Leben. Meine Worte sollen wehtun. Ein klein wenig, mit Gefühl. Sie sollen an dir nagen, während du liest, und sich festbeißen, wenn du das Buch zur Seite legst. In dein gutes Regal. Griffbereit.

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Verführerische Düfte

Der alte Gort öffnete die Tavernentür persönlich und verabschiedete Viona Makanar mit einer tiefen Verbeugung, die nicht nur seine Knochenplatten laut krachen ließ, sie stellte zudem etwas dar, was die Gäste der Spelunke nicht alle Tage zu sehen bekamen. Jedoch lagen die meisten Blicke nicht auf der gekrümmten Gestalt des Glisk, sondern folgten der eleganten Frau, deren Präsenz sich aus dem Schankraum zurückzog wie das Meer vor einer Sturmflut.

Mit ihr schienen die Kerzen zu kleinen Stummeln zu schmelzen, deren Licht kaum mehr ausreichte, die vernarbten Bretter der Tische zu beleuchten. Der Qualm aus dutzenden Pfeifen und dem verrußten Kamin gewann dagegen an Festigkeit, als wollte er die schwindende Helligkeit durch seine eigene Herrschaft ersetzen.

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Interview mit Wilfried A. Hary

Phantastikon: Hallo, Wilfried, schön, dass Du Zeit für uns hast. Verrätst Du uns, bei welchem Geniestreich wir Dich grad unterbrechen?

Wilfried A. Hary: Ich arbeite an Band 4 der neuen Serie SKULL. Arbeitstitel: „Ein Fluch kommt selten allein“.

Phantastikon: Deine Vita ist beeindruckend. Blutjung angefangen, e-book erfunden, Serien gestartet…hattest Du immer schon soviel Power?

Wilfried A. Hary: Das täuscht. In Wahrheit bin ich das, was man einen faulen Hund nennt. Der Trick dabei: Ich mache nur, was mir Spaß macht. Dann klappt es auch. Aber nur dann eben. *lacht*

Phantastikon: Was sagst Du als alter Hase über die aktuelle SF-Horror-Show?

Wilfried A. Hary: Ich finde es grundsätzlich gut, wenn die Leute Neues probieren. Auch dann, wenn es mir nicht gefällt. Denn nur, wenn ständig Neues probiert wird, entsteht nun einmal auch wirklich gutes Neues am Ende.

Daher: Weitermachen mit Neuem und endlich aufhören mit Wiederkäuen!

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Der Magische Realismus

Phantastikon Journal

Wenn Massimo Bontempelli, der die italienische Literatur in den 20iger Jahren prägte, seine ersten magisch-realistischen Werke vorlegt, wird er einer jener Pioniere sein, die einen bisher nicht fest umrissenen Begriff in die Literaturwelt einführen, der sich irgendwo zwischen phantastischer Literatur, Surrealismus und Neuer Sachlichkeit bewegt.

Bontempelli tat das, indem er gegen den Realismus und Naturalismus des etablierten 19. Jahrhunderts und dessen bürgerlichen Geschmack, die Literatur thematisch und technisch zu erneuern versuchte – durch einen Magischen Realismus, der übernatürliche, phantastische Ingredienzien und Begebenheiten, die an sich der Gattung des Märchens und der Mythologie angehören, wie selbstverständlich und so, dass sie den Anschein des Wirklichen und Wahrscheinlichen haben, in eine realistisch geschilderte Alltagswelt integriert.

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Bruno Schulz

Phantastikon Journal

Bruno Schulz drückt die Sache so aus: Das Unwirkliche ist das, was man untereinander nicht teilen kann. Was auch immer aus dieser Gemeinsamkeit herausfällt, das fällt aus dem Kreis menschlicher Angelegenheiten, geht über die Grenzen des menschlichen Theaters, über die Grenzen der Literatur hinaus.

Das Problem mit Bruno Schulz ist: jeder weiß, dass er ein Genie ist, jeder spricht über seinen enormen Einfluss, kommt es aber hart auf hart, bleiben diese Aussagen auf Banalitäten beschränkt, als wäre das Maß dichterischer Größe abhängig von einer Gemeinschaft populärer Entscheidungen. Auf der anderen Seite ist das auch nicht sonderlich überraschend.

Selbstporträt von ca. 1933, Bleistift, Kohle, Papier; 11,4 × 9,6 Adam-Mickiewicz-Literaturmuseum in Warschau

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Das Scheitern der Furcht

Die Protagonisten sind weder angehende Hollywood-Größen noch durch Gymnastik gestählte Körper, die im Film in unterschiedlichen Phasen der Nacktheit gezeigt werden: es sind alltägliche Leute, die den Hauptteil des Films in Parkas rumlaufen. Das Dokumentarfilm-Motiv ist mittlerweile selbst zu einem Klischee verkommen, aber wir sehen noch immer die gleichen jungen Stahlkörper, die in Scheiben geschnitten und zu Würfeln gepresst werden, auf ihrem unvermeidlichen Weg in das nächste Sequel. Nicht wirklich beängstigend. Genauso wenig wie die literarische Seite der Gleichung – selbst durch die versiertesten Händen (und ich glaube, dass wir eine kleine Renaissance des Genres erleben) – gelingt es kaum, mich zu verunsichern.

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