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Der Thriller – Die reine Sensation

Das uns allen vertraute Genre des Thrillers zeichnet sich durch seine Ungewissheit und die ständige Erregung der Sinne aus, die zusammen ein gemischtes Gefühl von Beklemmung und Verwunderung erzeugen, durchsetzt mit Furcht und sogar Angst. Diese Bandbreite an Gefühlen und Erfahrungen wird durch eine unvorhersehbare Handlung erreicht, bei der der Leser (oder Zuschauer) die Folgen eines Ereignisses abschätzt. In der Regel steigert sich die Spannung in einem Thriller, sobald sich die Geschichte dem Höhepunkt nähert, gefolgt von einem unvergesslichen Ende.

Dank der nervenaufreibenden Elemente wie Spannung und Verbrechen, Verschwörung und Rache gehört der Thriller seit jeher zu den kreativen Genres (das betrifft nicht nur die Literatur), die die Aufmerksamkeit des Publikums über viele Jahrhunderte hinweg fesselten. Bei der Erwähnung des Wortes Thriller denken viele wahrscheinlich an Alfred Hitchcock und seine herausragenden Filme, zum Beispiel „Psycho“. Die Geschichte des Genres reicht jedoch weit in die Antike zurück.

Der Begriff „Thriller“

Wenn wir uns zunächst die Herkunft des Wortes „Thriller“ ansehen, dann stoßen wir bereits im frühen 14. Jahrhundert auf das altenglische Wort þyrlian, das „durchlöchern“ „oder durchstechen“ bedeutet. Der Begriff þyrel bedeutete im Mittelenglischen etwa „Nasenloch“. Und dann gibt es noch den Begriff þurh, der „durch“ bedeutet, vergleichbar dem mittelhochdeutschen „dürchel“, der ebenfalls „durchbohrt“ oder „durchlöchert“ bedeutet. Der Begriff „ein zitterndes, erregendes Gefühl geben“ ist erstmals in den 1590er Jahren mit dieser Bedeutung belegt, und der Hintergrund ist die metaphorische Vorstellung davon, etwas „mit Gefühl zu durchdringen“.

In erster Linie ist dieses Genre also für das erzeugen emotionaler Intensität bekannt. Das Fehlen von Informationen, die erzeugte Angst, das Geheimnisvolle – all das ist in diesem Genre vorhanden. Die Hauptfigur hat eine schwierige Aufgabe zu erfüllen, die eine heldenhafte Anstrengung oder ein Opfer erfordert, um sie zu vollenden.

Die Spannung kann im Laufe des Buches zunehmen oder den Leser von der ersten Seite an ergreifen. In jedem Fall muss das Werk die meiste Zeit über spannend bleiben. Aber das Hauptmerkmal eines jeden Thrillers ist seine Intensität, die den Leser buchstäblich zu einem wahren Reiten auf den Wellen der Intrigen und Leidenschaften veranlasst.

Oft ist das Versprechen eines ausgezeichneten Thrillers nicht nur das hohe Können des Autors, sondern auch eine gründliche Recherche des Themas und eine verwickelte und fesselnde Handlung, die direkt im Wort selbst steckt: es soll ein zittern und beben im Leser ausgelöst werden.

Dies kann im Grunde als Hauptziel des Thrillers angesehen werden. Darüber hinaus liefert der Thriller aber auch oft recht detaillierte Informationen über sein eigenes Setting, zum Beispiel über das Rechtssystem, das medizinische System, die Geschichte der Spionage usw. Es gibt also Autoren, die auf der Grundlage ihrer medizinischen oder militärischen Erfahrung Romane mit einem komplizierten und faszinierenden Plot erschaffen.

Ein Thriller ist kein Krimi

Sehr oft werden Krimis mit Thrillern verwechselt, aber es gibt einen offensichtlichen Unterschied zwischen diesen beiden Genres. In Krimis stößt die Hauptfigur auf ein Rätsel (z. B. einen Mord) und muss Hinweise finden, um die Lösung zu finden. Im Thriller wird die Hauptfigur mit einer schrecklichen Situation konfrontiert (eine drohende Katastrophe, Serienmörder, unbekannte Viren usw.), deren Lösung in der Entwicklung neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten besteht.

Im Thriller liegen alle Hinweise auf der Hand, so dass der Leser eher steile Wendungen der Handlung erwartet als ungewöhnliche Antworten auf Fragen. Thriller berühren die Gefühle des Publikums in erheblichem Maße, während Detektive die Verbindung mit der intellektuellen Seite des Falles erfordern.

Thriller zeichnen sich durch Spannung aus – ein Gefühl von angenehmer Faszination und Aufregung über das, was als Nächstes kommt, gemischt mit Befürchtungen, Vorfreude und eben manchmal sogar Angst. Diese Gefühle entwickeln sich im Laufe einer Erzählung aus unvorhersehbaren Ereignissen, die den Leser oder Zuschauer dazu bringen, über die Konsequenzen der Handlungen bestimmter Figuren nachzudenken. Die spannungsgeladenen Gefühle steuern auf einen Höhepunkt zu, der mit Sicherheit in Erinnerung bleiben wird.

Dabei ist das Genre keineswegs ein modernes.

Die Evolution der Thriller

Rotkäppchen ist ein frühes Beispiel für das Psycho-Stalker-Thema.

Die Odyssee von Homer gilt als einer der frühesten Prototypen des Genres und verwendet ähnliche Techniken wie die modernen Thriller von heute. Der Held dieses Epos, Odysseus, macht sich auf die Heimreise zu seiner Frau Penelope und muss dabei außergewöhnliche Strapazen und Prüfungen bestehen. Er kämpft mit Zyklopen, einem einäugigen Riesen, und den Sirenen, die Seeleute in den Tod singen, während er auf seiner Heimreise aus dem Trojanischen Krieg mit dem Meer selbst kämpft. Diese Begegnungen erzeugen allesamt Spannung und lassen den Leser mit der Frage zurück, ob Odysseus es jemals nach Hause schaffen wird, und wenn ja, wie er es schaffen wird.

Eine häufige Konvention des Genres ist die Psycho-Stalker-Geschichte. Rotkäppchen ist ein frühes Beispiel für das Psycho-Stalker-Thema. Dieses europäische Märchen lässt sich bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen und erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das durch den Wald geht, um seiner kranken Großmutter Essen zu bringen. Sie begegnet einem Wolf, in manchen Versionen dem „Großen Bösen Wolf“, und sagt ihm, wohin sie geht. Er kommt ihr zuvor, frisst die Großmutter und wartet verkleidet als eben diese Großmutter auf das Mädchen, während sich der Leser fragt, ob das kleine Mädchen einen solch bösen Feind überleben wird.

Im 19. Jahrhundert wurden den Gebrüdern Grimm zwei verschiedene deutsche Versionen dieses Märchens vorgelegt, und sie haben es dann in die heute geläufige Geschichte verwandelten, über die es unzählige Analysen gibt.

Das Aufkommen des Rachekrimis

Der 1844 von Alexandre Dumas geschriebene Graf von Monte Cristo ist ein gewagter und abenteuerlicher Rachethriller über einen Mann namens Edmond Dantès, der von seinen Freunden verraten wird und zu Unrecht im Gefängnis sitzt. Dort trifft er auf einen alten Mann, der ihm alles beibringt und ihm das Versteck eines großen Schatzes verrät. Edmond erwirbt dieses Vermögen und rächt sich an denen, die sein Leben zerstört und ihn eingesperrt haben. Dieser Literaturklassiker nimmt die Leser mit auf ein gefährliches und spannendes Abenteuer, das Edmonds Suche nach Rache, Zufriedenheit und schließlich Frieden begleitet.

Das Kernstück eines guten Thrillers war aber von Anfang an die Psychologie. Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, dass der Psychothriller neben dem Spionage- oder Agententhriller und dem Horror-Thriller das Zentrum des Genres bildet.

Der Psychothriller

Wie viele andere revolutionäre Konzepte wie den Schauerroman oder den Krimi, der sich daraus ergeben hat, haben wir auch den Psychothriller den Viktorianern zu verdanken.

Der Monddiamant wird oft als der erste Detektivroman überhaupt angesehen (was er aber nicht ist). Hier die Ausgabe bei dtv.

Wilkie Collins ist der heute wenig bekannte Erfinder der Idee des psychologischen Thrillers. Obwohl er weniger bekannt ist als Dickens oder die Brontë-Schwestern, kann man diesen viktorianischen Innovator als einen der einflussreichsten Romanautoren seiner Zeit bezeichnen.

In den 1860er Jahren veröffentlichte Collins vier Romane, die oft als „Sensationsromane“ bezeichnet werden: „Die Frau in Weiß“, „Die Namenlosen“, „Der rote Schal“ und „Der Monddiamant“ – Romane, die zur Zeit ihres Erscheinens sehr populär waren und das viktorianische Publikum mit ihren düsteren Rätseln, die an gewöhnlichen und vertrauten Schauplätzen spielten, in Erstaunen und Schrecken versetzten.

In diesen großartigen Romanen erfand Collins eine Reihe von erzählerischen Tricks und Methoden, auf die Krimiautoren noch heute zurückgreifen. Ein solches Element ist die Idee, dass die Hauptfiguren sich nicht auf ihre eigenen Erinnerungen verlassen oder ihnen zumindest nicht trauen können – und dass sie nicht wissen, ob sie tatsächlich für ein Verbrechen verantwortlich sind. Dieses Konzept des „unzuverlässigen Erzählers“ ist heute in der Ich-Erzählung eines Thrillers gang und gäbe, wie in Girl On The Train von Paula Hawkins, mit der Erzählerin Rachel, die unter alkoholbedingtem Gedächtnisverlust leidet.

In Collins‘ Roman „Der Monddiamant“ ist es das Opium, das für diese Idee der Unzuverlässigkeit sorgt – etwas, das Collins‘ enger Freund Charles Dickens so faszinierend fand, dass er dessen Einflüsse in seinen eigenen unvollendeten psychologischen Thriller „Das Geheimnis des Edwin Drood“ aufnahm. Der Monddiamant wird oft als der erste Detektivroman überhaupt angesehen, in dem ein unbezahlbarer Mondstein-Diamant gestohlen wird, was zu Anschuldigungen und Verdächtigungen gegen alle Figuren führt. Collins erlebte die Opiumsucht am eigenen Leib und verlieh den Auswirkungen auf seine Erzähler eine realistische Ebene.

Unzuverlässige Erzähler im Thriller

Collins entwickelte auch das immer bekannter werdende Mittel mehrerer Erzähler, die ihre eigene Perspektive präsentieren – einige von ihnen können Personen sein, von denen wir (die Leser) selbst entscheiden müssen, ob wir ihnen vertrauen oder nicht. Im Vorwort zu „Der Monddiamant“ drückt Collins diesen revolutionären Schritt in seinen eigenen Worten aus:

„In diesem Roman wird ein Experiment versucht, das (soweit ich weiß) bisher in der Belletristik noch nicht versucht worden ist. Die Geschichte des Buches wird durchgehend von den Figuren des Buches erzählt.“

Das Fehlen eines allwissenden Erzählers versetzt den Leser in eine unangenehme Lage, in der die Erzähler, auf die wir uns verlassen, in Wirklichkeit der Mörder sein könnten, den wir gerne gefasst hätten. Wie in „Gone Girl“, wo die abwechselnden Erzählungen von Nick und Amy dazu dienen, widersprüchliche Standpunkte darzustellen, hält diese Technik den Leser im Ungewissen und lässt ihn die Legitimität der einzelnen Figuren in Frage stellen. Dies hat einen großen Anteil an der fesselnden Lektüre, die wir uns von Psychothrillern erwarten. Auf diese Weise leistete Collins Pionierarbeit für das, was ein früher, aber kluger Kritiker als die Fähigkeit bezeichnete, „sein Publikum in Unbehagen zu versetzen, ohne ihm den Grund dafür zu verraten“.

Seine Bücher besitzen eine Lebendigkeit, die im modernen psychologischen Thriller weiterlebt.

Thriller lassen sich in viele verschiedene Untergenres und Kategorien einteilen, und wir haben hier nur an der Oberfläche gekratzt. Das Genre hat sich im Laufe der Jahre an vielen verschiedenen Orten und in viele verschiedene Settings aufgeteilt. Im Großen und Ganzen hat es James Patterson am besten ausgedrückt, als er in seinem 2016 erschienenen Buch „Thriller: Stories to Keep You Up All Night“ sagte:

„Thriller bieten ein so reichhaltiges literarisches Festmahl … diese Offenheit für Erweiterungen ist eine der beständigsten Eigenschaften des Genres. Was bei aller Vielfalt der Thriller jedoch allen gemeinsam ist, ist die Intensität der Gefühle, die sie hervorrufen, insbesondere die der Beklemmung und des Hochgefühls, der Aufregung und der Atemlosigkeit, die alle darauf abzielen, den so wichtigen Nervenkitzel zu erzeugen. Wenn ein Thriller nicht spannend ist, erfüllt er per definitionem nicht seine Aufgabe.“


James Patterson: Thriller – Stories To Keep You Up All Night (Zitat übersetzt von Michael Perkampus).

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