Rebecca

Rebecca, von Daphne DuMaurier

Rebecca ist zweifellos der beste Roman, den DuMaurier in ihrem Leben verfasst hat. Er wurde 1938 unter großem Beifall veröffentlicht und ist auch heute noch begehrt. Das Original war nicht ein einziges Mal vergriffen, außer natürlich bei uns.

Gekonnt webt die Autorin eine Geschichte voller Geheimnisse und Spannung, die sich um das schöne Haus Manderley dreht – ein Geheimnis, das auch nach der letzten Seite nicht ganz gelöst wird.

Der immense Erfolg, den Rebecca im Laufe der Jahre hatte, ist auf die brillant einfache Erzählkunst der Autorin zurückzuführen, mit der es ihr gelang, jeden Absatz spannungsgeladen zu halten.

Du Maurier war nicht die intellektuellste aller Schriftstellerinnen. Sie schuf emotionale Landschaften, die man nach Belieben betreten konnte und wo sie ihren unbezähmbaren Sehnsüchten freien Lauf ließ. Vielleicht war sie gerade aufgrund ihres angespannten Verhältnisses zu den Geschlechtern in der Lage, Welten zu erschaffen, in denen Menschen wie auch Häuser geheimnisvoll und wandelbar sind und niemals so, wie sie zunächst erscheinen; Spukräume, in denen körperlose Geister manchmal in völliger Freiheit tanzen.

Die Geschichte selbst ist raffiniert um eine Welt voller Geheimnisse gewebt, mit dem wunderschönen Manderley als Kulisse. Mit jeder Zeile, die du Maurier schreibt, steigert sich die Spannung, bis der Leser sich danach sehnt, die Wahrheit zu erfahren. Gleichzeitig ist es nicht ganz so klar, ob man dieser Wahrheit dann überhaupt trauen kann.

Diese Ungewissheit rührt zum Teil von der Ich-Erzählweise, die du Maurier in diesem Roman gewählt hat. Sie schrieb ihn aus der Perspektive einer jungen, namenlosen Erzählerin, die den schneidigen, aber unglücklichen Max de Winter kennenlernt, während sie als Begleiterin einer Dame in einem Grandhotel in Monte Carlo arbeitet. Das Mädchen ist ängstlich, aufmerksam, verträumt, furchtbar romantisch, eine ewige Phantastin, deren Ängste und Unsicherheiten außer Kontrolle geraten, als sie Herrin über das gespenstische Manderley wird. Es bleibt den Lesern überlassen, sich Informationen über die Erzählerin selbst zu erschließen, eine Vorgehensweise, die das Rätsel noch verstärkt.

Die Erzählerin ist roh wie ein Ei, praktisch ein Schulmädchen, mit ihrem „schlaksigen“ Haar und ihren abgebissenen Nägeln, ihrer Unfähigkeit, mit Bediensteten zu sprechen oder ein Haus zu führen. Rebecca hingegen ist komplett: geleckt und exquisit wie der unbezahlbare Porzellan-Amor, den die ungeschickte Erzählerin zerbricht. Es war Rebecca, die Manderley erschaffen und das schöne alte Haus zur Apotheose weiblicher Talente und Tugenden gemacht hat.

Jede Figur hat ihre eigene Version der Ereignisse, was es unmöglich macht, die Erzählung einer Person als vollständig „wahr“ zu akzeptieren. Zwar hat Maxim de Winter seine Ex-Frau wegen ihrer Affäre mit einem anderen Mann umgebracht, aber da Rebecca tot ist, können wir nie sicher sein, ob Maxim tatsächlich die Wahrheit sagt oder nicht. Als Leser müssen wir uns einfach auf sein Wort verlassen.

Im Laufe des Romans werden die Dinge immer undurchsichtiger. Selbst die Justiz ist nicht in der Lage, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, und der örtliche Richter stuft Rebeccas Tod zu Unrecht als Selbstmord ein.

Erstaunlicherweise wird der Leser irgendwie manipuliert oder überredet, zu glauben, dass der Mord an Rebecca und seine Verheimlichung notwendig, ja sogar romantisch sind; dass es ein weitaus schlimmeres Schicksal ist, betrogen zu werden als den Tod einer Frau in Kauf zu nehmen. Es ist eine grimmige Umarbeitung von „Blaubart“, in der der Mörder plötzlich zum Opfer wird, das trotz seiner blutigen Hände bewundert wird.

Es gibt Parallelen zwischen Daphne du Mauriers „Rebecca“ und Charlotte Brontes „Jane Eyre“. Du Maurier scheint generell stark von den Bronte-Schwestern beeinflusst worden zu sein, was man auch an „Jamaica Inn“ sehen konnte – einem anderem Buch von du Maurier, das bereits von Emily Brontes „Sturmhöhe“ inspiriert wurde. Das dürfte auch der Grund sein, warum man Rebecca unter anderem zur späten Schauerromantik zählt, während der Roman ebenfalls auf allen Krimi-Bestenlisten auftaucht.

Ein großer Teil von Rebecca ist jedoch von du Mauriers eigenem Leben inspiriert – insbesondere von ihrer Beziehung zu ihrem Vater. Die Kindheitserinnerungen der Autorin an Cornwalls Menabilly, sowie ihre Besuche im Haus Milton Hall der Familie Wentworth-Fitzwilliam scheinen die Inspiration für das berüchtigte Haus Manderley gewesen zu sein.

Die namenlose Erzählerin wurde als „Studie der Eifersucht“ nach ihrem eigenen Vorbild gestaltet. Es lassen sich also mehrere Parallelen zwischen der Beziehung der Erzählerin und ihrem Mann ziehen – und zwischen Daphne du Maurier und ihrem eigenen Mann Tommy Browning. Du Maurier konnte freilich nie den Verdacht abschütteln, dass ihr Mann sich zu seiner Ex-Frau, der dunkelhaarigen und glamourösen Jan Ricardo, hingezogen fühlte – was sich auch in der Handlung von Rebecca widerspiegelt.

Einer der größten Vorwürfe, mit denen sich Daphne du Maurier zu Lebzeiten auseinandersetzen musste, waren Plagiatsvorwürfe. Nach der Veröffentlichung von Rebecca in Brasilien behauptete der populäre Kritiker Álvaro Lins, du Maurier habe ihr Buch an „A Successora“ der brasilianischen Schriftstellerin Carolina Nabuco angelehnt. Die Ähnlichkeiten in der Handlungsstruktur der beiden Romane sind unübersehbar. Die Autorin Nina Auerbach hat sogar kühn behauptet, du Maurier habe ihren Bestseller direkt auf „A Successora“ aufgebaut, nachdem sie die englische Übersetzung gelesen hatte. Daphne du Maurier wies diese Behauptungen jedoch entschieden zurück und bezeichnete die Ähnlichkeiten in der Handlungsstruktur als reinen Zufall.

Was stimmt, ist, dass du Maurier sich von den Bronte-Schwestern inspirieren ließ – deshalb wenden sich ihre Fans in der Regel ebenfalls den Werken von Charlotte und Emily Bronte zu.

Daphne du Maurier veröffentlichte 1938, kurz nach Erscheinen des Romans das „Rebecca Notebook and Other Memories“. Dieses Buch ist im Grunde nichts anderes als das Tagebuch, das sie während der Planung des Romans führte, ein Werk, das von Schriftstellern auf der ganzen Welt sehr geschätzt wird, da es die künstlerische und konzeptionelle Entwicklung der Handlung und der Figuren des Bestsellers genau wiedergibt.

Für Rebecca-Fans ist es interessant zu wissen, dass die Figur der Mrs. Danvers in Stephen Kings „Sara“ und Jasper Ffordes „Thursday Next“ jeweils eine Anspielung erfährt. Rebecca hat im Laufe der Jahre verschiedene Fortsetzungen inspiriert, darunter Diane Setterfields „Die dreizehnte Geschichte“ und Sally Beaumans „Rebeccas Geheimnis“.

Rebecca war ein Roman, der beinahe zu einem Code-Schlüssel wurde, den die Deutschen im Zweiten Weltkrieg verwenden wollten – ein Kunststück, das letztendlich nie vollbracht wurde, aber in Ken Folletts „Der Schlüssel zu Rebecca“ fiktionalisiert und in Michael Ondaatjes „Der englische Patient“ angedeutet wurde.

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MEP

MEP

Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.

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