Von den Hexenjagden

Ich erinnere mich nicht daran, dass ich Hexen fürchtete, als ich aufwuchs. Stattdessen fürchtete ich die Männer, die sie verbrannten. Als merkwürdiges, tyrannisches Kind, das Magie immer für selbstverständlich hielt, nahm ich stillschweigend an, wenn die Hexenjagd jemals wieder beginnen würde, wäre ich nicht sicher. Jemand würde mich schnell als „falsch“ erkennen und an den nächsten Scheiterhaufen binden.

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Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London (Peter Grant #1)

Auf den ersten Blick scheint es hier keine besondere Neuheit zu geben. Die Fragen sind: Was wäre, wenn es Magie wirklich gäbe, wenn sie von einem geheimen Club kontrolliert und dazu benutzt würde, die Öffentlichkeit vor bösartigen Geistern und übersinnlichen Feinden zu schützen? Aber Ben Aaronovitch bietet etwas Neues, indem er die Metropolitan Police in den Mittelpunkt seiner magischen Welt stellt, und schon haben wir das Beste aus zwei Welten der Urban Fantasy, so nahe liegend, dass man glauben könnte, diese Art der Literatur gab es schon immer. Da mag man vor allem an die berühmten okkulten Detektive wie Hodgsons Carnacki, Blackwoods John Silence oder an LeFanus Dr. Hesselius denken, aber damit hat Peter Grant, der Held der Reihe, gar nichts zu tun (übrigens auch nicht mit Harry Potter, wie oberflächliche Rezensenten behaupten). Am ehesten ist noch die Thursday-Next-Reihe von Jasper Fforde mit Peter Grant verwandt, aber auch die verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz. Wäre noch Harry Dresden, die Königsreihe der Urban Fantasy; das gilt aber nur, wenn man Kategorien unbedingt braucht. Und Scott Mebus mit seinen Gods of Manhattan.

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Jörg Kleudgen(Hg.):Xulhu (Blitz Verlag)

Jörg Kleudgen - Xulhu
Blitz

Wenn man sich etwas im Netz umsieht, dann gibt es eine unüberbrückbare Kluft zwischen den Anhängern von Festas „Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ und „H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens“ aus dem Blitz-Verlag, obwohl beide Titelreihen eigentlich bei Blitz entstanden sind. über diese Querelen möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, aber während Festa mit seiner Reihe einen Schlussstrich gezogen hat, konnte Blitz keinen Geringeren als Jörg Kleudgen für die Redaktion gewinnen.

Die Anthologie „Xulhu“ ist eine der neueren Veröffentlichungen dieser Reihe, allesamt schön aufgemachte Taschenbücher. In vorliegendem Fall wurde das Cover von Ernst Wurdack gezeichnet, und ich gehe wirklich selten auf Cover ein, aber wenn man sich die meisten Cover heutzutage anschaut – vor allem bei den Publikumsverlagen – wird einem schlecht. Da ragt der Blitz-Verlag wie ein gewaltiges Felsmassiv hervor.

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Michel Siefener – Die magische Bibliothek

Der Protagonist als Identifikationsfigur für Träumer und etwas verschrobene Gestalten, die nicht immer einsame Gelehrte sein müssen, um ihren Außenseiterstatus darzustellen; das ist es, was Michael Siefener in seiner 2006 bei Medusenblut erschienenen und jetzt bei Atlantis neu aufgelegten Novelle dem Leser zu bieten weiß.

Es kommt nicht von ungefähr, dass sich die besten Autoren phantastischer Erzählungen in ihren Protagonisten spiegeln, der an ihrer statt merkwürdige Ereignisse durchlebt oder untersucht. Und dann sind es wiederum die Leser, die in diesem Fall tatsächlich Idealleser sind, und die sich mit ähnlichen Träumen nicht nur der Hauptfigur, sondern auch dem Autor nahe fühlen. Durch diese Kommunikation entsteht etwas viel größeres, das über das Geschichtenerzählen hinaus geht und nicht selten einer Haltung entspricht. Phantastische Literatur ist ihrem Wesen nach intim, das Brausen der Welt, die Gegenwart sind hier völlig irrelevant.

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Blutige Nachrichten / Stephen King

Es kam in den letzten Jahren immer wieder vor, dass vor allem jene Fans, die Stephen King wegen seiner Horror-Element lieben, enttäuscht waren von dem, was er ihnen zu bieten hatte; nicht weniger als eine Perfektion seiner Prosa und eine meisterliche Beherrschtheit seiner Themen, die sich hauptsächlich um Sterblichkeit und Freundschaft drehen (während ein noch größeres Thema die Opferbereitschaft war und ist). Obwohl King schon immer ein außergewöhnlicher Autor war, legt er mittlerweile eine Perfektion an den Tag, die aus schierer Erfahrung resultiert. Stephen King beherrscht als Schriftsteller alles. Seine Romane können ausufern und mäandern, sie können kontrolliert sein, erschreckend, phantastisch, ungehobelt und fein gesponnen. Und wenige Romanciers beherrschen zudem noch die kurze Form, oder die Novelle. Nimmt man es genau, ist in „Blutige Nachrichten“ vom titelgebenden Kurzroman über die längere Erzählung bis zur Kurzgeschichte alles vertreten, und es ist nach Frühling, Sommer, Herbst und Tod und Four Past Midnight die dritte Sammlung, in der vier Perlen auf einer Schnur aufgereiht sind.

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Die Augen der Heather Grace / David Pirie

Wir sind nie in den Genuss der bemerkenswerten Krimis gekommen, die David Pirie anfangs der 2000 für die BBC produzierte. Die zweiteilige Geschichte „Murder Rooms: The Dark Beginnings of Sherlock Holmes“ wird auf der Insel zu den besten Präsentationen gezählt, die das Fernsehen auf diesem Sektor je geschaffen hat. Allerdings muss man dazusagen, dass es zu dieser Zeit die Sherlock-Serie noch nicht gab, die erst 2010 ausgestrahlt wurde.

Insgesamt sollte es die Serie, die an die frühen Hammer-Filme und den amerikanischen Film Noir der 1940er Jahre erinnert, auf sechs Filme bringen. Dass sie trotz des Erfolges eingestellt wurde, ist nach wie vor eines der großen Rätsel, hat aber wohl mit BBC-Interna zu tun. Sie kam viele Jahre zu früh und würde heute ganz anders behandelt werden.

Die Informationen, die Pirie für die Filme als auch für die Bücher verwendet hat, und die eine der Grundlagen für die Entwicklung der Figuren Holmes und Watson (hier Bell und Doyle) bilden, basieren zum Teil auf den Briefen und Schriften des Dr. Joseph Bell, der Doyles Lehrer und Mentor war, als der junge Autor als Medizinstudent an der Universität Edinburgh eingeschrieben war.

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