Vincent Price

Vincent Price & Poe

Ob es Poe gefallen hätte, dieses Diabolische, Irrsinnige, das Vincent Price auf der Leinwand so genial verkörperte? Gute Frage wohl. Auf jeden Fall hat der Ausnahmeschauspieler dem weltbekannten Ausnahmeschriftsteller eine spannende Extraportion an Popularität geschenkt, die dem literarischen Vermächtnis auf spezielle Art Respekt und Bewunderung zollt.

Sieben Filme nach literarischen Vorlagen von Edgar Allan Poe drehte Vincent Price (1911-1993) in den 1960er Jahren, und seine unverwechselbare Art, mit seiner Darstellungskunst, seiner Sprechweise, seiner Mimik auf dem schmalen Grat zwischen (fast) idealem Genie und schleichendem, packendem, bezwingendem Wahnsinn balancieren zu können, machte ihn zu einem Idol der Horrorszene, zum Kultstar des Genres, zu einer der wenigen echten Ikonen der Nacht.

In all diesen Filmen, – House of Usher (Die Verfluchten), Pit and the Pendulum (Das Pendel des Todes), The Haunted Palace (Die Folterkammer des Hexenjägers), Tales of Terror (Der grauenvolle Mr. X), The Raven (Der Rabe – Duell der Zauberer), Masque of the Red Death (Satanas – Das Schloß der blutigen Bestie), Prematural Burial (Lebendig begraben) -, war B-Film-König Roger Corman Regisseur; er setzte auf den perfekten, wie für ihn persönlich geschaffenen Poe-/Price-Charakter, und er gewann mit ihm haushoch.

Fürchten lehren: Eine Passion

Das galt und gilt vom ersten Moment an, in dem Price 1960 als Roderick Usher, letzter Nachfahre der alten, zum Untergang verdammten Familie Usher, sein Publikum das Fürchten lehrt. Seine große, wahre Passion? Vor der Filmkamera gestanden, um fröstelnd erschauern zu lassen, hat Price schon 1939. Ihm zu Ehren sei genießerisch verwegen spekuliert:

Blauschwarzer Nebel schlief über der Themse, Herbstregen raunte geheimnisvoll, und der Big Ben weckte die Mitternacht. So ungefähr war das bestimmt, vielleicht auch etwas anders, als die erste Horrorfilmrolle eines der berühmtesten Genre-Darsteller überhaupt im Kasten war. Die Zeichen waren ergo gesetzt. Mit seinem bescheidenen Kurzauftritt in Tower of London (Der Henker von London) als ein im Weinfass ertrinkender Graf an der Seite von Boris Karloff und Basil Rathbone war der erste, freilich gemütliche Schritt in die große, geniale, gute Finsternis getan. Ein sehr gemütlicher.

Damit hatte es sich dann erst einmal. Neue Schauer-Stories, zumal mit mehr Raum und Zeit, gab es vorerst keine für den 1,93-Meter-Mann mit dem gewissen optischen Etwas, – attraktiv, arrogant (war er aber nicht) und undurchschaubar. Price, wohl blitzgescheit zudem, der in Yale Kunstgeschichte und Anglistik studiert hatte und für seine Doktorarbeit über Albrecht Dürer ein Jahr in Frankfurt und Nürnberg lebte, war in New York zwar fleißig auf der Kinoleinwand und auf der Theaterbühne vertreten, seine famose dunkle Stunde schlug aber später.

»And whosoever shall be found, without the soul for getting down, must stand and face the houl of hell, and rot inside a corpse’s shell…«

Sie schlug 1953 mit House of Wax (Das Kabinett des Professor Bondi). Es vergingen ergo stolze vierzehn Jahre, bis Vincent Leonard Price jun. , Sohn eines Süßwarenfabrikanten aus St. Louis, den Riesentreffer landete, der ihn berühmt machte und später in Edgar Allan Poe (1809 – 1849) einen Meister finden ließ, dessen Name jeder passionierte Filmfan untrennbar von seinem im Kopf hat. Auch wer Poe gar nie gelesen hat, – und von der Sorte, so munkelt man gar entrüstet und betrübt, soll es einige Viele geben -, kennt Poe. Dagegen mag sich jeder noch so Detailverliebte sträuben.
Sensationserfolg mit Wachsleichen

Price spielt in House of Wax, im brandneuen, ergo spektakulären 3-D-Verfahren gedreht, den begnadeten, freilich wahnsinnigen Henry Jarrod, Schöpfer von großartig gemachten Wachsfiguren. Es bleibt nicht dabei, Jarrod benutzt Leichen für seine Kunst, wird entlarvt und findet seinen Tod in einem Kessel mit heißem Wachs. Unschön, aber fair. Der Film wurde ein Sensationserfolg, man zeigte ihn bis Ende der 1980er immer wieder in den Kinos. Bei der Hollywood-Uraufführung, in Bildern der damaligen Wochenschau festgehalten, unter den beeindruckenden (und beeindruckten) Gästen: Bela Lugosi in seinem Dracula-Kostüm und Leinwand-Cowboy Ronald Reagan, der spätere US-Präsident.

(c) Warner Bros Film GmbH

Der Weg steil nach oben war mit House of Wax für Price frei gegeben. Es folgte The Mad Magician; hier verkörpert er einen irren Zauberkünstler, der einen Kollegen mit einer gewaltigen Kreissäge ermordet und in dessen Identität schlüpft. House on Haunted Hill (Das Haus auf dem Geisterhügel, 1958), – Price als exzentrischer Millionär Frederick Loren mit schaurig-netten Einfällen -, erlebte im Jahr 1999 ein Remake; Loren heißt in der Neuverfilmung Stephen Price, das galt als dicke Verneigung. In Erinnerung gebracht wird Price auch heute noch immer wieder mit The Fly ; hier gibt er zwar weder den finsteren Schurken noch den geistig verwirrten Bösen, aber es ist (mit) sein Film. Einwandfrei.

In The last man on earth verkörpert Price einen Wissenschaftler, der eine das Wesen verändernde, letztlich die Unmenschlichkeit und den Tod bringende Seuche überlebt hat. Die Gesamtbevölkerung ist infiziert. Der Film basiert auf dem Roman I am Legend von Richard Matheson und wurde 2007 unter dem Originaltitel mit Will Smith in der Hauptrolle gedreht. Den kennen wir.

Die Erstverfilmung mit Price freilich ist trotz seines großen Namens und trotz einer damals bereits stark und düster inszenierten Hammerstory fast völlig vergessen. Gilt allerdings in Fan- und Expertenwelt, selbst wenn die Mehrheit sie noch nie gesehen hat, als stilistischer Vorreiter und Vorbild auch für George A. Romero (The night of the Living Dead) und als wegweisend für die Entwicklung des modernen Horrorfilms.
Price als Legende: So bleibt’s!

Price wandte sich Mitte der 1970er Jahre, nachdem er noch erfolgreich in bewährter schräg-schön-schauriger Manier in The Abominable Dr. Phibes (Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes), der Fortsetzung davon und in Theatre of Blood gewirkt und gegruselt hatte, wieder mehr dem Theater zu, zeigte Glanzleistung in dem Ein-Personen-Stück Diversions and Delights von Oscar Wilde. Überhaupt: Der Mann bestach vielfältig, war Kunstkenner und -sammler, schrieb Kochbücher, – sein Großvater hatte sich einen Namen gemacht mit der Erfindung eines Backpulver, der Vater war Süßigkeiten-Experte, irgendwas gut Appetitliches blieb auch auf dem Sektor an ihm hängen -, und er war Radio-/Kurz- und Zeichentrick-Film-Sprecher.

Darkness falls across the land

Seine markante Stimme, sein Markenzeichen, (s)ein Thriller: Er ist der Mann, den Michael Jackson 1982 für einen Song haben wollte, der ein absoluter Mega-Hit wurde. Die musikalische Schauermär Thriller ist legendär, da kocht das Blut, da verneigen auch wir uns vor und präsentieren gleichsam als Ehrerweis die im Lied von Horror-Altmeister gesprochenen Textzeilen. Produzent Quincy Jones bezeichnete Price, der seine Aufnahme in nur zwei Takes fertig hatte, als „einfach nur großartig“. Richtig so.

»Darkness falls across the land, the midnite hour is close at hand. Creatures crawl in search of blood, to terrorize y’awl’s neighbourhood…«

In dem preisgekrönten, mehrfach ausgezeichneten Kino-Welterfolg Edward mit den Scherenhänden (Johnny Depp) aus dem Jahr 1990 spielte Price, der dreimal verheiratet war und seiner dritten Frau Coral Browne zuliebe 1987 zum Katholizismus konvertierte, seine letzte große bekannte Rolle. Er war der Schöpfer des künstlichen Jungen, dessen Vollendung ihm nicht mehr gelang, weil er starb, bevor er Edward richtige Hände schenken konnte. Eine recht traurige letzte Geschichte. Aber nicht seine eigene. Die war bunt. Lebendig. Facettenreich. Mit Sicherheit gut. Der Tag seiner Bestattung am 25. Oktober 1993 war so. Ein guter. Er wurde verbrannt, die Asche vor der kalifornischen Küste verstreut, und sein geliebter Strohhut wurde in den Pazifik geworfen. Mit dem spielten eine ganze vergnügte Weile die Seehunde, wie seine Tochter Victoria erzählte. Hätte ihm wohl gefallen. Price konnte eben so.

»And though you fight to stay alive, your body starts to shiver, for no mere mortal can resist, the evil of the thriller.
Can you dig it?!«

Und so.

Karin Reddemann

Karin Reddemann

Karin Reddemann, Jahrgang 1963, Studium Germanistik/Romanistik, Journalistin und Autorin; von 2015 - 2018 Redakteurin im Phantastikon-Magazin; Mitarbeiterin beim Online-Magazinn Fantasyguide; Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien, Buch Gottes kalte Gabe, Dr. Ronald-Henss-Verlag Saarbrücken (auch e-books).

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