Barbara Steele. Barbric für Fans. Die eigenwillig schöne Britin mit den grünen Katzenaugen und dem rabenschwarzen Haar hinterließ bahnbrechenden Eindruck, als das Leben sie in die ewige Nacht zurück holte. Sie erwachte in einer Gruft. Und wurde berühmt. So herrlich unkompliziert läuft es manchmal.
Dieses erste Zucken, dieser Wimpernschlag, dieser einmalige Blick, den sie in gruselige Finsternis wirft…das haftete an, das Bild war gemalt und ging um die Welt: Eine Hexe mit einer auf ihr Gesicht geschlagenen Dornenmaske steigt, versehentlich mit Frischblut erweckt, in dem Film Die Stunde, wenn Dracula kommt (Kinostart: 1960) nach 200jährigem Pseudo-Schlaf aus ihrem steinernen Grab und hat (natürlich) Finsteres im Sinn: Rache nehmen, ihren getöteten Liebhaber zurück ins Leben holen und eine Verwandte (Doppelrolle für Steele) aussaugen, um sich selbst optimal wieder herzustellen.
Die Eisenmaske kommt zuerst runter, Steele sieht (noch!) nicht wirklich gut aus. Dieses Ding mit den spitzen dicken Nägeln in der Innenseite, die klaffende Löcher hinterlassen haben, war für die damalige Zeit eine einzige Furcht-Attacke auf eh schon verschreckte Zuschauer. (M)ein ewig diabolisch grinsender Alptraum (unter anderem). Wer das später im Fernsehen irgendwie im Pippi-Langstrumpf-Alter gesehen hat, weiß, was gemeint ist.
Alt, dunkel, fies und gruselig
Der Film geht grundsätzlich nicht allzu zimperlich mit Nerven um, die noch nicht so viel Erfahrung mit Überraschungs-Strapazen recht hübsch-fieser Machart haben: Auch, wenn es heutzutage auf der Leinwand deutlich extremer abgeht…hier durchdringt die durchweg düstere Atmosphäre alles; es ist alt und dunkel und gruselig und doch irgendwie so elegant und künstlerisch gemacht, das verdient einfach großen Respekt. William K. Everson schreibt in „Klassiker des Horrorfilms“:
„Einige Szenen beuten Sadismus und Schmerz in übertriebener Weise aus. Doch ansonsten ist der Film eine visuell phantastische Fingerübung in barockem Horror.“
Auf den wesentlichen Punkt bringt es das „Lexikon des Internationalen Films“: »Die Fotografie orientiert sich an der Ästhetik des Stummfilms.“ So ist das richtig. Verteufelt gute Fotos. Und eine teuflisch gute Frau. Die zur Schock-Ikone wurde und das gar nicht so recht wollte. Als sie dann später wirklich nur noch Erinnerung an weiblichen Horror-Wahnsinn in glanzvoll dunkler Nacht war, hat sie vielleicht bedauert, dass es nicht doch weit und weiter nach oben gegangen war. Vorerst aber galt sie in den Folgejahren als Königin. Queen of Terror, Miss Dracula oder The World’s Reigning Horror Queen nannte man sie ehrfürchtig.
Und so gänzlich skeptisch, selbst, wenn sie das später gern behauptete, – sie spielte auch unter Fellini und Schlöndorf, das war ein ganz anderer Anspruch, der ihr gefallen hat – , trug sie ihre schwarz lackierte Krone mit Sicherheit nicht.
Mit ihrer Rolle der untoten Asa wurde Barbara Steele (geb. 1937), die sich zuvor mit bescheidenen Starlet-Auftritten und als Fotomodell durchgeschlagen hatte, zur weiblichen Kultfigur des Horror-Films der 1960er Jahre. Keine andere war so unheimlich, so lauernd und fesselnd, so faszinierend, ohne aufdringlich in einer erotischen Unantastbarkeit zu wirken.
Zensur für das Faceless Monster
Die Stunde, wenn Dracula kommt, eine italienische Produktion (Originaltitel: La maschera del demono), war für Steele und Regisseur Mario Bara ein Meistertreffer ins Schwarze. Als „Black Sunday“ mit neuem Soundtrack versehen wurde dieser Film in den USA und in Frankreich zum Kassenknüller. In England war er bis 1968 wegen extremer Gewaltdarstellung verboten, – die englische Presse nannte die Landsmännin frech Faceless Monster – , in anderen Ländern lief er nur in stark gekürzter Version. Die Zensur in Deutschland fiel erstaunlich gnädig aus, man schnitt nur ein bisschen weg; dafür erdachte man sich in gewohnt haarsträubender Manier einen Titel, der (natürlich) nicht hinhaut:
Die Geschichte hat mit Bram Stoker’s Dracula rein gar nicht zu tun, allein, der Name lockt(e). Ähnlich pfiffig machte man es bei Curse of the Crimson Altar (1968) mit Barbara Steele neben den Horror-Ikonen Christopher Lee und Boris Karloff. (Der letzte Auftritt von „The Uncanny“) Der ging bei uns unbekümmert irritierend als Die Hexe des Grafen Dracula an den Start, lief auch als Schwarze Messe auf blutrotem Altar. Das hört sich hübsch blöd billig an, und das nun wird der britischen Produktion, die auf sehr unterschiedliche Kritiken stieß, nicht wirklich gerecht. Der Film behandelt, großzügig locker betrachtet, eine Erzählung von H. P. Lovecraft, „Träume im Hexenhaus“ (The Dreams in the Witch House); er bleibt leicht verworren, ist aber zweifellos spannend, wenn auch kein Genre-Highlight.
Kaum war Die Stunde, wenn Dracula kommt auf der Leinwand, drehte Barbara Steele an der Seite von Vincent Price in Hollywood Das Pendel des Todes (1961, Regie: Roger Corman). Als Vorlage diente hier die Kurzgeschichte „The pit and the pendulum“ von Edgar Allan Poe, Steele spielt die Ehefrau eines spanischen Schlossherrn, der sich nach traumatischem Kindheitserlebnis mit dem unguten Gefühl quält, sie nach ihrem Tod?! lebendig begraben zu haben. Ein toller Film, göttlich fürchterlich. Die beiden Hauptdarsteller bilden ein echtes Alptraumpaar, es knistert(e) böse.
Und weiter? In „Caged Heat“ (Zuchthaus der verlorenen Seelen, 1974) ist Steele als sadistische, im Rollstuhl sitzende Frauenknast-Direktorin zu sehen, in „Shivers“ (Parasitenmörder, 1975) stirbt sie nackt in einer Badewanne.
Neue böse Welle spülte sie weg
Die Zeit schluckte ihren großen Namen, die neue Welle im Genre spülte sie weg. Die legendären Londoner Produktionsstudios Hammer Films, spezialisiert auf gut gemachten Horror, ignorierten sie, man wollte einen anderen Frauen-Typus, nackt, ungeschmückt, reell, freilich auch austauschbar und ohne wirkliches Markenzeichen: Ingrid Pitt galt Anfang der 1970er als die neue Königin, – Comtesse des Grauens und Gruft der Vampire waren tatsächlich absolute Leinwand-Hits -, aber ihr Stern verblasste sehr schnell. Sie verschwand im Durchschnitts-Land. Dort, wo man Außergewöhnliches wie eine Barbara Steele nicht findet.
Freilich ist sie nie so gänzlich untergetaucht, hat als Produzentin gearbeitet, in Fernseh-Serien („Dark Shadows“, 1991) mitgewirkt und spielte auch wieder in zwei Horror-Filmen tragende Rollen: In „Butterfly Room“ (2012) konserviert sie mit gewissen Hintergedanken Schmetterlinge, „Lost River“ (2014) ist ein düsteres Märchen.
Für uns bleibt sie altes, ewig junges Blutsauger-Thema. Da gehört sie hin, da gehört sie rein. In Film, Sarg, Leidenschaft, Schönheit, Angst und Gänsehaut. Steele, die extra-schöne Schwarze mit den Extra-Augen, die (Zitat unbekannt) „logical daughter of any union between Christopher Lee and Cyd Charisse“.
Entdecke mehr von Phantastikon
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Be First to Comment