Jüngst in diesen Tagen erscheint dort auch der zweite Arthur-Erzählband mit dem Titel "Im Kabinett der Illusionen". Man kann nur hoffen, das dies nicht der letzte Band war, denn bei Arthur gibt es noch viel zu entdecken.
Jetzt aber erst einmal zu den "Geistern, die ich rief". Da gibt es gleich eine weitere Besonderheit, und die bezieht sich auf die Übersetzung. Meistens bin ich jemand, der mit Übersetzungen auf Kriegsfuß steht, weil sie einfach wahnsinnig schlecht sind. Und sie werden immer schlechter und schlampiger. Hier ist genau das Gegenteil der Fall. Die Übersetzerin ist Anja Herre. Auf ihrer Webseite gibt sie an, dass sie Bücher aus dem Englischen übersetzt (und so auch aus dem Russischen), lektoriert, hinschreibt, umschreibt und nach en richtigen Vorworten, Nachsilben, Bildern und Klängen und Pausen sucht. Das hört sich jetzt nicht nach einer gewöhnlichen Übersetzerin an, und das ist sie auch nicht. Ich kenne einige Originaltexte von Arthur und war am Anfang skeptisch, vor allem nach ihrem Vorwort. Ich dachte mir: wenn ich Robert Arthur lesen will und eine Nachdichtung bekomme, werde ich ziemlich ungehalten sein. Aber das war überhaupt nicht nötig. Ganz im Gegenteil bekommen die skelettierten Geschichten ein Polster und ein Kleid aus einer hervorragend komponierten Sprache, die zwar jedem Detail aus Arthur Erzählungen folgt, aber eben auf eine Weise, die all die Geschichten besser machen. Das hat mich dann doch verblüfft, vor allem in einer Zeit, da Sprache nicht einmal mehr bei Verlagen auch nur ansatzweise einen Stellenwert zu besitzen scheint (und auch die Übersetzungen der drei Fragezeichen von Leonore Puschert unglaublich schlecht sind).
Auf der Rückseite der Originalausgabe "Ghosts and more Ghosts" schrieb Robert Arthur folgendes:
Die meisten dieser Geschichten wurden in einem großen Haus in den Wäldern des Staates New York geschrieben. Das Haus trug den Namen "Many Stories"; ein Grund, warum das Haus diesen Namen trug, waren die drei Stockwerke inklusive Dachboden und Keller. Ein weiterer Grund waren die ganzen Geschichten, die dort geschrieben wurden, um sie zu verkaufen.
Das Haus war genau richtig für die Arbeit an seltsamen und geisterhaften Geschichten. Als ich mit meiner Familie dort einzog, stand es schon viele Jahre leer. Die Nachbarn waren alle der Meinung, dort würde es spuken. Wenn ich in der Nacht an einer Geschichte schrieb, konnte ich komische Geräusche hören, ein Gewusel kleiner Schritte im Keller, ein Scharren und Flüstern in den Wänden, ein Kieksen und Rascheln, das vom Dachboden direkt über meinem Kopf nach unten drang.
Ich fand heraus, dass die Geräusche auf den Dachboden von einer Kolonie Fledermäuse stammte, die hier schon seit Jahren lebte, während das Haus leer stand. Manchmal, wenn die Fledermäuse durch die Risse, die ihnen als Ein- und Ausgang dienten, eine falsche Abzweigung nahmen, kamen sie in mein Arbeitszimmer im dritten Stock geflogen.
In einer Nacht kamen gleich drei dieser Tiere auf einmal an und huschten und glitten um meinen Kopf herum, als ob sie ein altes magisches Ritual vorbereiten wollten. Ich wusste, dass sie mich genausowenig berühren wollten wie ich sie. Also schrieb ich einfach weiter, und das Rascheln in den Wänden und das Flüstern ledriger Flügel waren die unheimliche Begleitmusik zum Klackern meiner Schreibmaschine.
Das war eine großartige Atmosphäre, um Geister und Dämonen und Gespenster und Zaubersprüche und Hexen beschwören zu können. Ich hoffe, manches davon hat seinen Weg in diese Sammlung gefunden, und dass ihr die Geschichten ebenso genießt wie ich das Schreiben. - Übers. MEP
Die 10 Geschichten in diesem Buch decken eine gewisse Bandbreite des Phantastischen ab. Man könnte sie auch eher als "wunderlich" anstatt "geisterhaft" beschreiben. Manche davon lassen sich auch hervorragend weiterträumen. Es gibt keinen Ballast in ihnen, kein unnötiges Wort, ohne dass deshalb irgendetwas zu kurz kommt. Diese unglaubliche Ausbalanciertheit ist Arthurs Markenzeichen und er beherrscht es so gut wie kaum einer aus der Pulp-Ära. Richtig beunruhigend ist tatsächlich die erste Geschichte mit dem Titel "Unsichtbare Schritte" (Footsteps Invisible), die auch gleichzeitig eine seiner berühmtesten ist.
Ein blinder Zeitungsverkäufer wird von einem berühmten britischen Archäologen gebeten, sein scharfes Gehör einzusetzen, um der unerbittlichen Macht, die ihn jagt, einen Schritt voraus zu sein. Dies ist ein unheimlicher Einstieg in das Buch, der Arthurs Fähigkeit unterstreicht, in seinen Erzählungen eine bestimmte Art von Unsicherheit und Grauen zu wecken.
"Mr. Miltons Gabe" (Mr. Milton's Gift) Ein Mann, der auf der Suche nach einem Geschenk für seine Frau zum Jahrestag ist, bekommt mehr, als er erwartet hat, als er auf einen ungewöhnlichen Kuriositätenladen stößt. Es ist eine der humorvolleren Geschichten in der Sammlung und spiegelt sehr schön die Bandbreite der Geschichten wider, zu denen Arthur fähig war.
"Die Rosenquarzglocke" (The Rose Crystal Bell) - Eine weitere Geschichte, die sich um ein Geschenk dreht, handelt von einem Chirurgen und seiner Frau, die eine einzigartige Glocke mit einem abschreckenden Ruf erwerben. Es ist eine der düstersten Geschichten, der Arthur bis zum Schluss ein angenehmes Element der Ungewissheit hinzufügt, ob hier überhaupt eine übernatürliche Kraft im Spiel ist.
"Post aus El Dorado" (The Stamps for El Dorado) - Diese Geschichte handelt von einem jungen Mann, der über einen einzigartigen Satz Briefmarken aus einem fernen (eigentlich nicht existenten - oder vielleicht noch nicht gefundenen) Land stolpert. Die Prämisse ist wunderbar magisch und die Geschichte ist witzig, aber garniert mit einem Hauch von Melancholie zum Schluss.
"Der wundervolle Tag" (The Wonderful Day) - Ein Kind, das mit Windpocken im Bett bleiben muss, besitzt eine magischen Gabe und wird in der kleinen Stadt, in der es lebt, zu einer schicksalsmächtigen Kraft. Dies ist eine weitere Geschichte, die eher zum Fantastischen als zum Schrecklichen tendiert, denn sie serviert eine beträchtliche Menge an gerechten Desserts in einer sehr buchstäblichen Weise.
"Ein komischer Vogel" (Don't Be a Goose) - Ein nebulöser Physikprofessor reist in seinem Streben nach Größe mit Hilfe eines Zaubers in die Vergangenheit - mit überraschendem Ergebnis: Er findet sich im Körper eines Ganters wieder. Doch sein Traum, die Weltgeschichte zu verändern, gelingt ihm ausgerechnet durch diesen ungeplanten Fehler.
"Glauben Sie an Geister?" (Do You Believe in Ghosts?) - Ein Radiomoderator ist ein wenig zu erfolgreich darin, die Fantasie seiner Zuhörer zu beflügeln. Diese Geschichte ist ebenfalls in der von Frank Festa herausgegebenen Anthologie "Das Buch der Geister und Spukhäuser" enthalten, dort aber übersetzt von Alexander Amberg.
"Sturkopf Onkel Otis"(Obstinate Uncle Otis) - Nachdem er vom Blitz getroffen wurde, erhält ein sturer Mann die Macht, seine Welt nach seinen Vorstellungen zu gestalten, indem alles verschwindet, woran er vor lauter Sturheit nicht glaubt. Auch hier zeigt sich Arthurs Fähigkeit, eine potenziell düstere Prämisse in eine pointierte Geschichte zu verwandeln.
"Mr Dexters Drache" (Mr. Dexter's Dragon) - Ein Sammler entdeckt mehr, als er erwartet hat, als er über ein Buch mit einer besonderen Illustration eines hungrigen Drachen stolpert. Es zeigt sich auch hier brillant, wie wirkungsvoll Arthur eine Gruselgeschichte konzipieren konnte, die das Grauen heraufbeschwört, aber dennoch für junge Leser geeignet ist.
"Hank Garveys Taggeist" (Hank Garvey's Daytime Ghost) - Eine weitere Geschichte über die Macht des Eigensinns, in der ein Einheimischer das Leben seines Enkels sogar aus dem Grab heraus bestimmt. Die Geschichte ist unterhaltsam und skurril und schließt den anheimelnden und famosen Band würdig ab.
Obwohl Geister in einem Buch mit diesem Titel erstaunlich wenig vorkommen, gibt es für die jungen Leser viel Fantastisches und Übernatürliches zu entdecken. Das Erscheinen im Kosmos-Verlag mit der wunderbaren Übersetzung von Anja Herre ist ein Glücksfall.
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