Schauer hinter Klostermauern

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Eine wahrhaft böse Geschichte über einen Mönch namens Ambrosius schreibt 1796 Matthew Gregory Lewis. Moralische Schwäche, letztendlich Skrupellosigkeit bescheren Ambrosius ein arg verwerfliches Ende.

Es sei erzählt: Ambrosius, nach außen hin gebührlich sittenstreng, erliegt den Reizen der schönen Matilda, einer vom Teufel gesandten Hexe. Deren Herr und Meister zeigt sich bestätigt angesichts der Fleischelslust des wankelmütig Frommen, den nunmehr, da die Gier geweckt ist, weiteres Verlangen packt. Er lauert Antonia auf, einem fünfzehnjährigen Mädchen aus dem Dorf, und tötet die Mutter Donna Elvira, unverhofft Zeugin seiner versuchten Vergewaltigung, die ihm als Ordensmann zum Verhängnis geworden wäre.

Möge an dieser Stelle bereits das alte Sprichwort mahnend zitiert sein: Hat der Fuchs noch Zähne, geht er nicht ins Kloster.

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Freud als Krimiautor

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Freuds Entdeckung der Psychoanalyse mag heute fast in Vergessenheit geraten sein oder nur noch selten praktiziert werden – zu zeitaufwendig, zu teuer, nicht ausreichend wissenschaftlich dokumentiert -, aber sein schriftstellerisches Können ist sicherlich immer noch da, um von uns nachgeahmt und genossen zu werden. Nicht umsonst hat er den Goethe-Preis erhalten. Besonders in seinen fünf berühmten Fallgeschichten, die sich wie Krimis lesen, können wir diese Kompetenz bewundern. Vielleicht ist die früheste seiner Fallgeschichten, die 1905 veröffentlicht wurde und als der Fall Dora bekannt ist, das beste Beispiel dafür. Dora, die in Wirklichkeit Ida Bauer hieß, entkam nach dreimonatiger Behandlung, was es Freud aufgrund der Kürze des Falles ermöglichte, ihn leichter aufzuschreiben. Dora, die die Behandlung verweigerte, gab ihm gewissermaßen das Geschenk der Fallgeschichte.

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Der Ruf der Leere

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Phantastikon – Magazin der Tausend Fiktionen
Phantastikon – Magazin der Tausend Fiktionen

Das PHANTASTIKON ist ein Kultur- und Literaturpodcast, der interessante Geschichten aufspürt. Wo immer sich also eine interessante Geschichte verbirgt, versuchen wir sie zu finden.

Episode 97: Der Ruf der Leere
byMEP

Der „Ruf der Leere“ ist ein komplexes und paradoxes Phänomen, bei dem der menschliche Geist für einen flüchtigen Moment gegen sich selbst zu arbeiten scheint, bevor das rationale Denken die Kontrolle übernimmt. Obwohl es auf den ersten Blick beunruhigend erscheinen mag, ist diese Erfahrung viel verbreiteter, als viele glauben. Zahlreiche Wissenschaftler und Philosophen haben sich mit der Frage beschäftigt, warum dieses Phänomen auftritt – doch eine eindeutige Erklärung gibt es bis heute nicht.

Der „Ruf der Leere“ ist ein komplexes und paradoxes Phänomen, bei dem der menschliche Geist für einen flüchtigen Moment gegen sich selbst zu arbeiten scheint, bevor das rationale Denken die Kontrolle übernimmt. Obwohl es auf den ersten Blick beunruhigend erscheinen mag, ist diese Erfahrung viel verbreiteter, als viele glauben. Zahlreiche Wissenschaftler und Philosophen haben sich mit der Frage beschäftigt, warum dieses Phänomen auftritt – doch eine eindeutige Erklärung gibt es bis heute nicht.

Vielleicht hast du es selbst schon erlebt: Du stehst an einem hochgelegenen Ort – einer Klippe, einer Brücke – und plötzlich schießt dir der Gedanke durch den Kopf: „Was wäre, wenn ich springen würde?“ Ohne eine wirkliche Absicht zu haben, spürst du diesen irrationalen Impuls. Dieses Phänomen nennt man den „Ruf der Leere“ oder auf Französisch „l’appel du vide“. Es ist aber nicht auf die Höhe beschränkt: Ähnlich aufdringliche Gedanken können sich in alltäglichen Situationen äußern, sei es der Drang, in den Gegenverkehr zu lenken, oder das plötzliche Bedürfnis, in einer stillen Bibliothek laut zu schreien. Solche Gedanken sind spontan, unwillkürlich und stehen meist in krassem Gegensatz zu unseren bewussten Absichten.

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Das Jahr der Spukhäuser

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Jedes Haus wird heimgesucht. Die Frage ist, wovon?

Sobald man ein Haus betritt, weiß man es. Manche fühlen sich gut an, andere nicht. Und wie ein guter Wein sind ältere Häuser komplexer.

Im Sommer 20xx wurde ich nach Irland geschickt, um als Mitglied der Stonecoast MFA an einem Creative Writing-Programm teilzunehmen. Ich war dankbar für die Chance, herumzureisen und ungeduldig, diese Erfahrung zu machen, muss allerdings gestehen, dass Irland vor meiner Ankunft nicht auf meiner Liste stand. War Wales nicht malerischer? Und von London aus nicht besser zu erreichen?

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Niemals ist etwa Schreckliches geschehen

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Victoria Amelina * 1.1.1986 in Lviv – † 1.7.2023 in Dnipro.

Ukrainische Phantastikautorin; getötet durch einen russischen Raketenangriff auf ein Restaurant. Sie sagte, kein Autor sei jemals wirklich vergessen, solange er gelesen wird – sorgen wir dafür, dass Amelina nicht in Vergessenheit gerät!

Victoria Amelina
Niemals ist etwas Schreckliches geschehen

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Die Legende vom Grand Guignol

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Es gibt eine Legende über das schaurige Pariser Théâtre du Grand Guignol, die von der nicht zimperlichen, makabren Natur seiner Horrorstücke und blutigen Spezialeffekte zeugt. Einem Artikel der New York Times aus dem Jahr 1957 zufolge war es durchaus üblich, dass Zuschauer während der Aufführungen vor Schreck in Ohnmacht fielen (in der Vorkriegszeit waren es durchschnittlich zwei pro Abend). Als bei einer Aufführung ein Mann, der sich ein Gruselstück ansah, in Ohnmacht fiel, wurde der Hausarzt geholt. Es konnte jedoch kein Arzt gefunden werden. Als der bewusstlose Mann wieder zu sich kam, entschuldigten sich die Theatermitarbeiter dafür, dass sie ihren Hausarzt nicht auftreiben konnten. Der Mann erklärte müde: „Ich bin der Arzt“.

Grand Guignol, 1937

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