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Jim Butcher: Wandel (Die dunklen Fälle des Harry Dresden 12)

Keine Atempause

Statt langsam an Qualität abzunehmen, wie es vielen Serien fast zwangsläufig nach einem längeren Zeitraum passiert, ist es bei den Dresden Files genau umgekehrt. Mindestens seit Grabesruhe oder Silberlinge wird die Serie von Buch zu Buch immer besser, und das, obwohl sie bereits einen starken Start hinlegte. Doch da konnte man sich noch nicht einmal ansatzweise vorstellen, wohin das alles führen würde. Im zwölften Band fackelt Jim Butcher nicht lange und bricht gleich im ersten Satz mit der Tür ins Haus:

Ich ging ans Telefon, und Susan Rodriguez sagte: „Sie haben unsere Tochter entführt.“

Es dürfte sich von selbst verstehen, dass man hier nicht einsteigt, sollte man die Serie aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen nicht kennen. Der Titel passt hier wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge: Alles steht hier im Zeichen des Wandels, tatsächlich in jeglicher Form.

Geplantes Blutfest

Arianna Ortega, Vampirin vom Roten Hof, macht Harry für den Tod ihres Mannes verantwortlich – und sie sinnt auf Rache. Ihre Entdeckung, dass Susan Rodriguez Harry eine Tochter geboren hat, war ein unerwartetes Geschenk. Als Nächstes entführt Arianna das Mädchen und plant, ihr Blut in einem groß angelegten Opferritual zu verwenden, um Harry, Susan und ihre Tochter zu töten.

Harry ist sowohl emotional als auch von der Waffenstärke her völlig unvorbereitet. Susan war nach einem Angriff seiner Feinde, der sie mit einem Vampir-Fluch belegt hatte, nach Südamerika verschwunden. Und da zwischen dem Weißen Rat der Zauberer und dem Roten Hof ein Waffenstillstand herrscht, ist die Verstärkung durch seine „eigenen Leute“ sehr dünn gesät, um nicht zu sagen – gar nicht vorhanden.

Eine neue Quelle der Macht

Da es um nichts Geringeres als Leben seines Kindes und Susans Menschlichkeit geht, und außerdem sein eigener Tod droht, muss Dresden eine neue Quelle der Stärke finden. In der Vergangenheit gab es immer eine Grenze, die Harry nicht überschreiten wollte. Obwohl ihn finstere Mächte immer wieder in Versuchung geführt haben, hat er sich nie der vollen Wut seiner eigenen, unausgeschöpften dunklen Kräfte hingegeben. Aber damals stand ja auch nur sein eigenes Leben auf dem Spiel.

Wir haben hier natürlich Harry Dresden vor uns, aber es ist ein Harry, wie ihn die Leser noch nie gesehen haben. Er verändert sich buchstäblich vor unseren Augen, während er seine bisher schwierigste Mission in Angriff nimmt: die Rettung seiner Tochter aus den Fängen der Vampire des Roten Hofes.

Ein neuer Handlungsstrang

Bei früheren Romanen dieser Reihe wurde unter anderem kritisiert, dass sich Butcher zu viel Zeit gelassen hat, um einen langjährigen Handlungsbogen über eine mysteriöse Gruppe schwarzer Magier (bekannt als der Schwarze Rat) auszubauen, die möglicherweise die höchsten Ebenen des Weißen Rates der Zaubererwelt infiltriert haben. Dieser Handlungsstrang wird für die Änderungen hier erst einmal beiseite gelegt, und an seine Stelle tritt ein überraschender neuer Handlungsstrang über die junge Tochter, von der Harry nie wusste, dass er sie hat, die sich in den Händen der Vampire des Roten Hofes in Lebensgefahr befindet. Damit hat der Leser ganz sicher nicht gerechnet!

Butcher lässt nicht lange auf sich warten und überrascht sowohl die treuen Leser der Serie als auch Harry auf der ersten Seite des Romans mit der Nachricht, dass er Vater geworden ist und seine Tochter entführt wurde. Von da an lässt er die dramatische Spannung und das Tempo des Romans auf den nächsten rund 400 Seiten nicht mehr nach.

Harry Dresden hat in seiner Karriere als Magier sicherlich schon große Herausforderungen gemeistert. Er ist vielleicht nicht immer mit heiler Haut davongekommen, aber er hat seine Begegnungen mit Dämonen, Hexenmeistern, Zombies, Feen und Gespenstern immer gewonnen. Diesmal scheint alles gegen ihn zu stehen. Sein Feind ist gewaltig – die alte herrschende Vampir-Elite des Roten Hofes, seine Verbündeten sind dünn gesät – ganz zu schweigen davon, dass sie waffentechnisch unterlegen sind. Die Verzweiflung führt ihn auf seinen bisher dunkelsten Weg und bringt ihn weit weg vom braven Harry, der in den ersten Büchern dieser Reihe zu finden war.

Wandel ist ein entscheidender Roman für die Dresden Files und enthält auch einige von Jim Butchers besten Passagen in der Serie. Der verworrene Handlungsstrang ist gut durchdacht und verschleiert den schockierenden Höhepunkt der Geschichte auf angemessene Weise, während es an Witz und Zauberei nicht mangelt, um wie immer – bei aller Dramatik – auch unterhaltsam zu sein. Vampirfans kommen hiervoll auf ihre Kosten, denn dies ist eine der vampirzentriertesten Geschichten der Serie überhaupt. Hartnäckige Vampir-Attentäter sorgen für reichlich Gefahr für Harry und seine Freunde – das mystische Maya-Thema für den Hof der Roten Vampire ist nur ein spannender Bonus für Fans des Übernatürlichen.

Wandel ist erneut ein fantastischer Roman, der die Fans der Dresden Files garantiert nach mehr verlangen lässt. Ganz zu schweigen davon, dass er sie mit Fragen zurücklässt wie „Wohin wird Harry von hier aus gehen?“ und „Wie weit kann er einen solch dunklen Pfad überhaupt beschreiten?“


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