Stephen King Re-Read: Nachtschicht

Zu Beginn seiner Karriere wollte niemand wollte eine Kurzgeschichtensammlung von Stephen King veröffentlichen. Als aber Shining, sein erster Hardcover-Schlager, gleich nach Carrie einschlug wie eine Bombe, begann seine Karriere auf Hochtouren zu laufen. Doubleday hatte King unter Vertrag und verlangte einen weiteren Roman im folgenden Jahr, aber King war mit einem Buch zugange, von dem es schien, als könne er es niemals beenden: Das letzte Gefecht. Ohne vorhersagen zu können, wie lange er noch brauchen würde, schlug er seinem Verlag vor, eine Sammlung mit Kurzgeschichten herauszugeben, die er für verschiedene Magazine wie Cavalier, Penthouse und Cosmopolitian geschrieben hatte, zusammen mit einem Vorwort von King selbst und vier neuen Storys.

Zwanzig Geschichten also, die über mehr als ein Jahrzehnt hinweg geschrieben wurden, einige davon bereits als King erst 22 Jahre alt war. Das wurde widerwillig akzeptiert, und so erschien das Buch ohne Cover-Artwork in einer ersten Auflage von 12 000 Exemplaren. Das Buch beginnt und endet mit zwei Geschichten, die den in Brennen muss Salem etablierten Mythos ergänzen. Die erste, „Briefe aus Jerusalem„, kann man durchaus als Vorgeschichte zu Salem’s Lot lesen und ist eine Verneigung vor H.P Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Der Schauplatz könnte durchaus auch Innsmouth sein. Angesiedelt im Jahre 1850 erzählt die Geschichte von einem uralten Übel, das in einer kleinen verlassenen Stadt gefunden wird, die der Vorfahre des Erzählers und sein Diener dort entdecken. Der Nachkomme, der uns die Geschichte erzählt, ist dazu verdammt, die Fehler seines Vorfahren zu wiederholen. King hat später oft und gerne „Pastiches“ geschrieben, d.h. Erzählungen in Anlehnung an einen bekannten Stil. Ich denke da an Arthur Conan Doyle oder Raymond Chandler. Auch ist die Briefform ein beliebtes stilistisches Manöver des 19ten Jahrhunderts gewesen, um einem Sachverhalt den Anstrich von Realität einzuhauchen.

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Hexenvolk / Fritz Leiber

Er war ein brillanter Schachspieler, Prediger, Lehrer, ein Meister im Fechten, Theaterschauspieler (vornehmlich für Shakespeare-Rollen), und hatte sogar einen Film mit Greta Garbo zusammen gedreht. Der große Wurf allerdings gelang ihm im Zusammenhang mit einem Spiel: Dungeons & Dragons, dem Klassiker des Rollenspiels, für das die bahnbrechende epische Heldengeschichte von Fafhrd und dem Grauen Mausling Pate stand. Bis heute sind deren Abenteuer die bekanntesten Geschichten des großen amerikanischen Autors.

Dabei legte Leiber den Fokus gar nicht so sehr auf das Schreiben, begann damit erst in seinem dreißigsten Lebensjahr, freilich unter dem Einfluss von Autoren wie Lovecraft (der sein Mentor wurde), Carl Jung, Robert Graves oder Joseph Campbell.

Sein Debut, Conjure Wife (Die zaubernde Ehefrau; übersetzt mit “Hexenvolk”, ungekürzt erschienen in der Edition Phantasia – siehe Artikelende) erblickte 1943 das Licht der Welt und gilt heute als eines der einflussreichsten Werke moderner Horror-Literatur. Alle paar Jahrzehnte kommt es zu einer filmischen Adaption (1944, 1961 u. 1980). United Artist hat sich die Rechte an einer vierten Variante gesichert.

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Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle / Stuart Turton

Stuart Turtons Debütroman „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ ist ein origineller, hochkomplexer Kriminalroman, der als eine Mischung aus Robert Altmans Gosford Park und Christopher Nolans Inception beschrieben wird, allerdings in Anlehnung an Agatha Christies „Mord im Orient Express“, denn obwohl es sich hier um die Aufklärung eines Mordes handelt, ist der übergeordnete Hintergrund eher in der Phantastik zu suchen.

Als der Roman 2018 erschien, konnte es für viele Kritiker keinen Zweifel geben, dass dieser höchst originelle Krimi das beste Buch des Jahres sein würde, und so bekam Stuart Turton auch gleich den Costa Book Award für das beste Debüt.

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Was der Fluss erzählt / Diane Setterfield

Zwei Jahre hat es gedauert, bis wir den dritten Roman von Diane Setterfiled nun auch in Übersetzung vorliegen haben, immerhin eine Autorin, die 2006 mit „Die dreizehnte Geschichte“ einen Orkan in der Verlagswelt verursachte. Wie man hört, ist jetzt leider sogar eine TV-Serie zu „Was der Fluss erzählt“ geplant; wer die Verfilmung der dreizehnten Geschichte gesehen hat, wird das „leider“ leicht verstehen können. Aber so ist das Geschäft. Auf der anderen Seite beweist das aber auch einmal mehr, dass Diane Setterfield ein herausragendes erzählerisches Talent besitzt und hier einen kraftvollen Roman darüber vorgelegt hat, wie wir uns selbst und anderen die Welt erklären, über den Sinn des Lebens in einem Universum, das undurchdringlich geheimnisvoll bleibt.

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Demenz und Kreativität

Meine 85jährige Mutter, die seit August 2017 in einer Pension und Pflegeeinrichtung lebt, erzählte mir kürzlich eine bemerkenswerte Anekdote: Als ich elf Jahre alt war, gab es eine große Geschichte in den Nachrichten über ein vermisstes dreizehnjähriges Mädchen. Eines Tages entdeckten Mama und Papa das vermisste Kind auf der Straße und brachten es nach Hause, wo es einige Tage bei uns blieb, bis die Behörden es wieder zu ihrer Familie brachten. Was dieser Geschichte ihre eigentliche Pointe Ende gab, war die Entdeckung meiner Mutter, dass eine der Bewohnerinnen in dieser Pflegeeinrichtung genau dieses ehemalige kleine Mädchen ist.

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Jim Butcher: Sturmnacht (Die dunklen Fälle des Harry Dresden 1)

Sturmnacht

Harry Dresden ist zweifellos einer der besten Detektive aller Zeiten. Dass er auch noch Magier ist, mag ihm dabei helfen, tut es aber nicht. Jim Butcher hat Harry ins Leben gerufen, ohne zu ahnen, dass er damit die beste und erfolgreichste Urban-Fantasy-Serie aller Zeiten zu Papier gebracht hat. Inzwischen wurde sie zigfach kopiert, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Hierzulande hat die Veröffentlichungspolitik dieser über alle Maßen erfolgreichen Bücher leider einen unglücklichen Weg genommen, der nun aber beendet zu sein scheint. Die ersten Bände erschienen noch bei Knaur, bevor der Verlag das Interesse verlor und Harry zu Feder & Schwert wechselte. Wäre der Verlag nicht in Konkurs gegangen, hätte er es fast geschafft, alle 17 Bände zu veröffentlichen.

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