Superman (Der Mann aus Stahl)

Ein merkwürdiges Schauspiel zeigte sich auf dem Cover der ersten Ausgabe der Action Comics im April 1938. Ein seltsam gekleideter Mann im rotem Umhang stemmt da ein ganzes Auto über seinen Kopf. Auf seiner Brust prangte ein rotes “S” auf gelbem Grund. Der Stil mag sich im Laufe der Jahrzehnte verändert haben, aber der Mann aus Stahl wurde stets in den selben Farben gezeigt: rot, gelb und blau.

Von der Popkultur zur Folklore

Die Artefakte der Populärkultur müssen in ihrem jeweiligen sozialen und politischen Kontext analysiert werden, damit die Dimensionen ihrer Bedeutung wirklich erkannt und verstanden werden können. “Superman” als Ikone der Nachkriegszeit, kann in einem solchen Kontext verstanden werden, denn eingebettet in Fernsehsendungen, Filmen, Comics und anderen Formen der Massenunterhaltung sind stets Vorstellungen darin eingebettet, wie die Mitglieder einer Gesellschaft ihr Leben führen sollten.

Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen dieser Zeit, gepaart mit Verbesserungen in der Massenkommunikation, machten populäre Figuren wie Superman zu idealen Trägern für die Verbreitung kultureller Propaganda.

Als ein Teil der amerikanischer Kultur ist Superman einerseits Kinder- und Erwachsenenfantasie zugleich, mythischer Held und Gott. Er verkörpert in der kollektiven Wahrnehmung die “bewundernswertesten” Eigenschaften des amerikanischen Charakters, aber bei näherer Betrachtung steht er auch für viele der Brüche und Neurosen in der amerikanischen kulturellen und sozialen Psyche. Superman wurde “in einer schlaflosen Sommernacht im Jahr 1934” von dem jugendlichen Zeitungsausträger Jerry Siegel erfunden. Seinee Figur war ein außerirdisches Waisenkind mit übermenschlichen Kräften, das von einem älteren Ehepaar aus dem Mittleren Westen aufgezogen wurde, das ihm dabei half, seine Kräfte zu nutzen, “um der Menschheit zu helfen”.

Unser Held nimmt eine doppelte Identität an, die des Clark Kent, die es ihm ermöglicht, in der menschlichen Gesellschaft zu überleben, obwohl er ein Außenseiter ist.

Zusammen mit seinem Freund, dem Zeichner Joe Shuster, schuf Siegel eine Ikone, die schließlich mehr als eine Milliarde Dollar wert war. In der Nachkriegszeit eroberte Superman die Comics, das Radio, die Zeichentrickfilme, die Kinoserien und 1951 auch das Fernsehen. “The Adventures of Superman” setzte sich durch und wurde “die zweiterfolgreichste Ausstrahlung in der Geschichte des Mediums.

Die enorme Popularität der Fernsehserie spiegelte den Erfolg der Ikone in anderen Medien wider, allerdings ohne die Kontroversen, unter der die Comic-Industrie zu leiden hatte. Obwohl er als einer der “saubersten” Comics galt, wurde Superman, wie auch andere Comic-Helden, in der Nachkriegszeit von Eltern und Kinderpsychiatern heftig angegriffen.

Große Aufmerksamkeit wurde der Möglichkeit gewidmet, dass Comics den Verstand von Kindern überall verderben könnten, direkt vor der Nase ihrer Eltern. Man befürchtete, dass Kinder sich beim Versuch, wie ihr Lieblingsheld zu fliegen, verletzen könnten. Oder aber, dass sie durch Comics zu sexuell Perversen und gewalttätigen Verrückten werden.

In Anbetracht der unglaublichen gewalttätigen Zeit, die in der Realität gerade erst zu Ende gegangen war, scheint es, dass die Sorge der Erwachsenen um die Kinder (verstärkt durch das Ideal einer intakten Familie in der Nachkriegszeit), gepaart mit Angst und Schuldgefühlen nach dem Krieg, auf die Comics projiziert wurden. Die Erwachsenen schienen unfähig, Gewalt in der Realität verhindern zu können, aber sie konnten zumindest verhindern, dass ihre Kinder sie in Form von Comics konsumierten und erlebten.

Die Verantwortlichen – Jerry Siegel und Joe Shuster – hatten nicht die geringste Ahnung, dass Superman erst eine ganze Nation in seinen Bann schlagen würde und dann die ganze Welt. Natürlich zeigte die Tagespresse kein großes Interesse an den Entwürfen, aber die beiden Freunde gaben nicht auf und verkauften die Rechte schließlich an Detective Comics aka DC für 130 Dollar. Das war eigentlich ein Eingeständnis des Scheiterns, aber Superman sollte noch alle überraschen. Er schlug sofort ein wie eine Bombe. Siegel und Shuster sahen aus der Ferne zu, wie der Mann aus Stahl für den Verlag zu einem gewaltigen Goldesel wurde. Nachdem die Filmrechte bei einem Multi-Millionen-Dollar-Deal verkauft wurden, verpflichtete sich DC Comics, den beiden Künstlern 20.000 Dollar pro Jahr zu zahlen und ihre Namen bei allen zukünftigen Publikationen zu nennen.

Die Idee von Superman als Golem und Moses

Die eigentliche Idee von Superman wird oft missverstanden. Viele denken, er gehört zur Idee einer höher entwickelten Spezies. Aber tatsächlich war er genau das Gegenteil. Sowohl Shuster als auch Siegel waren Juden, die Söhne von Einwanderern, und Superman entnahmen sie der jüdischen Mythologie. Die Verfolgung der Juden in Deutschland stand ebenso Pate wie die Verhältnisse in der Sowjetunion und Mussolinis Italien. Superman war der Retter, für den sie alle beteten, ein Held, der eintrat, um den Hilflosen zu helfen.

Siegel bekannte später:

“Was hat mich dazu bewogen, in den frühen 30er Jahren Superman zu erschaffen? Von der Vernichtung und der Abschlachtung hilfloser, unterdrückter Juden im nationalsozialistischen Deutschland zu hören und zu lesen… Filme zu sehen, in denen die Schrecken und die Entbehrungen der Unterdrückten gezeigt wurden. Ich hatte den großen Drang, den unterdrückten Massen irgendwie zu helfen. Aber wie konnte ich ihnen helfen, wenn ich mir selbst kaum helfen konnte? Superman war die Antwort.”

Die meisten Juden kennen die Geschichte des Golem – eines Mannes, der im 16. Jahrhundert von Rabbi Loew in Prag aus Schlamm geformt wurde. Loew hauchte dem Geschöpf durch hebräische Beschwörungen Leben ein und schickte es los, um das Volk zu schützen. Superman hat eine ähnliche Funktion, auch wenn seine Geschichte etwas anders lautet. Tatsächlich gibt es in seiner Biographie auch Hinweise auf die Geschichte des Moses.

Moses wurde nach dem Buch Exodus von seiner besorgten Mutter am Ufer des Nil ausgesetzt, wo er von der Tochter des Pharao im Schilf gefunden wurde. Und Superman wurde vom Planeten Krypton fortgeschickt, weil seine Familie wollte, dass er überlebt. Und wie Moses, der sein Volk befreite, kämpft Superman für diejenigen, die nicht für sich selbst kämpfen können. Interessanterweise lautet sein eigentlicher Name Kal-El. Das Suffix bedeutet im Hebräischen “Gott”.

Superman wurde zum Symbol. Er galt bei den Nazis als gefährlich, Joseph Goebbels schrieb in der SS-Zeitung Das Schwarze Korps, dass Siegel “intellektuell und körperlich beschnitten” sei.

Amerikas Lieblings-Superheld ist ein Immigrant. Das trägt zur Erklärung des außerordentlichen Erfolges, den er seit über 80 Jahren hat, bei. Amerika ist eine Nation, die sich aus Menschen der ganzen Welt zusammensetzt, die ihre Ideen vermischen und dabei etwas Neues erschaffen. Supermans doppelte Identität ist der Grund, warum er die Verkörperung der amerikanischen Kultur ist. Er entkam den Gefahren seiner Heimat, integrierte sich in eine andere Kultur und traf dann die Entscheidung, denjenigen Sicherheit zu geben, die ihn aufnahmen, und seine Kraft für das Gemeinwohl zu nutzen.

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Dies ist Teil 2 von 36 der Serie Helden, Versager und andere Ikonen

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