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Virginia Woolf – Zum Leuchtturm

Orig. To the Lighthouse (1927)

In der Übersetzung von Karin Kersten

Man sollte nicht darauf hören, wenn man irgendwo liest, dass Zum Leuchtturm ein schwieriger Roman sei. Das stimmt nämlich nicht. Man muss nur konzentriert wirklich jeden Satz Wort für Wort lesen, und dann ist man sehr schnell drin, in der inneren Welt von Virginia Woolfs Charakteren. Wie eine Biene von Blüte zu Blüte fliegt, so springt Virginia Woolf zu den Gedanken und Emotionen ihrer Romanfiguren, die für jeden von uns relevant sein dürften. Es eröffnen sich die großen Fragen: Warum unterjocht der eine Mensch den anderen? Warum lässt sich der andere dies gefallen und fügt sich in die Rolle, die der Tyrann ihm zugedacht hat. Was bewirkt die dahinfließende Zeit im Menschen und seiner Umwelt?

Das alles wird handlungsarm im Kleinen in einer verdichteten von Psychologie und lyrischer Schönheit durchwirkten Sprache erzählt. Das Fundament der zahlreichen existentiellen Gedanken ist der erfolgsverwöhnte, narzistische Philosoph Mr Ramsey, der zum Sommer seine aus seiner Frau und acht Kindern bestehenden Familie plus einiger geladener Gäste in sein Sommerhaus am Meer lenkt. Die wirkliche Hauptfigur ist aber die empathische, ausgelaugte, immer wieder als außergewöhnlich schön beschriebene Mrs Ramsey, die nicht anders kann, als überall negative Stimmungen auszugleichen und allen etwas Gutes tun zu wollen. Sie selbst geht aber dabei vor die Hunde, da sie keinerlei Freiraum mehr für sich selbst hat. Allein ihr despotischer, aber immer wieder in Selbstmitleid versinkender Ehemann, verlangt ihrer Empathie alles ab, indem sie ihn permanent reguliert, ohne dass er es wirklich merkt.

Das Gedankengespinst des Romans ist komplex – eben wie das Leben. Jeder hat seine Gedanken, Gefühle und Meinungen zu den ihn umgebenden Menschen, und wie Virginia das erzählerisch gelöst hat, ist spektakulär.


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