Die Phantome des Franz Hellens

Phantastikon Journal

Von Franz Hellens ist heute kaum noch mehr als dieses traurige Gemälde zu finden, das Modigliani gemalt hat, der als Künstler bekannter ist als sein Modell. 1881 in Brüssel geboren, und für den Dienst an der Waffe für untauglich befunden, ließ er den ersten Weltkrieg in Nizza vorbeiziehen, wo er auch Modigliani begegnete, und seiner zukünftigen Frau Maria Marcovna. In einem späteren Buch voller Aufsätze und Erinnerungen mit dem Titel Geheime Dokumente, erzählt Hellens, wie Modiglini das Portrait in ein paar wenigen Stunden aufs Papier geschleudert hatte, während, unterbrochen von gelegentlichen Spaziergängen an der frischen Luft, drei Liter Wein durch seine Kehle rannen. Hellens und Maria waren von dem Portrait nicht begeistert. Er beschreibt seinen Eindruck in einer seiner besten Geschichten, Der Hellseher:

„… es war lebendig, lebhaft; ‚es sprach‘, wie manche Kenner sagen würden. Aber es hatte wirklich keine Ähnlichkeit.
Es muss gesagt werden, dass der Maler nicht für einen einzigen Augenblick daran dachte, dem Gesicht, das er vor sich hatte, zu schmeicheln. Es war seltsam in die Länge gezogen; das Oval des Gesichts derart zu strecken hebt ohne Zweifel eine charaktervolle Schlankheit hervor, einen Charakter aber, der nicht dem meinen entspricht. Außerdem hatte er die Schultern völlig weggelassen, so dass das wenige, das auf dem Portrait vom Körper zu sehen ist, noch weiter zum Fehlen des Volumens beiträgt, wie es nicht von dem, der ihm saß, stammen konnte. Letztlich sind die wenigen Falten, die damals bereits mein Gesicht zierten, übertrieben dargestellt worden. Das Portrait atmet eine geistige und körperliche Erschöpfung, gerechtfertigt durch das schwierige Leben, das ich bis dahin gelebt hatte. Trotz allem war ich am meisten von diesem jugendlichen, sogar kindlichen Ausdruck beeindruckt, genauso unverhältnismäßig und paradox wie der Rest, der sich aus der absichtlichen Fragilität der Konstruktion ergibt. Da war auch noch etwas anderes, das ich allerdings nicht erklären konnte.“

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Untot unter der Erde

Lebendig begraben zu werden muss per se grauenvoll sein. Um sich das vorstellen zu können, genügt den wirklich Phantasievollen unter uns eine geschlossene Liege im Solarium. Oder die Röhre im Krankenhaus. Augen zukneifen, Atem anhalten, jedes weltliche Geräusch ignorieren, die Arme eng an den Körper pressen, die Beine steif machen. Fest daran glauben, dass man allein ist. In einer Kiste liegt. Irgendwo unten. Dass die Luft eigenartig riecht, nach der man schnappt. Das das irgendwann nicht mehr geht. Dass man da nie wieder rauskommt.

So geht das. Ansatzweise. Vielleicht.

Detailliert in ihrem ganzen Grauen kommt die Szene natürlich nicht rüber. Tatsächlich muss das auch nicht sein. Zu wissen, dass es passieren könnte, reicht aus, um ein definitiver Angstmacher zu sein. Es ist bei weitem nicht so wahrscheinlich, wie einem zu begegnen, der schlitzt, sägt, beißt, brennt, auseinanderreißt, zerstückelt, verbrüht, seziert, verdammt, verflucht oder sonst was Übles im Sinn hat. Aber es ist im Bereich des realistisch denkbaren Horrors, der nach uns packt. Schwarze Klauen in absoluter Finsternis. Man sieht sie nicht, man spürt sie nur. Es wird heiß. Und dann entsetzlich kalt.

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Teatro Oscura

Der für PHANTASTIKON ausgewählte Auszug fiel zum Teil der Zusammenführung beider Texte zum Opfer, da die dort geschilderte Begegnung aus zwei verschiedenen Perspektiven dargestellt wurde. Er erscheint daher an dieser Stelle exklusiv.

Als Erich Stern in den Ruinen eines norditalienischen Klosters das Tagebuch seines Landsmannes Ernst Heinrichs findet, ahnt er nicht, dass dieses Entdeckung sein Leben verändern wird. Vor der surrealen Kulisse Venedigs durchlebt er Heinrichs bizarre Abenteuer und macht bald Entdeckungen, die ihn zum unfreiwilligen Protagonisten im TEATRO OSCURA machen.

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Interview mit Faye Hell

Phantastikon: Hallo, Faye, Danke vorweg für Deine Zeit. Und für ein Buch, das jetzt vorläufig ins gute Regal kommt, damit es griffbereit bleibt. Durchgelesen in einem optimalen Zug, durchgeatmet in mehreren verdammt tiefen Zügen. Ganz normale Reaktion auf „Keine Menschenseele“ ?

Faye Hell: Hallo Karin, es ist mir eine Freude, mit dir in dieser dunklen Stunde über mutwillig Unerfreuliches, also meine literarischen Visionen, sprechen zu dürfen.

Ein vertrauter Freund will mir immer weismachen, die Daseinsberechtigung eines Buches wäre einzig und allein dessen guter Unterhaltungswert. Ich denke nicht, dass mein Roman gut unterhält, eher fordert er böse heraus. Inhaltlich, formal, emotional. Nicht jeder will sich dieser Herausforderung stellen, diejenigen, die es tun, die müssen schon das eine oder andere Mal durchatmen. Bevor sie das Geschriebene verdauen können, bevor sie weiterlesen wollen. Mein liebstes Zitat hierzu stammt aus einer Bücherbörse, dort hat jemand mein Buch verkauft, weil es ihm selbst zu düster und zu hoffnungslos wäre.

Gut so. Ich will nicht unterhalten, ich will auch keine Hoffnungen machen, auf ein schönes Ende, auf ein leichtes Leben. Meine Worte sollen wehtun. Ein klein wenig, mit Gefühl. Sie sollen an dir nagen, während du liest, und sich festbeißen, wenn du das Buch zur Seite legst. In dein gutes Regal. Griffbereit.

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Verführerische Düfte

Der alte Gort öffnete die Tavernentür persönlich und verabschiedete Viona Makanar mit einer tiefen Verbeugung, die nicht nur seine Knochenplatten laut krachen ließ, sie stellte zudem etwas dar, was die Gäste der Spelunke nicht alle Tage zu sehen bekamen. Jedoch lagen die meisten Blicke nicht auf der gekrümmten Gestalt des Glisk, sondern folgten der eleganten Frau, deren Präsenz sich aus dem Schankraum zurückzog wie das Meer vor einer Sturmflut.

Mit ihr schienen die Kerzen zu kleinen Stummeln zu schmelzen, deren Licht kaum mehr ausreichte, die vernarbten Bretter der Tische zu beleuchten. Der Qualm aus dutzenden Pfeifen und dem verrußten Kamin gewann dagegen an Festigkeit, als wollte er die schwindende Helligkeit durch seine eigene Herrschaft ersetzen.

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Interview mit Wilfried A. Hary

Phantastikon: Hallo, Wilfried, schön, dass Du Zeit für uns hast. Verrätst Du uns, bei welchem Geniestreich wir Dich grad unterbrechen?

Wilfried A. Hary: Ich arbeite an Band 4 der neuen Serie SKULL. Arbeitstitel: „Ein Fluch kommt selten allein“.

Phantastikon: Deine Vita ist beeindruckend. Blutjung angefangen, e-book erfunden, Serien gestartet…hattest Du immer schon soviel Power?

Wilfried A. Hary: Das täuscht. In Wahrheit bin ich das, was man einen faulen Hund nennt. Der Trick dabei: Ich mache nur, was mir Spaß macht. Dann klappt es auch. Aber nur dann eben. *lacht*

Phantastikon: Was sagst Du als alter Hase über die aktuelle SF-Horror-Show?

Wilfried A. Hary: Ich finde es grundsätzlich gut, wenn die Leute Neues probieren. Auch dann, wenn es mir nicht gefällt. Denn nur, wenn ständig Neues probiert wird, entsteht nun einmal auch wirklich gutes Neues am Ende.

Daher: Weitermachen mit Neuem und endlich aufhören mit Wiederkäuen!

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